Nach Shaun of the Dead könnte - zumindest in Szenekreisen - Freak Out als der legitime Nachfolger dieses Horrorfilmgenre persiflierenden Kultfilms aus Großbritannien geahndet werden. Ehrlich, ich habe mich schon lange nicht mehr bei einer Horrorkomödie so durchgängig gut unterhalten gefühlt und so herzhaft gelacht als wie hier. Vom Stil her ist der Fanfilm mit einer Troma Produktion vergleichbar; ebenso schräg und skurril - jedoch anders, eben typisch englisch. Um einen zeitgenössischen Vergleich zu einer ebenfalls englischen Horrorkomödie zu ziehen - der reine Unterhaltungswert übertrifft Severance um Längen und bietet im Gegensatz zu diesem einen durchgängig bösen Humor…
Welche Charakteristika braucht ein guter psychopathischer Massenmörder? Eine versoffene, ihn in seinem darauf bedingten unterentwickelten Wesen ablehnende und ins Heim steckende Mutter? Eine solch daraus resultierende psychische Entwicklung, dass Klassenkameraden ihn auf Grund seiner durch Macken auslebende Unsicherheiten abweisen, hänseln und bis aufs Blut reizen? Ein Mensch der dies alles nicht verkraftet und mehrere Jahre lang in psychiatrischer Behandlung ist? Ja, ich denke mit solch einer Vita kann man letztendlich nur ein Menschenfeind werden - im besten Fall! Denn trotz all dieser erfahrenen Lebensabschnitte ist der aus der Anstalt geflohene “Looney” noch weit davon entfernt ein Killer wie aus dem Bilderbuch zu werden.
Denn “Looney” ist anders als die anderen. Anstatt in jahrelanger Isolation seinen Hass und Frust zu manifestieren und als ersten Akt in der Freiheit den nächst besten Jogger im Wald abzuschlachten, findet er im selbigen den Ausweis von Merv - darauf resultierend eine Begegnung wie sie folgenschwerer nicht hätte sein können! Denn Merv erfüllt alle Klischees eines Horrorfreaks die man sich nur vorstellen kann: Nicht sonderlich attraktiv, die Wände mit Horrorpostern zu tapeziert, eine umfangreiche Sammlung an Mord- & Totschlagfilmen, kein Interesse an den Frauen, etc. Und so sieht er in “Looney” seine Chance - die Chance auf Ruhm und Ehre … und vor allem seine Schlitzerfilmchen wahr werden zu lassen. Doch bis muss er “Looney” erst einmal die goldenen Regeln des erfolgreichen Tötens beibringen. Gar nicht so einfach mit jemanden der mit Freddy & Jason Freddy Mercury und Jason Priestley verbindet, Vegetarier(!) ist und mit seiner Fistelstimme am liebsten Arien trällert. Doch mit seinem im Bowlingcenter arbeitendem Kumpel Onkey setzt Merv alles daran den Mythos rund um die schon in Planung steckende Merchandisingmaschinerie aufzubauen…
Wie gesagt, ich habe selten so viel und so durchgängig Spaß gehabt wie hier. Die Mischung aus irrwitzigem Plot, sympathischen Charakteren, halsbrecherischen Szenemontagen, skurrilen Ideen, englischem Humors und kreativen Morden ist so harmonisch abgemischt, so das man den Spaß, den alle beteiligten dabei hatten, regelrecht miterlebt. Im Vordergrund steht hierbei aber der humoristische Aspekt der Geschichte, bei der trotz zahlreicher Elemente des Genres die Horrorkomponente selten durchsickert und im nächsten Moment schon wieder so parodiert wird, das sich ein unwohliges Gefühl oder gar Spannung zu keiner Sekunde einstellt. Also kein Vergleich mit Shaun of the Dead oder Severance; eher ein charmanter Fanfilm der sein Publikum gleichermaßen vorführt wie unterhält.
Geschickt bricht der Film die Regeln des Genres, indem er z.B. “Looney” in Situationen geraten lässt, in der sich eigentlich seine Opfer befinden sollten - wie z.B. alleine durch einen Wald zu schleichen, Geräusche hören und entsetzt das Weite suchen. Doch anstatt wie bei Behind the Mask: The Rise of Leslie Vernon das komplette Slasher-ABC durchzuexerzieren und auf pseudo-dokumentarischen Stil zu setzen, baut Freak Out mehr auf Situationskomik und dem agieren der zahlreich verschrobenen Personen untereinander. Obwohl mit Wortwitz gespickt, sind es doch vor allem die oft eingestreuten Szenenmontagen, die unbeschreiblich kraftvoll in ihrer Wirkung sind. Wird doch von Pike auf “Looney” beigebracht böse & berühmt zu werden - sprich eisernes erlernen von Umgang mit Waffen, Auswahl der Opfer, PR-Arbeit und so weiter. Dabei entstehen dann auch solche Situationen das beim anpirschen aus der Hecke heraus ein Spanner Gesellschaft leistet, ein Opfer bevor es niedergestreckt werden kann vorher Suizid begeht und ähnlich groteske Situationen.
Obwohl sich das Storygeflecht ja in erster Linie um “Looney” rankt - so klar ist das in späteren Kernabschnitten der Handlung das von Frankenstein geschaffene Monster Amok läuft und der Schöpfer erkennt welchen Fehler er gemacht hat - geht Freak Out auch genug auf die titelgebenden Eigenbrödler ein. Unsere Spezies wird aber trotz klar erkennbarer charakteristischer Merkmale nicht als tumbe Verlierertypen gezeichnet, sondern als wo in der Gesellschaft ihren Platz suchende Liebhaber etwas abwegiger Hobbys mit Herz und Seele. Dies wird z.B. darin deutlich, wenn Merv einsieht das er sich mehr mit dem realen Leben denn mit Horrorfilmen beschäftigen sollte, im Grunde seines Herzens aber doch immer noch der gleiche Freak ist, der nicht einfach sein bisheriges Egozentrikerdasein aufgeben will und letztendlich lernt das beides miteinander verbindbar ist - wenn auch der Weg der Erkenntnis nicht immer schmerzfrei ist. Solch emotionale Szenen sind aber eher die Ausnahme, wenn auch gut das dieses Understatement eingeflochten wurde, denn es hat auch seinen wahren Kern.
Wird im späteren Verlauf noch ordentlich mit der roten Suppe hantiert, sind die “handfesten” Effekte jedoch an einer Hand abzuzählen und budgetbedingt mehr lustig denn hart anzusehen. Wenn ein betrunkener Partygast beim Eintreffen des mit einer Eishockeymaske vermummten Killers meint man könne jetzt “Mord im Dunkeln” spielen und in nächster Sekunde das Licht ausmacht, dann sind folgend blutbefleckte Leichensäcke das höchste an Schauwert - meist beispielhaft für restliche “Massakerszenen“. Die BBFC 15 Freigabe geht sofern mehr als in Ordnung, in hiesigen Gefilden eine höhere Einstufung als FSK 16 unwahrscheinlich. Aber wie bei allen englischsprachigen Filmen sollte man auch diesen am besten im Original schauen, da doch sonst recht viel des sprachlichen Witzes verloren geht.
Bloß ob sich dafür ein deutscher Verleih finden wird? Ich würde hier wenn denn auf ein Fanlabel pochen, ist die 16mm Produktion doch eher ein sehr gut gemachter Independentfilm als ein auf großes Massenpublikum zielender Blockbuster. Auch nur wir Genrefreunde werden die Hommagen an große Horrorfilmklassiker zu schätzen wissen, trägt “Looney” doch anfänglich einen Kartoffelsack, oder aber bietet das Dachgeschoß mit seiner Luke die Möglichkeit einer netten Sequenz a lá Sam Raimis Kultklassiker. Ob Freak Out ein solcher werden könnte? Ich weiß es nicht, auf jeden Fall ist dieser - zumindest kultverdächtige - UK Film mit die witzigste Horrorkomödie seit langem - voll mit subversiven Humor, einer Menge erfrischendem Flair und erstaunlich wenigen Fehlzündern; von der ersten bis zur letzen Minute schwer unterhaltend!
(8/10)