Für mich ist „Caligula“ nicht ein Skandalfilm, sondern die logische Weiterentwicklung des Sandalenfilms. Ein echter Hammer! Hier wird endlich ein Antikenbild wiedergegeben, das nicht auf geölten Bodybildern in Pappkulissen basiert, sondern die so ziemlich finsterste Zeit des julisch-claudischen Geschlechtes als Mischung aus Sex und Gewalt ungeschönt zeigt. Zumindest wirkt der Film authentisch, wenn man Sueton als seriöse Quelle akzeptiert…
Der Film beginnt mit dem jungen Caligula, der Tiberius (im moralischen Entstadium) auf Capri besucht. Vormals ein harmloses Maskottchen, mutiert Caligula angesichts des Anschauungsunterrichtes bezüglich Dekadenz und durch aufkeimende Angst vor Mord zu einer noch schlummernden Bestie (Die Phantasien, die durch Caligulas Kopf geistern, als er sich ausmalt, was er als Cäsar tun würde, sind eine unglaubliche cineastische Umsetzung von Gewaltbereitschaft). Caligula bringt Tiberius um und wird selbst Cäsar. Noch lebt er fast harmlos seine Neigungen aus, die sich vor allem im Inzest mit seiner Schwester und einem ungezügelten Sexleben äußern. Erst als er als Folge einer schweren Fiebererkrankung seinen Restverstand verliert, beginnt die wahre Orgie der Gewalt, die erst mit seiner Ermordung durch die Prätorianer endet.
„Caligula“ lebt von dem Zusammenwirken wirklich großartiger Schauspieler mit Tinto Brass, der als Regisseur zeigt, dass er deutlich mehr kann als durchaus annehmbare Sexfilmchen zu drehen. Scheinbar zum ersten Mal Herr über ein nennenswertes Budget beweist Brass filmtechnische Klasse, die durch die üppige Ausstattung glaubwürdig unterstrichen wird. Man spürt beim Zusehen die Bedrohungen, die von Tiberius und Caligula ausgehen, und man glaubt, Schweiß und Kot förmlich riechen zu können.
Peter O’Toole ist ein göttlicher Tiberius. Es zeigt sich wahre Schauspielgröße, wenn man den Mut hat, eine versoffenen, syphilistischen Wüstling hohen Alters darzustellen. O’Toole ist in dieser Rolle hervorragend. Ebenfalls traumhaft ist McDowell als Caligula. Der Wahnsinn in Person (wobei es seiner Karriere sich nicht zuträglich war, auf Alex und Caligula reduziert zu werden).
Der dritte, logischerweise im Film vorkommende Cäsar (Claudius) ist die Nebenrolle eines Schwachsinnigen. Mir gefällt das Bild ganz gut, da es ein glaubwürdiger Gegenpol zur Claudiusdarstellung aus „Ich, Claudius, Kaiser und Gott“ ist.
Kommen wir zurück auf den Aspekt des Skandalfilmes. Schön festzustellen, dass sich niemand über die explizite Gewalt aufregt. Dafür erörtern alle die pornografischen Einlagen. Als nicht Fan dieser Filme kann ich trotzdem sagen, dass sie mich nicht stören. Sittenlosigkeit sieht nun einmal so aus. Ich kann aber auch sagen, dass sie den Film auch nicht weiterbringen. Was soll’s, es kann ja jeder nach seinem Gusto die für ihn passende Fassung auswählen.
Ich finde es schade, dass die Diskussion über den Einsatz der Pornografie überdeckt, um welch einen anspruchsvollen Film es sich bei „Caligula“ handelt. Mit einer gewalttätigen, durchdachten und glaubwürdigen Geschichte nahe am historischen Vorbild, gewaltigen Bildern und der passenden Musik (ich finde, der „Tanz der Ritter“ funktioniert besser als Filmmusik denn als Ballett-Untermalung von „Romeo & Julia“, sorry Prok-Baby).
Für mich ein absolutes Muß mit minimalen Abzügen. Eigentlich mehr als 9 von 10 Punkten, aber eben nicht agnz 10.