Wenn man „Ich, der Richter“ beurteilen will, muss man sich zuerst ein wenig Gedanken über die Vorlagen machen, die der gute Mickey Spillane geschaffen hat. Das literarische Werk von Spillane erhebt nicht den Anspruch, ein Kandidat für den Nobelpreis zu sein. Die Krimis sind schnell runter geschriebene Reißer härterer Gangart, die schlicht nur unterhalten sollten. Logische Plots oder glaubwürdige Dialoge findet man nicht. Trotzdem waren die Bücher wirtschaftlich hoch erfolgreich. So drängte sich auch immer die Notwendigkeit einer Verfilmung auf. Leider kann man Spillane nicht überzeugend verfilmen, ohne sich von den Romanen wieder zu entfernen. Das hat mehrere Gründe:
Die Charaktere, die Spillane entwirft, sind nicht ansatzweise ausgereift noch vollständig beschrieben. So entwickelt jeder Leser aus der Not heraus, sich ein Bild im Kopf machen zu wollen, ein individuelles Bild von Leuten wie Velda oder Mike Hammer. Wenn dieses Bild dann auf eine reale Besetzung stößt, treten leicht enttäuschende Diskrepanzen auf. So kann Stacy Keach als Mike Hammer nur als Flopp gelten. Ralph Meeker war da schon besser, aber auch nicht richtig überzeugend. So ist es bei „Ich, der Richter“ löblich, dass gar nicht erst der Versuch unternommen wurde, sich an das Original anzulehnen. Der von mir sehr geschätzte Armand Assante ist nicht ansatzweise der Mike Hammer aus den Romanen. Und gerade dadurch, dass er nicht in Konkurrenz mit dem Bild im Kopf tritt, funktioniert der Film.
Selbiges gilt für die Geschichte. Wer „Ich, der Richter“ als Verfilmung des gleichnamigen Erstlings von 1947 bezeichnet, hat das Buch nicht gelesen. Roman und Film haben nur die titelgebende Hinrichtungsszene gemeinsam. Der gesamte Handlungsstrang ist neu, modern und trotzdem im besten Sinne eines Spillane würdig.
Die Spillane-Romane sind typische Kinder ihrer Zeit, des kalten Krieges. Mit einer Ausnahme geschrieben in den 50er und 60er Jahren lebt Mike Hammer in einer Welt der Altbedrohungen (die Reste des klassischen Gangstertums) und neuer Herausforderungen (Kommunismus und Weltherrschaft durch technische Errungenschaften). Wie eine Verfilmung dieser Bedrohung heute wirkt, kann man sich bei „Das Rattennest“ ansehen. Das Scheitern wird hier leicht nachvollziehbar.
Da habe ich doch lieber eine neue Story, die mit Elementen der alten Romane spielt. Und so ist die Idee, dass sich sinistere Kreise einen Psychopaten halten, der oppositionelle Frauen umbringt, durchaus gelungen. Die Schnittstelle des Sex-Institutes war wohl eher, um den wirtschaftlichen Erfolg zu erhöhen, funktioniert aber trotzdem.
Der Rest des Films wird aufgefüllt mit ordentlichen Verfolgungen und guten Showdowns, die natürlich nicht immer glaubwürdig sind (man denke an die zugelötete Pistole).
Ich finde, dass „Ich, der Richter“ eine geglückte Hommage an das Werk von Spillane ist. Der Film weiß zu unterhalten, schauspielerisch zu gefallen und optisch durchaus anzusprechend, wozu maßgeblich Barbara Carrera beiträgt. Klar, man bekommt keine Kopfschmerzen vom Mitdenken. Aber das war bei den Büchern auch nicht der Fall. Ich bin wohl ein bescheidenes Gemüt, stehe auf die Art der Unterhaltung und gebe diesem Film 9 von 10 Punkte.