Wir leben in einer Globalisierungsgesellschaft. Die geografische Linie zwischen A und B hat sich in den letzten Dekaden auf der zeitlichen Ebene zunehmend verkürzt, proportional zum technischen Fortschritt im Verkehrs- und Transportwesen. Jules Vernes Roman, entstanden in der Hochphase der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts, ist logistisch längst überholt, weit mehr noch als zu Zeiten der deutschen Verfilmung von Richard Oswald 1919 oder der mit David Niven im Jahr 1956. Interessant ist nurmehr die Grundidee. Auf die Vorstellungskraft des Publikums vertrauend kann man den Roman längst nur noch als Historie verfilmen und künstliche Grenzen setzen, die in der Realität längst überschritten wurden.
Wie wunderbar das den Studiobossen von Buena Vista doch in den Kram passt. “Shanghai Knights” ist, angesiedelt im historischen Großbritannien, schließlich ein Jahr zuvor im Heimkinobereich ein Renner gewesen. Was lag da näher, als ein Quasi-Sequel zu basteln. Da “Shanghai Knights” selbst schon ein Sequel ist, wurde es dann eben, einfallsreich wie die Herren in der Kreativabteilung sind, ein Remake; nicht das erste, mit Verlaub.
Um Jackie Chan dabeihaben zu können, wurden auch gleich ein paar Fakten der Vorlage gebogen, und das steht stellvertretend dafür, was Regisseur Frank Coraci hier aufgetragen wurde. “In 80 Tagen um die Welt” ist keine Hommage an Jules Verne, und um Gottes Willen schon mal gar nicht ein zur Globalisierung der Gegenwart Stellung nehmendes Werk, sondern ein seichter Unterhaltungsfilm für die ganze Familie, der so manchem Bewunderer der Vorlage die Zornesröte ins Gesicht treiben wird. Doch selbst, wenn man nicht unbedingt zu den Fans des französischen Schriftstellers gehört, hält sich das Vergnügen an der Weltreise in Grenzen. Für die 110 Millionen Dollar, die in das Projekt gesteckt wurden, hätte man mehr erwarten können als künstliche CGI-Szenenübergänge, ein paar Promi-Cameos und ein zugegeben ganz hübsches Produktionsdesign.
Dass das Drehbuch formelhaft, kindgerecht und überraschungsfrei werden würde, damit hatte man rechnen können. Unterhaltungstechnisch war trotzdem mehr drin als ein “Shanghai Light”. Steve Coogan (als Phileas Fogg) und Jackie Chan (als Passepartout) bilden trotz der ungleichen Diener-Herr-Beziehung ein Buddy-Couple, aber eines, das ungleich weniger harmonisch agiert als Chan und Owen Wilson, ja gar weniger noch als Chan und Chris Tucker.
Das mag daherrühren, dass die Buddy-Konstellation offiziell vielleicht gar nicht so festgeschrieben ist. Durch Chan wird der Figur des Dieners sehr viel mehr Platz zur Entfaltung geboten, als man das erwarten könnte, da er fast gleichberechtigt mit Hauptdarsteller Coogan durch das Abenteuer wandelt. Er ist gar derjenige, der mit dem Bankraub die Geschichte eröffnet. Doch Fogg und Passepartout behandeln sich streckenweise wirklich wie Herr und Diener, nicht wie alte Freunde, obwohl eine Freundschaft zwischen Beiden später suggeriert wird, ja eigentlich auch für die Motivation des Dieners vonnöten ist, überhaupt an dem wahnsinnigen Vorhaben teilzunehmen.
Doch Coogan spielt ein wenig von oben herab und scheint seinen Co-Star manchmal gar nicht so recht wahrzunehmen. Ohne Frage hat er als Alleinunterhalter seine guten Momente und erweist sich als Comedian mit gutem Timing, spielt vor allem sein Talent im Grimassenschneiden aus und benutzt sein markantes Pferdegebiss und seine trüben Augen mehrmals für eine fantastische Darstellung des Möchtegern-Aristokraten, der mittellos und vom Pech verfolgt in Wirklichkeit in seinen Träumen schwebt und Luftschlösser baut.
Zum treuen Passepartout lässt sich damit aber keine Verbindung aufbauen und so hat Chan ein wenig Schwierigkeiten damit, zu reagieren, weil es oft nichts gibt, worauf er reagieren könnte - und das ist der einzige Weg, wie ein Jackie Chan in einer US-Komödie funktioniert. Mit seinem freundlichen Lächeln und seiner Nice Guy-Art kommt der Chinese, der einen Franzosen spielt (immerhin diese inakzeptable Tatsachenverdrehung wird witzig ironisiert), nicht sehr weit. Die Folge: er wirkt so unscheinbar, so verloren wie seit den ersten Gehversuchen in den USA mit “The Big Brawl” und “The Protector” nicht mehr. Coogan lässt ihn im Stich.
Auch die Dritte im Bunde, Cécile De France, trägt nicht gerade zur Besserung dieser Fehlkonstruktion bei. Im Gegenteil, durch ihre Rolle als Love Interest Foggs stellt sie sich nur noch mehr zwischen die beiden Protagonisten und verwehrt ihnen jegliche Chemie. Auch sonst ist mit ihr nicht viel anzufangen. Zu Beginn ist sie ein wenig die Muse für Fogg, dann die Anlaufstelle für romantische Szenen und schließlich folgt noch ein bisschen Fem-Power mit einer kleinen, aber entscheidenden Actionszene.
Dass der Humor trotz allem nicht zu kurz kommt, liegt an den smarten Dialogen und dem süffisanten Smalltalk, der die Atmosphäre bestimmt. Platz für ein kleines Bonmot ist trotz des zeitlichen Drucks scheinbar immer da. Hier gibt Steve Coogan wirklich den Ton an und überzeugt mit allerlei Sticheleien gegen seine komplette Umgebung, die sich dann nicht selten gegen ihn wenden und ihn seines großen Mundwerks berauben.
So funktionieren auch die zahlreichen Cameos, schön verteilt über die Laufzeit und die einzelnen Zwischenstationen. Wer in welcher Situation wohl als nächstes auftauchen mag, ist ein witziges Ratespiel, das dann mit teilweise wirklich absurden, immer amüsanten Auftritten belohnt wird. Zwischen Sammo Hung, Daniel Wu, Kathy Bates, Rob Schneider, Macy Gray, John Cleese, Ewen Bremner und den Gebrüdern Luke und Owen Wilson ist sicherlich Arnold Schwarzenegger mit seiner unmöglichen Frisur eine ganz besondere Erwähnung wert, besonders, wenn man bedenkt, dass dieser Mann dort auf dem Bildschirm kurz danach zum Gouverneur von Kalifornien gewählt wurde - eine Sache, die man fast als Statement zum American Dream betrachten könnte.
In anderlei Hinsicht sind aber gesenkte Erwartungen zu empfehlen. Von Countdown-Suspense keine Spur, nicht einmal im Finale, wo normalerweise jede Sekunde zählt. Das Drehbuch springt zu beliebig vorwärts. Anhand bewusst künstlich gehaltener computergenerierter Landkarten-Sequenzen, die aber ausgesprochen unpassend in die Realszenen eingeflochten wurden, soll der Fortschritt der Crew bebildert werden, das funktioniert jedoch nicht im Geringsten. Es ist im Prinzip unwichtig, ob gerade Frankreich besucht wird oder Hongkong - um einen Blick auf den Globus zu werfen oder den geografischen Sachverstand zu gebrauchen, ist man einfach zu “müde”, weil es nicht wichtig erscheint. Der Look der verschiedenen Städte ist zwar als gelungen zu bezeichnen, dennoch werden die architektonischen Besonderheiten nicht stark genug herausgestellt und China versinkt als einer der Hauptaustragungsorte im Klischee von regenbogengetränkten Wiesenfeldern und kleinen Dörfern mit Holzhütten.
Im kühlen London wird nebenbei noch ein kleiner Plan geschmiedet, Phileas Fogg an seinem Vorhaben zu hindern, doch irgendwie scheinen die dunklen Machenschaften von der Halbinsel die Dreier-Crew in der fernen Welt nie so recht zu erreichen. Wenn dann mal Probleme mit Abgesandten wie Ewen Bremner oder Maggie Q auftauchen, dann sind diese viel zu schnell gelöst, um das Projekt ernsthaft zu gefährden.
Und so kommt es, dass nicht einmal die hochgelobte Kampf- und Stuntarbeit mit Beteiligung eines Jackie Chan etwas reißen kann. Auf überbordende Spezialeffekte wurde glücklicherweise verzichtet. Man setzt auf Handarbeit mit Wirework-Unterstützung. Diesmal wirkt die aber leider ein wenig lahm. Jackie darf mal am Seil des Ballons hängen und durch ein französisches Haus turnen und später hin und wieder mal einen Zweikampf mit kleineren Hilfsmitteln austragen, was aber längst nicht so frisch wirkt wie das, was er kurz zuvor noch in “Shanghai Knights” gezeigt hatte. Lediglich in der China-Sequenz mit Sammo Hung und Daniel Wu wird es ein wenig besser, von früheren Großtaten ist man da aber auch weit entfernt. Chan wirkt ein wenig müde, und dass das nicht ausschließlich auf sein Alter zurückzuführen ist, beweisen die Wahnsinnsdinger, die er im gleichen Jahr in “New Police Story” und in seinem Cameo in “Blade of the Rose” ablieferte.
Der Clou im Finale ist dann wieder romangerecht und ein halbwegs kurzweiliger, aber etwas überzüchteter kommerzieller Familienfilm der Sorte “hat die Welt nicht zwingend gebraucht” geht zu Ende. Wo die 110 Millionen Dollar alle hingeflossen sind, ist schwer zu erahnen, denn mit der Hälfte des Budgets haben die Macher von “Shanghai Knights” einen genauso schicken und qualitativ klar besseren Streifen zustande gebracht. Steve Coogan, der für sich eigentlich ganz witzig ist, und Jackie Chan harmonieren einfach nicht, Cécile De France ist ein zusätzlicher Klotz am Bein und die Reise durch die Welt ist kein bisschen spannend. Nur ein netter Look, teilweise feiner englischer Humor und begrüßenswerte Cameos bewahren die Reise “ in 80 Tagen um die Welt” vor dem vorzeitigen Absturz.