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Eins kann man Tim Burton getrost zugestehen: sein Gefühl für den eigenen morbiden Stil macht jeden seiner Filme zu einem Erlebnis, egal ob er einem gefällt oder nicht. Nachdem er zwei finanzielle Flops hingelegt hatte (Mars Attacks, Ed Wood), obwohl die Qualität der Arbeit durchaus gegeben war, war Sleepy Hollow die Rückfahrtskarte in Richtung Hollywood-Oberliga.
Das Rezept: Man nehme eine in den USA wohlbekannte Gruselgeschichte und ergänze sie mit satirischen Seitenhieben zu einem formvollendeten Supernatural-Thriller des ausgehenden 18.Jahrhunderts. Mit an Bord wieder Burton-Regular Johnny Depp, der mit seinem Lieblingsregisseur immer zu besonderer Höchstform aufläuft. Sein Ichabod Crane ist das reine Vergnügen, seiner Zeit voraus, doch tief im Herzen kein mutiger Mann. Er besitzt einen Hang zur Selbstdarstellung und zur Arroganz, kann seinen Sinn für Realität im Notfall jedoch überwinden. Als personelles Ego-Center des Filmes überstrahlt er den Rest der Besetzung beizeiten schon, doch zum Glück können sich Christina Ricci und ein glänzend verkommener Supportcast durch das geschickte Buch immer wieder in Szene setzen.
Star aller Burton-Filme ist und bleibt jedoch der Inszenierungs- und Ausstattungsstil. In blassen, nebligen Sets heben sich die Gebäude finster vom düsteren Hintergrund des Himmels ab, ein visuell aufgepeppter Scherenschnitt mit Tiefenwirkung. Wenn der kopflose Reiter erscheint, dann blitzt und donnert es, das Unheil kündigt sich an.
Mitunter zitiert Burton sich hier selbst, wenn er eine alte Mühle beim Showdown einsetzt (die Idee ist natürlich aus dem Frankenstein von 1931), die er so schon bei seinem SW-Kurzfilm "Frankenweenie" benutzt hat.
Auch die im finsteren Wald aufgestöberte Hexe ist von der Präsentation her ein Relikt aus der "Beetlejuice"-Produktion.
Beeindruckend dagegen die Schöpfung des Höllenbaums und des kopflosen Reiters, dem in einer Rückblende Christopher Walken Gesicht verleiht.
Trotzdem bleibt das Geschehen rund, findet Burton immer wieder die nötige Balance aus spannender Erzählung, Thriller, Horrorelementen, Ironie und blanker Komik.
Dabei rollen natürlich gehörig Köpfe (vorzugsweise in Großaufnahme), doch Burton vermeidet ein hohes Rating, indem er den ganzen Film über kaum einen Tropfen Blut zeigt. Er verläßt sich hier sowohl auf einen Drehbuchkniff als auch auf visuelle Einfälle und schnellen Schnitt. Das Ergebnis ist eine geradezu brilliante Täuschung: der Zuschauer glaubt, einen extrem gewalttätigen Film gesehen zu haben (was auch stimmt), doch wirklich gesehen hat man eigentlich nur sehr wenig. Film ist Illusion und Burton bietet hier seine ganze Meisterschaft auf, um jeden Gruselfilm zufriedenzustellen.
Ein stimmungsvoller Grusler zum Mehrfachsehen; Horrorfilmunterhaltung in Vollendung. (9,5/10)

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