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Brauchen wir nach ausgebrochenen Vulkanen („Volcano“, „Deep Impact“) und riesigen Meteoren („Armageddon“, „Deep Impact“) überhaupt schon wieder einen Weltuntergang? Nach dem letztjährigen, durchschnittlichen „The Core“ schien der Katastrophenfilm ausgelutscht und doch schickt Deutschlands Regieexport Roland Emmerich Mutter Erde in die Eiszeit. „The Day After Tomorrow“ unterscheidet sich deutlich von den letzten Werken des Schwaben, was wohl vor allem an der Trennung von Produzent und Drehbuchautor Dean Devlin, der die letzten Werke „Independence Day“, „Godzilla“ und „The Patriot“ mit nervigem Hurra-Patriotismus überziehen ließ, liegt. Wenn hier die Stars and Stripes wehen, dann nur im eisigen Wind und da friert sie symbolisch ein. Der Erfolgsregisseur traut sich zum ersten Mal kritisch mit seiner Wahlheimat auseinander zu setzen und zumindest das ist neu.

Um den Film zu mögen und sich unterhalten zu lassen, muss man, ähnlich wie bei Michael Bay, mit den entsprechenden Erwartungen in den Film gehen. Tricktechnisch wird erwartend geklotzt, während Story und Charaktere ähnlich formelhaft wie in Emmerichs vorangegangenen Werken bleiben. Nur der infantile Popcornhumor bleibt auf der Strecke, denn das Szenario wird ernst präsentiert – todernst. Tatsächlich ist „The Day After Tomorrow“ der überlange Sommerblockbuster, der „Van Helsing“ und „Troja“ unbedingt sein wollten. Zuletzt gestartet ist er der erste, der dem Anspruch gerecht wird.

Nach Aliens und Godzilla ist es nun die Natur, die die amerikanische Nation in ihren Grundfesten erschüttert. Der Einstieg wird mit dem Kyoto-Protokoll geschaffen, wobei die Igno- und Arroganz der amerikanischen Umweltpolitik vom Vicepresident personifiziert wird. Er steht für die Wirtschaft, die sich einen Dreck um die Natur schert, nur die finanziellen Einbußen im Hinterkopf hat und die Warnungen des Klimaforschers Jack Hall (Dennis Quaid), der eine Veränderung der Atmosphäre in mehreren Hundert Jahren prognostiziert, ignoriert. Doch alles soll viel schneller gehen, als eine riesige Scholle in der Antarktis bricht und damit den Süßwassergehalt im Atlantik so fatal beeinflusst, dass sich die Meeresströmungen, insbesondere der Golfstrom, global verändern.

Dennis Quaid spielt die Bezugsperson mit der man mitfiebert, um die man sich sorgt und hat mit Jack Hall die wirklich einzige Rolle, mit der man sich als Zuschauer identifizieren kann. Abgesehen vom unterforderten Jake Gyllenhaal als sein Sohnemann mit Flugangst (übrigens nette Anspielung auf seine Rolle im Geheimtipp „Donnie Darko“) ist der Rest des Casts nur eine Salatbeilage zum in mehreren Gängen aufgetischten Weltuntergang. Um Quaid war es in den letzten Jahren nicht besonders gut bestellt, die guten Rollen blieben aus, das diesjährige Alamo-Remake erwies sich als Superflop und dabei ist er einer der sympathischsten Schauspieler den Hollywood zu bieten hat. Umso mehr gönne ich ihm diese Rolle, denn den von Sorgen um seinen Sohn gepeinigten Vater nimmt man ihm genauso wie den Cassandra-gleichen Klimaforscher ab.

Inhaltlich recycelt Emmerich Ideen seiner vorangegangenen Filme und behält auch die Struktur grundlegend bei. Der Versuch Schicksale einzelner Protagonisten mit der Zerstörungsorgie in Einklang zu bringen funktioniert aber auch hier wieder nur ansatzweise. Die sich ankündigende Katastrophe, die damit verbundenen Einzelschicksale und die von der Regierung überhörten Warnungen der wissenschaftlichen Institutionen verhalten sich fast genau wie in „Independence Day“. Selbst die Charaktere von der jugendlichen Clique, dem US-Präsidenten, dem über sich hinaus wachsenden Wissenschaftler oder verarmten Penner (inklusive Hund) sind die gleichen.
Wäre Quaid nicht im Eis unterwegs, würde wohl gar keine Figur in Erinnerung bleiben. Am wenigsten seine Frau, die mit einem todkranken Jungen im Krankenhaus ausharrt und auf Hilfe wartet. Das Schicksal Ian Holms zum Beispiel geht, trotz interessanter Ausblende, nicht wirklich an die Nieren. Es sind wieder dieselben Mankos, mit denen der Film zu kämpfen hat. Anderseits muss man ihm zugestehen, nicht ewig an kitschigen Verabschiedungen und Sterbeszenen festzuhalten.

Wenn Emmerich etwas in den vergangenen Jahren bewiesen hat, dann, dass er mit Effekten umgehen kann, wie kaum ein Zweiter in Hollywood. Neigten die letzten Filme noch zum seelenlosen Effektoverkill, so sind sie hier kein Mittel zum Zweck, sondern passen in den Kontext des Szenarios. Wer also auf eine Effektschlacht wie in „Van Helsing“ hofft, wird enttäuscht sein, obwohl auch „The Day After Tomorrow“ viele hat. Nur setzt Roland Emmerich sie dosierter ein.
Angefangen bei Wirbelstürmen, die Los Angeles heimsuchen, über eine Flutwelle, die New York überschwemmt und schließlich seinen Höhepunkt im einfrierenden Big Apple findend, sind die Effekte großartig und von leichten Surrealismus geprägt. Sie wirken nicht künstlich, aber unwirklich und beängstigend. Wenn ein riesiges Frachtschiff plötzlich durch New York schippert, eine Flutwelle sich durch die Straßen ihren Weg bahnt und Tausende von Menschen in den Tod reißt, ist das einige Mal spannender und erschreckender, als wenn eine Riesenechse zwischen den Skylines marschiert. Schade nur, dass dabei nur in zwei kurzen Szenen auf den Rest, zum Beispiel in Form eines tödlichen Hagelschauers in Japan, der Welt eingegangen wird. Die dabei auftretende Soundkulisse begleitet die wuchtigen Bilder auf dem typischen Emmerich-Niveau. Zuschauer mit entsprechendem Home-Cinema-Equipment dürfen sich also nach dem Kinobesuch auf die DVD freuen.

Während die politischen Reaktionen (nicht patriotisch, sondern kleinlaut) leider nur angerissen werden, mit der Flucht von Amerikanern nach Mexiko aber einen netten Seitenhieb parat haben, fokussiert Emmerich, zwischen den Wetterorgien, Halls Versuch seinen Sohn aus dem vereisten New York zu retten – mit ihm zwei seiner engsten Kollegen. Auf der Fahrt und später der Wanderung wird, genau wie bei der ums Überleben in der Stadtbücherei kämpfenden Clique, leider nur allzu deutlich, dass es um die Dialoge oft nicht allzu gut bestellt ist. Die oftmals pathetischen Dialoge sind weder frei von Kitsch noch von Klischees. Aber wer Emmerich-Kino erwartet, darf darüber eigentlich hinwegsehen, denn welcher Blockbuster der heutigen Zeit glänzt noch mit intelligenten Dialogen?

In wie fern die dargestellten Naturereignisse überhaupt möglich sind und vor allem ob sie so schnell von statten gehen können, darf natürlich bezweifelt werden. Doch erscheint hier keine Idee zu abwegig und besonders die blitzschnellen Temperaturabfälle sind wirklich beängstigend. Emmerich übertreibt nur, wenn er seine Intention dem Zuschauer zu penetrant aufzwingen will. So geschehen durch das Rudel Wölfe, das sich dämonisch überzeichnet über die letzten Überlebenden hermachen will und deutlich die Message „Nature strikes back“ mit sich trägt.

Fazit:
Roland Emmerich gelang mit „The Day After Tomorrow“ wohl sein bisher reifster Film. Während ich zum Schluss noch einen warnenden Dialog oder eine vorausschauende Texttafel vermisst habe, überzeugt der Rest des Films durch seine Glaubwürdigkeit. Die Dramaturgie fällt durchschnittlich aus, während sich die Schauspieler, allen voran Dennis Quaid, zwar redlich mühen, aber gegen die Einfallslosigkeit Emmerichs nicht viele Chancen haben. Dennoch ein sehr unterhaltsamer Sommerblockbuster (wenn nicht DER Sommerblockbuster 2004, auch wenn es musikalisch hapert), bei dem Altbewährtes zeitgemäß aufbereitet worden ist. Die Effekte sind spitze, das Szenario atemberaubend. Nicht der Film des Jahres, aber ziemlich gutes Popcornkino. Bist du geil auf den Weltuntergang? Haben dich „Troja“ und „Van Helsing“ enttäuscht? Dann rein da! Besser als Sommers und Petersen ist Emmerich dieses Jahr allemal.

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