Achtung! Massive Spoiler!!!
Roland Emmerich hat es geschafft! Er hat einen Film gedreht, in dem menschliche Emotionen nicht nur als vordergründiges Alibi-Story-Geschwafel für einen überflüssigen Subplot dienen und beizeiten sogar ins Lächerliche gezogen werden, siehe "Independence Day". Auch verzichtet er nicht nur vollständig auf den plakativen Hurra -Patriotismus, siehe "Der Patriot", sondern mausert sich fast schon zu einem ernst zu nehmenden Amerika-Kritiker- zumindest, wenn es um Umweltfragen geht. Von der Ablehnung des Kyoto-Protokolls wird hier zwar nichts erwähnt, geistert einem aber bei der Szene auf der UN-Konferenz sofort im Kopf herum. Und für eine alles andere als subtile Anspielung auf die wirtschaftlichen Interessen der USA ("Unser globales Klima ist ein sensibles Konstrukt" - "Unsere Wirtschaft auch!") ist er sich dann doch nicht zu schade. Und das Beste: Der US-Präsident hat hier weder einen Namen noch spielt er sonst irgendwie eine grosse Rolle ,ausser, dass er symbolisch im Sturm den Löffel abgeben darf. Und nicht zu vergessen: Die amerikanische Flagge ist nur 2 1/2 mal im Film zu sehen, zum Schluss eingefroren (noch mehr Symbolik!!).
Aber genug von der Polemik. Emerichs beinahe unerträglichen Helden-Epen sind schnell vergessen, wenn "The Day After Tomorow" seinen Effekte-Overkill zelebriert hat und danach ( die aus dem Trailer bekannten Stürme und Flutwellen sind nach 30 Minuten verbraten) seine Nebengeschichte beginnt, nämlich die des Klimaforschers Jack Hall (Quaid), der verzweifelt versucht, seinen Sohn Sam (Gyllenhall) aus dem vereisten New York zu retten. Ob die Rettungsaktion Erfolg hat, muss ich hier wohl nicht extra verraten! Auch, dass man sich hier beim Drehbuchschreiben kein Bein ausgerissen hat, dürfte klar sein. Doch was man hier zu sehen und zu hören bekommt ist erstaunlich: Kein langweiliges Gefasel, sondern Menschen in einer Ausnahmesituation - Kampf ums nackte Überleben, selbst die Romanze zwischen Sam und dem Mädchen, dessen Namen ich leider vergessen habe, wirkt weder nervig noch überflüssig. Auch die üblichen Stereotypen bleiben hier im Hintergrund, die Menschen, die sich in der Bibliothek verschanzen, sind einem durchweg sympatisch.
Noch erstaunlicher: Humor ist so ziemlich das letzte, was ich in diesem Weltuntergangs-Szenario erwartet hätte, doch es gibt ihn, und er ist bei weitem nicht so aufgesetzt wie die üblichen blöden Sprüche von nervigen Nebenfiguren. Der Joke mit dem Steuerrecht ist einfach klasse! Mit Hilfe des Humors schafft es Emmerich, gerade in akut schmalzgefährdeten Szenen den Zuschauer bei der Stange zu halten, bestes Beispiel hierfür: Der Trinkspruch kurz vor dem baldigen Ableben des Professors und seinen Mitarbeitern:"Auf England" - "Auf die Menschheit" - "Auf Manchester United". Und Schnitt. Keine ausgedehnte Sterbeszene. Danke dafür!
Und was die Optik betrift: "The Day After Tomorow" ist einer der wenigen Filme, in denen CGI-Effekte wirklich sinnvoll eingesetzt wurden, wie sonst hätte man die Verwüstung von LA oder die Flutwelle so realistisch darstellen können? Oder die im Schnee versunkenen Metropolen, die, so makaber es klingen mag, einfach nur schön aussehen.
Am Schluss bleibt ein Lächeln. Trotz einer ungewissen Zukunft für die Menschheit, die in der sogenannten "Dritten Welt" einen Neuanfang wagt. Vielleicht macht sie es diesmal besser...
Ein Film mit einer mehr als eindeutigen Botschaft, die mit dem Holzhammer gepredigt wird, aber doch ankommt!