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Karriere-technisch steckt Wesley Snipes zurzeit eindeutig tief in einem ernsten Dilemma: Der Misserfolg von „Blade 3“ scheint wohl der Sargnagel seiner (in den letzten Jahren ohnehin nicht allzu strahlenden) Kinokarriere gewesen zu sein, denn seitdem ließ die Qualität seiner Rollen (mitsamt der dazugehörigen Produktionen) erneut ein ganzes Stück weiter nach. Er selbst sagt, er würde lieber in Dramen mitspielen, was er ja ab und an auch macht (“Zigzag“/“Disappearing Acts“), doch das Publikum sieht ihn hauptsächlich als einen reinen Action-Darsteller. Da aber „klassisch gestrickte“ Filme jenes Genres kaum noch Kinosäle füllen, verbleibt eigentlich nur noch der Videothekenmarkt als einigermaßen lukratives Outlet derartiger Werke. Dabei ist der Mann zweifellos vielseitiger als beispielsweise seine Kollegen Seagal, Lundgren oder van Damme, was er in Filmen wie „Jungle Fever“, „Waterdance“ oder „One Night Stand“ beweisen konnte – und trotzdem lässt sich nun keinesfalls mehr abstreiten, dass er ihnen inzwischen in die „Direct to Video“-Hölle gefolgt ist…

Eines Abends befindet sich das ehemalige „Special Ops“-Mitglied Dean Cage (Snipes) einfach zur falschen Zeit am falschen Ort – denn ehe er sich versieht, wird er, der zudem seit einem fehlgeschlagenen Einsatz in Bosnien an einer posttraumatischen Störung leidet, von zwei Männern (Kim Coates/Mark Sheppard) entführt, die ihn mit einem „gegnerischen“ Agenten verwechseln. Man schafft ihn in eine psychiatrische Klinik, wo er von dem abtrünnigen CIA-Mann Sullivan (Stuart Wilson) eine experimentelle Droge injiziert bekommt, welche das Bewusstsein alteriert sowie für Suggestionen anfällig macht. Genau genommen handelt es sich bei dem Serum um ein Mittel zur Gedankenkontrolle und/oder Wahrheitsfindung, denn nach der Verabreichung ist es beispielsweise möglich, dem „Patienten“ Gründe dafür einzureden, einen Mord zu begehen oder vertrauliche Informationen preiszugeben. Nebenwirkungen umfassen jedoch suggestiv erzeugte Halluzinationen sowie einen daraus resultierenden instabilen Geisteszustand, der bis zum Eintritt des Todes nach rund 6 Stunden immer weiter abbaut, sofern das Gegenmittel nicht rechtzeitig verabreicht wird.
Sullivan sich hat eine ganze Ladung der Droge aus Regierungsbeständen unter den Nagel gerissen, weshalb er auf diese Weise ganz sicher gehen will, dass ihm die Behörden nicht direkt auf der Spur sind, bevor er das große Geschäft mit einem Käufer abschließt. Durch einen dummen Zufall wird bei Cage der Glaube erzeugt, er befinde sich wieder in Bosnien, und dass seine Entführer nun jene Soldaten wären, die sich damals für den Tod seines Kameraden (Christian Solimeno) verantwortlich zeigten, mit dessen Schwester (Jacqueline Obradors), übrigens eine örtliche Polizisten, er bereits seit der Zeit vor jenem Kampfeinsatz liiert ist. Im Wutrausch der aufsteigenden Gefühle gelingt ihm wenig später die Flucht, worauf er fortan nicht nur mit seiner Wahrnehmung zu kämpfen hat, welche ihm zunehmend die inneren Dämonen aus seinen Militärzeiten heraufbeschwört, sondern auch mit Sullivans Leuten, den Cops, die ihn inzwischen für einen gefährlichen Killer halten, sowie der CIA, welche verhindern will, dass die Droge auf den internationalen Schwarzmarkt gelangt. Im Verlauf verschwimmen die Bewusstseinsebenen immer stärker – und Cage läuft zunehmend die Zeit davon…

„Unstoppable“ (aka „Nine Lives“) stellt in so ziemlich allen Punkten eine klare „DTV“-Produktion dar, die auf der großen Leinwand schlichtweg zu einer vollkommenen Katastrophe verkommen wäre. So aber, auf der heimischen Mattscheibe, wird man gar nicht erst in Versuchung geführt, seine Erwartungen allzu hoch anzusetzen. Der gesamte Film vermittelt das Gefühl, als wäre er eigentlich in den 90ern gedreht worden: Handlung, Actionszenen und Kameraarbeit erwecken durchgehend diesen bestimmten Eindruck, den man aus Werken jener Zeit noch so in Erinnerungen hat – und dann spielt zudem noch Kim Coates mit, der bei etlichen der betreffenden Streifen damals zur Besetzung gehörte (zB „Crash“ oder „Unforgettable“). Das Problem ist nur, dass man (zumindest Story-technisch) doch gerne etwas Neues oder wenigstens besser Aufgearbeitetes gesehen hätte, denn mal abgesehen von diesen genannten Punkten entwickelt sich letztendlich trotzdem statt einem angenehmen Retro-Feeling eher nur ein abgegriffenes „been there, seen that“.

TV-Regisseur David Carson (“Nash Bridges“/“Witchblade“), der mit „Generations“ 1994 sogar mal einen Big-Budget-„Star Trek“-Kinofilm umsetzen durfte, hatte in diesem Fall zwar rund 15 Millionen zur Verfügung, aber nur ein formelhaftes Drehbuch, das eigentlich keinen vom Hocker reißen kann, der in seinem Leben mehr als 10 artverwandte Filme gesehen hat. Um zusätzliche Kosten zu sparen, wurde mal wieder hauptsächlich in Bulgarien gedreht, was jedoch nicht auffällt, da die Handlung in Nordamerika spielt und die gewählten Locations problemlos dafür durchgehen. Die handwerkliche Umsetzung ist größtenteils solide und routiniert ausgefallen: Man bekommt einige (standard-) Actionszenen und Verfolgungsjagden geboten, die Zeit dazwischen wird mit typischen „Füllsequenzen“ (Streitereien wegen der Behörden-Zuständigkeit, Flashbacks etc) ausgekleidet, die zwar nicht sonderlich aufregend oder originell sind, die Grenze zur Langeweile aber auch nicht unbedingt überschreiten. Insgesamt ist die Atmosphäre düster (was schon daran liegt, dass alles innerhalb nur einer Nacht abläuft) und dreckig (dunkle Wälder, nicht sonderlich moderne Kellerräume der psychiatrischen Klinik, unterirdische bosnische Tunnelanlagen und Folterkammern).

Nach „Blade 3“ und „7 Seconds“ wird Wesley Snipes auch bei „Unstoppable“ erneut im Verlauf an einen einen Stuhl gefesselt und verhört (hier sogar zweimal!), was ein irgendwie symbolträchtiges Bild seines derzeitigen Karrierestandes darstellt. Er hat ja das Talent, selbst schwächeres Material (zB „Drop Zone“) mit Leben zu füllen, und tatsächlich schimmert dieses in den ersten Minuten sogar durch, als er verunsichert und leicht verängstigt abwägt, ob er nun zur Selbsthilfegruppe traumatisierter Veteranen gehen soll oder nicht. Nachdem man ihm dann aber das Serum injiziert hat, verschwindet der Eindruck ganz schnell wieder zugunsten einer lustlos wirkenden „Phoned In“-Leistung. Ihm zur Seite steht Jacqueline Obradors („Soldier Boyz“) als Polizistin/Freundin Amy – sie macht ihre Sache recht gut, trotz der stereotypen Rolle. Kommen wir zu den „Bösewichten“: Der erfahrene Stuart Wilson (“No Escape“/“Lethal Weapon 3“) verbleibt blass, da ihm das Skript nichts zu bieten hat, genauso wie Mark Sheppard („Megalodon“). B-Film-Regular Kim Coates („Assault on Pre.13“) leidet jedoch am stärksten unter seiner Figur, da jene vom Drehbuch größtenteils schlichtweg dumm präsentiert wird (man soll beispielsweise mit den unter Drogen gesetzten „Patienten“ auf keinen Fall sprechen, bevor sie vom Experten befragt werden – doch er begeht diesen Fehler gleich 3 (!) Mal im Film, jeweils mit entscheidenden Konsequenzen). Da kann Coates mit noch solch Spielfreude den Schurken mimen – gegen diesen erweckten Eindruck hat er keine Chance.

Während das erste Drittel noch vollkommen okay ist (die typische Einführung, ein netter, kurzer Fight in einem Diner etc), verkommt der Verlauf in der Mitte leider zu einer belanglosen „Auf der Flucht“-Variante (nur halt unter Drogeneinfluss), bevor der Showdown wiederum etwas punkten kann (zB in Form eines Hubschraubers mit einer Gatling an Bord) – jedoch ebenfalls ausschließlich auf eine dem Genre-Durchschnitt angepasste Art und Weise. In dem vorherigen Satz habe ich zudem die zwei letztendlichen Hauptprobleme bereits indirekt genannt: Die Droge und die Action. Letztere ist, im Sinne der einzelnen Szenen, einfach zu kurz ausgefallen, denn erneut wird kaum Gebrauch von Wesleys hervorragenden Capoeira-Fähigkeiten gemacht, welche er zwar in einigen (wenigen) Momenten effektiv, aber viel zu knapp sowie (aus Sicht des Zuschauers) nur unausgereizt einsetzen darf. Unbestrittener Höhepunkt ist übrigens ein Stunt mit einem Tanklastzug, der das Geländer einer Brücke durchbricht, während sich Snipes noch auf dem Anhänger befindet. Zwar beginnt die Sequenz erstaunlich gut, mündet dann aber in einer billigen CGI-Explosion, welche den Eindruck deutlich trübt. Im gesamten Film wird bei den meisten Explosionen (außer beim Showdown) auf CGI-Feuer zurückgegriffen, welches aber wenig überzeugend umgesetzt wurde, was sowohl enttäuschend als auch ärgerlich angesichts der sonstigen handwerklichen Routine ist.

Und nun zu den „Halluzinogen“-Aspekten: Das Hin- und Herwechseln zwischen den Realitätsebenen an sich mag ja noch ganz nett sein, bei denen Elemente der Gegenwart mit welchen der Vergangenheit kombiniert werden (Cage glaubt etwa, dass er sich statt in der Klinik im bosnischen Bunker befindet, wobei seine Verhörführer (real) nun (in seiner Phantasie) die Uniformen der Soldaten aus seinen Erinnerungen tragen – und so (für den Zuschauer) dementsprechend dargestellt werden), doch Regisseur Carson überreizt es schließlich, indem er Wesleys verschleierte Sichtweise darüber hinaus auch noch oft ohne „Ebenen-Kreuzungen“ zeigt, welche in jenen Fällen dann einfach unscharf oder mit visuellen Kameraverzerrungen dargestellt wird – auf Dauer kippt der Effekt einfach ins Nervige. Hinzu kommen eine Reihe von Logikschwächen, üble Anschlussfehler (Amy im Krankenwagen mit der Injektionspistole in der Hand) sowie unpassende Stilbrüche (zB wird „Split Screen“ in nur einer Einstellung eingesetzt, welche zudem arg überflüssig ist). Noch ein Wort zur Logik: Cage bekommt auf seiner Flucht von einem der Verfolger suggeriert, seine Beine würden brennen, worauf er sich Flammen und Schmerzen „einbildet“…warum ruft man ihm nicht einfach so etwas wie „Du bist querschnittsgelähmt und kannst Dich nicht bewegen!“ zu? Dann wäre die Sache doch erledigt – aber derart sollte man wohl besser nicht über diesen Streifen nachdenken…

Fazit: „Unstoppable“ ist einer dieser Filme, die man sich einmal und dann nie wieder anschaut, obwohl man im Verlauf (für B-Film-Verhältnisse) einigermaßen unterhalten wurde – eben typische Fließbandware, wie es sie schon seit vielen Jahren zuhauf in den Regalen der Videotheken zu finden gibt … knappe (gnädige) 4 von 10.

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