Review

Sarah Michelle Gellar spielt eine verwöhnte Tochter reicher Eltern, die mit ihrem ebenso verdorbenen Stiefbruder, gespielt von Ryan Phillippe, wettet, dass es diesem nicht gelingt, die Tochter des zukünftigen Schuldirektors, gespielt von Reese Witherspoon, die beschlossen hat, bis zur Ehe Jungfrau zu bleiben, zu entjungfern. Dieser geht auf die Wette ein, verliebt sich dann aber tatsächlich.

Die Vorlage für "Eiskalte Engel" war der Briefroman "Gefährliche Liebschaften" von 1782 und das merkt man der Handlung auch an. Es geht hier, wie auch bei Shakespeare, Lessing, Schiller und anderen Autoren, die sich mit der Thematik befassen, mal wieder um das intrigante und vollkommen unmoralische Verhalten der Schönen und Reichen. Da die Thematik mittlerweile durchaus blutleer geworden ist, weil sie literarisch über Jahrhunderte und cineastisch bereits über Jahrzehnte behandelt wurde, war es durchaus eine gelungene Idee, die Geschichte in der Gegenwart spielen zu lassen und als Teenie-Drama zu servieren. Reibungslos klappt der Übergang in die moderne zwar nicht, überaus ansehnlich und gelungen ist das Resultat dennoch.

Der snobistische Adel des 18. Jahrhunderts wird durch die mindestens genauso arroganten und überheblichen, verzogenen Collage-Studenten reicher Eltern ersetzt, die an Skrupellosigkeit und Intriganz ebenfalls kaum zu übertreffen sind. In dieser, zumindest in Grundzügen gut gedachten Übertragung, findet sich dennoch ein zentraler Fehler, der stellenweise einen faden Beigeschmack hinterlässt. Im Versuch, die snobistische amerikanische Oberschicht zu kritisieren, wie es Shakespeare und Schiller mit dem Adel taten, verliert der Film den nötigen Ernst, den Realismus, den er eigentlich benötigt hätte, der Bezug zur Realität, zur Welt der Jugendlichen der heutigen Zeit, geht leider verloren, die Charakterkonstruktion ist nicht wirklich glaubhaft. Stellenweise sickert bei diesen Übertreibungen durchaus ein gewisser Sarkasmus durch, aber wirklich gesellschaftskritisch wird das, alles in allem doch relativ brave Teenie-Drama definitiv nicht. Auch die Opfer der Intrigen, sind etwas eindimensional konstruiert, so hat die Figur von Reese Witherspoon kaum Ecken und Kanten. Die Handlung als solche entspricht in Grundzügen ebenfalls dem klassischen Aufbau solcher Tragödien, schlägt aber dennoch ein paar überraschende Harken und könnte dramaturgisch kaum geschickter ausgeklügelt sein.

Trotz der vorhandenen Schwächen, der relativ flachen und unrealistischen Charakterkonstruktion, ist "Eiskalte Engel" ein mitreißender und höchst dramatischer Film, was größtenteils auf die nahezu perfekte Regie zurückzuführen ist. Regie führte Roger Kumble, der vor "Eiskalte Engel" kaum in Erscheinung getreten war und mit "Eiskalte Engel 2", "Just Friends" und weiteren eher misslungenen Komödien nie wieder einen auch nur annähernd vergleichbaren Film ablieferte. Kumble baut permanent Dramatik auf, beschleunigt das Erzähltempo nur langsam und erreicht so einen nahezu perfekten Spannungsbogen. Dabei kreiert Kumble eine enorm emotionale Atmosphäre, die von Anfang an fesselt. Der Soundtrack, bestehend aus bekannten Pop- und Rocksongs, ist perfekt gewählt und unterstreicht jede der emotionalen Szenen absolut perfekt: Man denke nur mal an die finale Szene, in der die "Bitter Sweet Symphonie" ertönt, während die Machenschaften der arroganten Studentin auffliegen, die im Prinzip nicht dramatischer und spannender sein könnte. Auch bei den romantischen Szenen gibt sich Kumble alle Mühe und serviert diese sehr liebevoll, meist ohne den Film in nervigen Gefühlskitsch abdriften zu lassen, meist mit einer gewissen Erotik, die anders als bei vielen anderen Teenie-Filmen keineswegs billig wirkt. Zudem setzt Kumble die starken Darsteller gekonnt in Szene und lässt diesen genügend Raum für Glanzleistungen, durch die der Zuschauer endgültig vom Film mitgerissen wird. Darüber hinaus ist der Film auch ansonsten optisch sehr gut gelungen und zu jedem Zeitpunkt perfekt bebildert. Obwohl die unrealistischen Charaktere keine rechte Identifikation zulassen, reißt der Film durch seine enorm routinierte, romantische, einfühlsame und höchst dramatische Inszenierung zu jedem Zeitpunkt mit.

Nachdem er zuletzt in "Studio 54" eine miserable Leistung abgeliefert hatte und auch in "White Squall", sowie "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hasst" eher blass blieb, zeigt Ryan Phillippe hier erstmals, dass er durchaus Talent hat. Anfangs überzeugt er als herzloser, arroganter Snob im perfekten Zusammenspiel mit Sarah Michelle Gellar, zeigt in Gegenwart seiner Verwandtschaft und seiner Opfer perfekt den aufgesetzten Charme, der ihn als verschlagenes Feindbild auszeichnet, bevor er zunehmend sympathische Züge mit authentischen Gefühlsregungen annimmt und den Wandel seiner Figur perfekt darstellt. Sarah Michelle Gellar überzeugt dabei einmal durch ihre überaus knappe Bekleidung und durch ihr hinterlistiges, argwöhnisches Spiel, mit dem sie ihrer unsympathischen Figur die passenden Züge verleiht. Schon in "Fear - Wenn Liebe Angst macht" und in "Pleasantville" hatte Reese Witherspoon einen hervorragenden Eindruck hinterlassen und auch hier zeigt sich die spätere Oscar-Preisträgerin mit ihrer sympathischen Art von ihrer besten Seite und brilliert als tragische Heldin, mit einer überaus emotionalen und liebenswerten Vorstellung. Auch der übrige Cast ist bestens besetzt, so überzeugt auch Selma Blair in ihrer naiven aber sympathischen Figur, genauso, wie die routinierte Louise Fletcher.

Fazit:
Wenn man "Eiskalte Engel" nur darauf differenziert, dass er mit seiner versierten Inszenierung, mit einer treffsicheren Auswahl des Soundtracks, einer ansehnlichen Optik, sowie einem perfekt gewählten dramaturgischen Aufbau, und dem grandiosen Cast enorm emotional, dramatisch und mitreißend geworden ist, über die volle Laufzeit zu fesseln vermag und am Ende regelrecht schockiert, ist der Film ganz großes Kino, auch wenn die Charaktere ein wenig überzogen konstruiert sein mögen und die Gesellschaftskritik doch eher zurückhaltend ausfällt. Kein Meisterwerk, aber überaus empfehlenswert und einer der wenigen wirklich gelungenen Vertreter des Teeniefilms.

93%

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