Review

Homers „Illias“, die klassische griechische Heldensage, minus Göttergestalten, Schicksalsgeschick und Ungetüme, das ist Wolfgang Petersens „Troja“.
Und wenn man also all den übernatürlich-fabelhaften Schnickschnack wegläßt, dann bleibt, was jetzt auf der Leinwand zu sehen ist: eine kernige Männerfabelei, eine Kriegsmär von echtem Schrot und Korn, wo muskulöse Kerle sich ihrem Schicksal stellen und der Reihe nach ins Gras beißen.

Natürlich ist das intellektuell wenig ansprechend, aber immerhin soweit interessant, wie das Wesen des Krieges, bzw. die Motivationen der Protagonisten hier ineinander spielt.
Agamemnon kommt daher als der klassische machtgeile Eroberer, auf der einen Seite den von der Frau verlassenen Bruder Menelaos in seinem gerechten Zorn unterstützend, andererseits nach einem größeren Reich lechzend. Mit sich zieht er all die anderen Heroen aus den untergeordneten Königreichen, die sich ihm bereits ergeben zeigen.
Paris dagegen richtet den ganzen Krieg durch seine Liebe zu Helena, wobei hier Liebe mal wieder ohne Vernunft gelebt wird. Für die restlichen Trojaner steht man halt zu Ehre, Familie und Land und so kämpfen sie. Und den Griechen voran kämpft Achilles, der zwar die Kriegstreiber verabscheut, aber gleichzeitig nach Ruhm und einem unsterblichen Namen trachtet, den er nur durch weitere Kriege erringen kann.

Immerhin: dieses fatale Zusammenspiel von Interessen und Motivationen fängt der Film recht ordentlich ein, besonders anbetracht moderner übermächtiger Nationen.
Nur ist „Troja“ gleichzeitig auch ein Spektakel, ein historisches Epos, daß mit Bilderpracht alles erschlagen soll, was durch Filme wie „Lord of the Rings“ eh schon mal unangreifbar geworden ist.
Die Schauwerte in allen Ehren (sauber gemacht!), zeigt sich der auf die realen Menschen reduzierte „Illias“-Konflikt jedoch als sauberer Aneinanderreihung von Kriegsszenen oder Zweikämpfen, der zwar nicht wirklich ermüdet, aber nach über zwei Stunden langsam so weit ausgereizt ist, daß man die Zerstörung von Troja mit einer Art Komplettierungsstimmung entgegennimmt.
Dabei sind Kriegs- und Kampfszenen durchaus hervorragend choreographiert, allein jedoch die Schicksalhaftigkeit der Situation trägt keine 165 Minuten. Wenn es dann durchgestanden ist, sind die Zuschauer um eine Erfahrung reicher, aber um keine, die man wieder und wieder sehen muß.

Dazu kommt eben noch, daß der Film von Homers Epos lediglich inspiriert sein will und somit einiges von den historischen Aufzeichnungen im Dienste der Filmdramaturgie umgestellt, vereinfacht oder in einen anderen zeitlichen Ablauf gebracht wird. Ich will jetzt gar keinen Epenvergleich anstellen, doch führt die Neuanordnung weniger zu wahrer Geschlossenheit, als vielmehr zu vielen losen Enden.
Das Wesentlichste darunter ist sicherlich, daß ausgerechnet der Feigling Paris und die schöne Helena (die hier nicht entführt wird, sondern freiwillig mitfährt) am Ende per Fluchtgang aus der Stadt entschwinden, ohne über ihr weiteres Schicksal zu berichten.

So bleibt als Essenz auch eher der Wille der Macher, von ruhmreichen Heroen zu berichten, von einem schicksalhaften Abschnitt der Geschichte (von 10 Jahren auf wenige Wochen Dauer einreduziert), der sich zwar für die Tragödie in der Geschichte interessiert, aber weniger für die Geschichte selbst, die etwas haltlos im Raum steht und die ganzen Fights tragen muß.

Schauspielerisch sind alle Anwesenden sichtlich bemüht, besonders Pitt gibt seiner widersprüchlichen Kämpferfigur so regelmäßig das Oeuvre des jungen Marlon Brando, daß man ihn schon als Ikone verstehen kann. Eric Bana und Orlando Bloom kommt ebenfalls ordentlich durch die Geschichte, wenn man allerdings einfügen muß, daß die Kritik an Bloom meistens auf seinem relativ unsympathisch weichen Charakter beruht.
Am treffensten schneiden jedoch Peter O’Toole und Sean Bean als Odysseus ab, den man gern noch mal in der Odyssee-Fortsetzung sehen würde.
Als Negativpunkt muß man neben der scheußlich aufdringlichen Musik (der Song zu den End Credits ist das Widerlichste seit „Time to say goodbye“) leider auch die ach so hochgejubelte deutsche Entdeckung Diane Krüger einordnen.
Zunächst mal interessiert sich die Geschichte eigentlich gar nicht für ihren Charakter, sondern fokussiert mehr auf Rose Byrnes „Briseis“ oder Saffron Burrows „Andromache“ und als sei die blasse Gesichtslosigkeit der Deutschen noch nicht genug, hat man ihr auch noch erlaubt, sich selbst zu synchronisieren.
Nur leider hat Miss Krüger eine relativ dumpf modulierte, emotionsarme, schlecht betonende Stimme, der man den langjährigen Aufenthalt in Paris im leiernden Singsang deutlich anhört.
Wann immer sie den Mund aufmacht, geht jeglicher Zauber der Szene flöten.

Insgesamt also ein patentes Schicksal- und Schwertepos, daß sich frei in der Historie bedient, aber nicht wirklich den mythischen Hauch atmet, der seinen Figuren ja angeblich immer anhaftet – dafür ist die Inszenierung zu realistisch, ja menschlich.
Keine Ahnung, was daraus hätte werden können, wenn man all die phantastische Pracht hinzugefügt hätte, die die „Illias“ nun mal so bunt macht. Vielleicht kein Film, den so viele ernsthafte Schauspieler so furchbar ernst genommen haben. Aber vielleicht einer, an den man sich noch lange erinnern wird. "Troja“ ist nur ein gut gemachter Blockbuster unter vielen. (6/10)

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