Früher oder später mußte es ja mal passieren: Das klassische Epos schlechthin, die „Ilias“ wurde auf die Leinwand gebracht. Doch halt; „Troja“ ist keine reine Literaturverfilmung geworden. Vielmehr bedient sich Regisseur Wolfgang Petersen homerscher Versatzstücke aus der „Ilias“ und der „Odyssee“ und mischt diese mit allerlei Mythologie rund um die legendäre Schlacht. Doch dazu später mehr.
Mit einer gewaltigen Streitmacht zieht der herrschsüchtige Agamemnon vor die Küste von Troja, um sich die einzige Stadt einzuverleiben, die ihm noch erfolgreich Wiederstand leistet. Auslöser dieses Krieges ist die schöne Helena, einst Gattin von Menelaos, Agamemnons Bruder. Diese ist mit Paris, dem Sohn des Herrschers von Troja in dessen Land geflohen und befindet sich in der Stadt. Der Haken an der Sache ist, daß sie als uneinnehmbar gilt, selbst für eine Streitmacht der Größe von Agamemnons Heer. Die einzige Hoffnung ist Achilles, der stärkste Krieger der Griechen. Nur ist dieser leider nicht gut auf Agamemnon zu sprechen und obendrein sehr starrköpfig. Hinzu kommt, daß Troja mit Hektor auch einen Heros auf ihrer Seite hat, der eine entscheidende Rolle in der Schlacht spielen wird...
Der Rahmenhandlung zufolge könnte man eine punktgenaue Umsetzung des homerschen Stoffes erwarten. Jedoch wird der Kenner der „Ilias“ schon nach den ersten fünf Minuten erkennen, daß hier kräftig umgedichtet wurde. Allein die Tatsache, daß Helena freiwillig mit Paris zieht und nicht von diesem entführt wird, ist ein Eingriff, der nicht jedem gefallen dürfte, legt er doch gleich zu Beginn den Schwerpunkt der Sympathie ganz klar auf die Seite der Trojaner. Dies ändert sich jedoch im Laufe des Filmes immer wieder.
An vielen Charakteren wurde zudem „herumgeschraubt“, so fällt zum Beispiel Briseis mit Kassandra zusammen und ergibt somit eine Person, die gar nicht in der „Ilias“ aufgetaucht ist. Aus Gründen der „Spoilervermeidung“ werde ich nur noch auf ein paar Details eingehen. Daß das trojanische Pferd vorkommt, erscheint noch logisch, will man die Geschichte zuende erzählen. Auch wenn dieses erst in der „Odyssee“ Erwähnung findet, gehört die Einbindung von Odysseus‘ List zu den besseren Änderungen gegenüber dem verschriftlichten Epos. Das Fehlen jeglicher Götter ist jedoch ein Fauxpas, der nicht zu verzeihen ist.
Ansonsten hat Regisseur Petersen, der als absoluter Kenner des Stoffes gilt, handwerklich solide, wenn auch nicht überragende Arbeit geleistet. So sind die Kulissen toll gelungen und die Panoramaeinstellungen, wenn leider auch nicht so spektakulär wie bei „Herr der Ringe“, können durchaus begeistern. Was jedoch fehlt, sind die Szenen, die einem als Zuschauer die Gänsehaut über den Rücken jagen. Dazu ist „Troja“ dann doch nicht spektakulär genug. Ebenso wäre es durchaus sinnig gewesen, die Massenschlachten, die ja einen großen Teil der Vorlage ausmachen und dort auch explizit beschrieben sind, weniger hektisch umzusetzen. Wahrscheinlich sollte durch die schnellen Schnitte und die damit verbundene Verharmlosung in der Gewaltdarstellung ein breiteres Publikum angesprochen werden. Leider hat es dem Film als Kunstwerk geschadet.
Ein Punkt, der ebenso negativ auffällt, ist die Langatmigkeit. „Troja“ wird in erste Linie von Dialogszenen dominiert, die nicht zu fesseln wissen. Ob dies am Drehbuch oder an der wirklich schlechten deutschen Synchronisation liegt, war leider nicht feststellbar. So ist der Film beim ersten Mal sehen zwar nicht Langweilig, aber auch keinesfalls spannend.
Eng damit verbunden ist die Tatsache, daß es in „Troja“ keine Figur gibt, mit der man sich identifizieren kann. Zwar ist auch in der Vorlage eine Parteiergreifung bewußt vermieden worden, jedoch stört das den Spannungsaufbau des Films erheblich. Letztendlich ist es dem Zuschauer völlig egal, wer überlebt und wer stirbt.
Allerdings kann „Troja“ mit einer exzellenten Besetzung aufwarten. Neben Brad Pitt, Eric Bana und dem zur Zeit omnipräsenten Orlando Bloom, ist auch der unverwüstliche Peter O‘ Toole als Priamos auf der Leinwand zu bewundern. Mittelpunkt des Films ist allerdings Brad Pitt, der ordentlich aufgepumpt den Achilles gibt. Ob es nötig war, sich dafür derartig Muskelmasse anzutrainieren, sei einmal dahingestellt, seiner Glaubwürdigkeit schadet es auf jeden Fall. So wirkt er äußerlich auch eher wie eine männliche Barbie, was so gar nicht zu dem brutalen Schlachtengemälde passen will. Allerdings verkörpert er seinen Charakter mit einer sehr passenden Arroganz.
Sehr gut gefallen hat mir „Hulk“ – Darsteller Eric Bana in der Rolle des Hektor. Sowohl dessen innere Zerissenheit, als auch seine Stärke nimmt man ihm voll und ganz ab.
Die Musik wirkt leider wie ein schlecht zusammengebasteltes Konglumerat aus „Gladiator“ – Versatzstücken und „Braveheart“ – Pathos. Einzig das Duell zwischen Achilles und Hektor bleibt durch den minimalen aber ungeheuer atmosphärischen Einsatz der Percussion positiv im Gedächtnis.
Insgesamt ist Wolfgang Petersen mit „Troja“ auf hohem Niveau gescheitert. Sicherlich gut durchdacht und toll ausgestattet ist der Film auf keinen Fall das, was er hätte sein können. Wenn man aus dem Kino kommt und nach fünf Minuten kaum noch einen Gedanken an das Gesehene verschwendet, spricht das nicht für das Werk. Leider ist „Troja“ genau so ein Film geworden. Nicht gut und nicht schlecht, aber irgendwie überflüssig.
5/10 Punkte