Im Dezember 2001 kam ein Film in die Kinos, der auf einer literarischen Vorlage basierte, die bis zu diesem Zeitpunkt als unverfilmbar galt. Die Rede ist von "Der Herr der Ringe". Kritiker und Fans zweifelten gleichermaßen an der Klasse dieses Films. Diese Zweifel wurden noch durch die Tatsache bestärkt, dass Regisseur Peter Jackson bis dahin nur im Horror- und Splattergenre tätig war.
Aber Jackson zerstreute diese ganzen Unkenrufe im Nu und erschuf mit der Trilogie vom Ringkrieg einen Meilenstein im Fantasy-Genre, der noch viele Jahre Bestand haben dürfte.
Jetzt hat sich der Deutsche Wolfgang Petersen an einem ähnlich komplexen Stoff versucht : Die Ilias von Homer, in der der legendäre 10jährige Krieg vor den Toren der Stadt Troja, der ausschließlich wegen einer Frau geführt wurde, geschildert wird.
Im Gegensatz zu Jackson kann Petersen bereits einige beachtliche Regieleistungen im "seriösen" Filmbereich vorweisen. "Das Boot" setzte 1981 einen Meilenstein, an den bislang kein weiterer U-Boot-Film herangekommen ist. "Enemy Mine", "Outbreak" und "In the Line of Fire" folgten und konnten ebenfalls überzeugen.
Danach ging es allerdings ziemlich bergab. Einem reichlich überdrehten und erzpatriotischen "Air Force One" folgte ein sehr inhaltsleerer "Sturm", der seine mangelnde Tiefe mit tonnenweise Special Effects zu kaschieren versuchte. Mit "Troja" hatte Petersen also die Chance, sein Image wieder aufzupolieren.
Es sei schon vorweggenommen, dass ihm das in keinster Weise gelungen ist. Troja enttäuscht auf ganzer Linie, ist nichts weiter als lieblos zusammengestückeltes Möchtegernepos, das auf der Welle der aktuellen Historien-Schinken (Braveheart, Gladiator, Last Samurai) mitschwimmen will, deren Klasse aber niemals erreicht.
Um diesen Film beurteilen zu können, muss man zunächst einmal zwischen der Umsetzung der literarischen Vorlage und der rein handwerklichen Gestaltung unterscheiden.
Die Ilias ist ein extrem umfangreicher Stoff. Sehr viele ausgearbeitete Charaktere, unglaublich viele Ereignisse und nicht zuletzt eine gehörige Portion Spiritualität in Form der griechischen Götter wurden hier zu einem gewaltigen Heldenepos verbunden. Das hier inhaltliche Schnitte erforderlich waren, ist logisch. Diese Masse an Informationen war unmöglich zu bewältigen. Aber während Peter Jackson beim ähnlich komplexen HdR eine geradezu meisterliche Gradwanderung zwischen inhaltlicher Kürzung und filmgemäßer Aufbereitung hinlegte, liefert Petersen eine unglaubliche Vergewaltigung seiner Vorlage ab. Das die Ilias im Abspann erwähnt wird, grenzt geradezu an Hohn.
Wo liegen die Knackpunkte?
Zunächst einmal das Naheliegendste. Ein zehn Jahre andauernder Krieg wird auf eine Zeitspanne von 16 Tagen(!!) geschrumpft. Anscheinend war es zu schwer, die zeitliche Komponente in den Film zu packen, indem man die Hauptdarsteller altern lässt und die Kulisse entsprechend verändert. Lieber presst man alles in einen winzig kleinen Rahmen und hakt sich dann von einem Checkpoint zum nächsten.
Ein weiterer Punkt ist, dass die Geschichte total verfälscht wird. Da werden Ereignisse dazu gesponnen, zeitlich verdreht etc. dass dem kundigen Zuschauer, alles weh tut. Der eigentliche und alleinige Grund des Krieges (die Rückeroberung der Helena), wird bereits vor der ersten richtigen Schlacht versenkt, als Menelaos von Hektor abgestochen wird. Übrig bleiben irgendwelche kruden Machtansprüche von Agamemnon, wodurch der Krieg mal wieder beliebig wird
Desweiteern sind die Figuren völlig verzerrt. Homer beschreibt den Krieg in seinem Werk völlig wertungsfrei. Auf beiden Seiten waren strahlende und edle Helden versammelt, die für ihre Ziele kämpften. In Petersens Machwerk mutieren die Griechen mit Ausnahme von Achilles und Odysseus zu irgendwelchen Siffos. Menelaos und Agamemnon werden als skrupellose, machtgierige und brutale Barbarenhäuptlinge dargestellt, die keinerlei Ehre besitzen und in finsteren Burgen hausen. Hätte bloß noch der Knochen im Bart gefehlt...
Ajax der Telamonier kommt als verwilderter Rübezahl daher und wird nur mit einem einzigen Satz kurz vorgestellt. Das er nicht von Hektor in der ersten Schlacht getötet wird, sondern sich nach einem Streit mit Odysseus um Achill's Rüstung selbst das Leben nimmt, ist da nur noch eine stilistische Lappalie am Rande
Lediglich in Troja herrscht der heldenhafte Glanz vor, den Homer geschildert hat. Diese Liste ließe sich noch endlos lange fortsetzen und ist auch in Anbetracht der inhaltlichen Kürzungen dieses Stoffes unentschuldbar.
Das Einzige, was man Petersen positiv anrechen kann, ist die Entscheidung, auf die Eskapaden der Götter zu verzichten. Diese hätten dem Film wahrlich mehr geschadet als genutzt. Aber im Endeffekt ist das auch wurscht, denn der Rest stinkt 'eh an allen Ecken und Enden.
Das alles wäre eventuell nicht ganz so furchtbar, wenn der Film wenigstens gut gemacht wäre. Aber dem ist leider nicht so. Der ganze Streifen wirkt fast durchgängig lieb- und seelenlos. Klar, man hat in der letzten Zeit viele Massenschlachten gesehen, und vielleicht gewöhnt man sich an solche Bilder. Aber trotzdem erweckt "Troja" den Eindruck als hätte sich Petersen durch eine Checkliste gearbeitet :
- Pfeilhagel (haben wir)
- aufeinanderprallende Fronten (haben wir)
- wüstes Gemetzel (jep)
- viele Tote nach der Schlacht (auch da)
Dazu kommt noch ein Score, der sich die ganze Zeit mehr oder weniger unmotiviert durch den Film leiert und irgendwie nie dazu beiträgt, die Schlachten ordentlich zu untermalen, wie das z.B. bei Gladiator der Fall war.
Die Computereffekte gehen durchaus in Ordnung. Die Flotte der Griechen ist ein beeindruckender Anblick und Troja schaut auch ganz nett aus. Das Gleiche gilt für die Ausrüstung. Rüstungen, Schilde und Waffen machen einen sehr authentischen Eindruck. Aber natürlich wurde auch hier geschlampt. Ich frage mich, wie viele Historiker man hätte fragen müssen, um herauszufinden, dass damals kein Mensch auf einem Pferd geritten ist. Egal, wen stört das schon...
Was die Darsteller (abgesehen von zwei Ausnahmen) und ihre Dialoge angeht, so breitet man am besten den Mantel des Schweigens darüber. Sean Bean und Brian Cox werden in ihren Rollen total verheizt und haben keinerlei Möglichkeiten, ihren Figuren etwas Tiefe zu verleihen. Orlando Bloom hat die etwas undankbare Rolle des Weichlings Paris abgefasst, kann sie aber trotz des miesen Skripts einigermaßen entfalten. Der Rest der Darstellerriege ist (trotz vieler bekannter Gesichter) austauschbar ohne Ende. Die Dialoge sind über weite Strecken langweilig und dermaßen platt, dass man schon wieder lachen könnte. Kurz und gut : Schrott hoch drei.
Unterm Strich bleibt also ein handwerklich bestenfalls durchschnittlicher Film, der seiner literarischen Vorlage das Schlimmste antut, was irgendwie möglich ist.
Es gibt lediglich drei Punkte, die dieses miese Stück Zelluloid vor dem totalen Untergang bewahren :
1) Brad Pitt (Achilles).
Man hätte es ihm wahrlich nicht unbedingt zugetraut, dass er die Rolle des selbstherrlichen Überkriegers meistern kann. Aber er packt es mit Bravour. Mit einer unglaublichen Präsenz gibt er den Achilles vollkommen glaubhaft, was nicht zuletzt auch an seinen überragenden Kämpferfähigkeiten liegt, die er sich für diesen Film antrainiert hat.
2) Eric Bana (Hektor).
Bana ist der zweite Darsteller, der seine Figur voll ausfüllen kann. Charakterlich stellt er gewünschten Kontrast zu Pitt, indem er Hektor ruhig und besonnen erscheinen lässt. Auch er hat sich für diesem Film mit großem Erfolg einem Kampftraining unterzogen.
3) Der Kampf Hektor vs. Achilles
Dieser Kampf ist ohne Wenn und Aber das Meisterstück dieses Filmes. Wie Pitt und Bana sich hier duellieren hat etwas Unglaubliches an sich. Dagegen sind die Einlagen aus Gladiator etc. ein Witz. Die Art und Weise wie die Beiden, Schwert, Schild und Speer handhaben, lässt den Eindruck entstehen, sie hätten Zeit ihres Lebens nix anderes getan. Beide Daumen hoch für diese fantastische Leistung!
Fazit :
Es hätte so toll werden können, aber übrig geblieben ist nur ein extrem fader Abklatsch einer faszinierenden Vorlage. Sowohl inhaltlich als auch handwerklich mit erschreckender Lustlosigkeit inszeniert, versagt Troja auf fast ganzer Linie. Lediglich die drei erwähnten Punkte retten den Film vor dem totalen Untergang und bestimmen letztendlich auch die Wertung.
3/10
PS : Die Freigabe ab 12 ist ja wohl ein schlechter Scherz.