In Besprechungen von Wolfgang Petersens Sandalerei wird gerne mal vorauseilend entschuldigt: Ja, der Film gehe doch recht frei mit Homers Vorlage um, Puristen dürften da zurecht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, und wer diesen Film dennoch schätzt, muss sich auch ein wenig dafür schämen, denn hier trägt ein Europäer dazu bei, europäisches Kulturgut zu amerikanischem Entertainment zusammenzuschnurren, how crazy. Einen McGyros, bitte.
Da fragt sich mancher: Warum? Gegenfrage: Warum nicht? In Ostasien besetzen derlei „Klassikervergewaltigungen“ eine eigene Genrenische, an hiesigen Theatern wird Shakespeare bis zur Unkenntlichkeit modernisiert, und wenn Jeanette Biedermann ihre neueste Popschnulze auf „Schwanensee“ draufsampelt, regt sich beim Konsumenten manches, nur kein Widerstand. Einzig und allein die Filmindustrie bekommt für Verfremdungsausbrüche regelmäßig eins auf den Objektivdeckel. Ungerecht!
Als ob es dem Filmerlebnis dienlich wäre, stets im Hinterkopf zu behalten, dass das ja alles ganz anders laufen müsste, der Bogenschütze in der zweiten Reihe von links hätte niemals Federn am Helm… etc. Gerne würde man den Film aufgrund seiner lebendigen Figuren, wunderschönen Bilder und straffen Dramaturgie genießen, aber der breit im Raum stehende Vorwurf der Vereinfachung will erstmal überwunden sein. Dabei genügt ein Blick in die „Ilias“, um die Vorstellung eines unverfälschten Drehbuchs reichlich absurd erscheinen zu lassen. Man kann sich in diesem Zusammenhang höchstens Gedanken über eine „Troja“-Telenovela machen, welche in zehn Jahren Laufzeit genügend Freiraum böte, auch wirklich jeden relevanten Aspekt der Vorlage abzudecken.
Deshalb, als kleine Empfehlung: Den Film als gelungenes Blockbusterdestillat eines kulturellen Grundpfeilers auffassen, als lebendige Interpretation für die flüchtige Gegenwart, das bringt unterm Strich mehr als Authentizitäts-Erbsen zu zählen. Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, dass Homers Werk gefestigt genug ist, einen Hollywood-Abriss zu überstehen. So schnell werden die Mauern der Weltliteratur nicht geschleift.