Grundvoraussetzung für diesen Film ist, daß man noch nie etwas von Homer oder der "Ilias" gehört hat. Dann hat man es mit einem durchschnittlichen Sandalenspektakel zu tun. Andernfalls aber reagiert der Verstand mit Entsetzen, weil das Werk auf geradezu abartige Weise den Gegebenheiten der homerischen Vorlage zuwiderläuft.
Die ehrfurchtgebietenden Großkönige Agamemnon und Menelaos beispielsweise lernt man hier als alte, trampelige Fettsäcke kennen; herzlose, ungebildete Barbaren, denen der Sinn nur nach Eroberung und Vernichtung steht. Ihnen gegenüber stehen die freundlichen und friedliebenden Trojaner, die keinem etwas Böses wollen und ihre überlegene Zivilisation genießen. Von Anfang an wird also klar, wie Gut und Böse hier verteilt sind. Keine Spur von den Erkenntnissen Heinrich Schliemanns, der sowohl in Troja als auch in Agamemnons Mykene blühende Hochkulturen nachweisen konnte, die zu ihrer Zeit offenbar miteinander konkurrierten, wobei das zum Einflußbereich der Hethiter zählende Troja schließlich aufgerieben wurde. Soviel zur Historie.
Neben den fetten Großkönigen erscheint ein aufmüpfiger, launischer Achilles, der sich mehr wie ein pubertierender Fünfzehnjähriger aufführt als wie ein antiker Held. Nach einem so unsympathischen und egozentrischen Charakter hätte man wohl kaum ein Körperteil benannt. Ob man Brad Pitt nun mag oder nicht, aber wäre die Rolle vernüftig angelegt gewesen, hätte selbst er mehr daraus machen können.
Erstaunlich nahe am Original bewegt sich dagegen die Figur des Paris, der von Orlando Bloom als dümmlich und feige dargestellt wird.
Dann gibt es noch Hektor, in diesem Film offensichtlich der wahre Held, der eigentlich nur ein braves Familienleben führen will. Dann aber kommt der böse Achilles daher, beraubt ihn seiner Träume und schleift ihn schließlich siebenmal um die Stadt.
König Priamos, sein Vater, wird dargestellt von Peter O'Toole, der im Zusammenhang mit diesem Werk zwei herausragende Auftritte hatte. Zum einen, als er sich in das Lager des Achilles begibt, um auf Knien für die Freigabe von Hektors Leichnam zu betteln. Und zum anderen, als er bei der Premiere des Films offenbar völlig entnervt vorzeitig den Saal verlassen hat.
Alle anderen wichtigen Figuren des Trojanischen Krieges werden zu lächerlichen Statisten degradiert:
Die schöne(??) Helena war demnach ein strunzdoofes Blondchen, verkörpert von Diane Kruger, die sich zu allem Übel in der deutschen Fassung auch noch selber synchronisiert hat, mit einer Professionalität, die an eine Reklame für Seitenbacher-Müsli erinnert.
Patroklos ist plötzlich nicht mehr der Gefährte (und vermutlich auch Liebhaber) des Achilles, sondern dessen naiver Vetter.
Ajax stürzt sich nicht vor Gram über Achilles' Tod in sein Schwert, sondern wird von Hektor erlegt.
Agamemnon und Menelaos überleben den Krieg ebenfalls nicht, wodurch die ganze Folgegeschichte mit der Ermordung im Bad, der Rache des Orestes und die Sache mit Ipigenie in Tauris plötzlich hinfällig wird. Hätte sich Goethe die Mühe also sparen können.
Und daß Odysseus am Ende tatsächlich ein Holzpferd baut und keine Titangeiß, grenzt geradezu an ein Wunder.
Kein Wunder ist allerdings, daß Achilles - man sollte es nicht für möglich halten - in eben dieses Holzpferd steigt und mit in die Stadt fährt, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren tot sein müßte. Das hätte selbst Brad Pitt zu Denken geben müssen. Schließlich kriegt er dann aber doch seinen tödlichen Pfeil ab, naja, genaugenommen braucht es etwa drei oder vier Pfeile, weil Paris sich einfach zu doof anstellt. Die Stadt wird in Trümmer gelegt, Film ist zu Ende.
Was bleibt ist die Erkenntnis, daß "Troja" im Vergleich zu dem unsäglichen Sandalen-Quatsch "Alexander" zumindest noch ein paar nette Spezialeffekte aufzuweisen hat, und natürlich die Freude auf die Fortsetzung des Spektakels: die Verfilmung der Odyssee. Dann mit Matt Damon oder Ben Affleck oder allen beiden in der Hauptrolle, wenn sie auf ihrer Irrfahrt durchs Mittelmeer dem dreiäugigen Zwerg Polyphem die Eier abschneiden, von der großen Zauberin Kirke (dargestellt von Angelina Jolie) in Fastnachtskrapfen verwandelt werden oder sich gegen Dinosaurier und Riesenaffen zur wehr setzen müssen.