Wenn den Drehbuchautoren Hollywoods keine neuen Geschichten mehr einfallen und alle Fernsehserien und Remakes schon in Arbeit sind, dann greift man neuerdings zu altertümlichen Sagen, sogar aus einem anderen Kulturkreis (da die USA ja nun mal kein Altertum besitzt außer im Senat), um im Sommer die Kinogänger hinters Licht zu führen.
Neuster Blockbuster-Kandidat ist dabei Wolfgang Petersens "Troja", basierend auf Homers "Illias".
Während der griechische Herrscher Agamemnon in der Illias mit seinen Truppen erobernd unterwegs ist, verhandeln die Trojanischen Prinzen Hector und Paris mit dessen Bruder über den Frieden mit ihrer Heimat Troja. Dumm nur, dass die seit Jahrzehnten unbezwingbare Stadt auf der Wunschliste Agamemnons ganz oben steht und Paris kurzerhand die Ehefrau seines Gastgebers, die blonde Helena, mitgehen lässt.
Bald darauf stehen Hunderttausend griechische Krieger vor den Toren Trojas und wollen Krieg - der Star der Truppe ist dabei der unbezwingbare Achilles, der seinem Gebieter Agamemnon nicht gerade wohlgesonnen ist...
Aller Vorbesprechungen zum Trotz ist "Troja" ein grandioses historisches Schlachtengemälde, ich würde sogar soweit gehen, es als "Braveheart" der Antike zu bezeichnen. Petersen zeigt uns eindrucksvoll, wie man mit Effekten, Beindoubeln, grandiosen Panoramabildern (leider zu 80% aus dem Computer) und einem abgehalfterten Leinwandidol einen großartig unterhaltenden Film zaubern kann.
Die magischen Aspekte der Götter wurden kurzerhand aus der Vorlage getilgt und nur Julie Christie darf sich die Ehre als Achilles urprünglich gottgleiche Mutter geben und sieht dabei wesentlich besser aus als noch im dicken Kostüm in Harry Potters Hogsmeade.
Peter O'Toole gibt den Lawrence von Troja der hier Priamos heißt und Vater zweier Söhne ist, die unterschiedlicher nicht sein können:
Der verantwortungsvolle Hector besitzt Verhandlungsgeschick und ist auch als Heerführer und Kämpfer und Vater und Ehemann und und und...das Maß aller Dinge während sein jüngerer Bruder Paris nichts weiter ist als eine feige Sau mit Hang zum Aufreissertum.
Die Autoren schaffen so mit dem Holzhammer perfekte Gegensätze zwischen Ideal und Fälschung.
Dass Orlando Bloom die Fälschung spielen darf, passt natürlich wie die Faust auf Auge, denn er muss seinen Fähigkeiten entsprechend nicht viel mehr tun als gut auszusehen und Bogen schießen (demnach musste er nichts anderes machen als schon im "Herr der Ringe"). Seine Beziehung zu Helena steht bis zum Ende auf wackeligen Beinen, denn nicht nur einmal wird betont, dass er schon immer die Frauen zu bezircen wusste und wer ändert sich schon für eine grünäugige Blondine?!
Helena wird dargestellt von Neuentdeckung Diane Krüger, die erstaunlich vielschichtig agiert (wenn man davon ausgeht, dass man von einer eindimensional angelegten Blondine einen vielschichtigen Charakter erwarten darf). Die schönste Frau aller Zeiten ist sie zwar nicht aber bei all den Änderungen der Vorlage musste wohl auch dieser Faktor weichen.
Brian Cox und Brendan Gleeson als die Greek-War-Brothers sind natürlich auch Gegensätze - einer will nur seine Frau zurück, der andere die ganze bekannte Welt (also die gesamte Ägäis) besitzen - dass da einige Interessen auf der Strecke bleiben, ist klar.
Cox ist ein wirklich unsympathischer Kriegsherr, der sogar noch den großen Star des Films toppt - Brad Pitt als männliche Schlampe, der selbstgerecht die meiste Zeit des Films auf der faulen Haut liegt und nur ab und zu ein paar lustlose Kämpfchen gewinnt, bis es zum großen Duell mit Hector kommt; Eric Bana sieht hier übrigens seinem Alter Ego aus "Hulk" aufgrund der Statur ähnlicher als noch im titelgebenden Film!
Die Kampfszenen sind nicht gerade das Nonplusultra, geschweige denn mit denen aus "Gladiator" oder "Herr der Ringe" zu vergleichen aber man merkt, dass es hier ordentlich dreckig zur Sache geht. Als dann ein Sohn Trojas dramatisch vor den Toren der Stadt gegen den unbesiegbaren Achilles antritt und Hectors schöne Frau Andromache (Safron Burrows als DIE Überraschung des Films) dabei beinahe an Atemnot stirbt, da erweist sich Wolfgang Petersen als guter Inszenator, denn er spielt mit den Erwartungen der Zuschauer ganz gut!
Den Rest der Geschichte kennt natürlich auch der, der im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst hat (hölzernes Pferd etc.) und dass am Ende viele Figuren das Publikum nochmal gehörig überraschen dürfen, geht in Mangel eines Plot-Twists an den Einfallsreichtum der Drehbuchautoren.
Über eine Lauflänge von 156 Minuten unterhält der Film recht gut, störend ist nur, dass bei so vielen Stars die gesamte Inszenierung so auf Brad Pitt zugeschnitten wirkt, der hier nicht nur einen lustlosen Krieger spielt sondern auch deutlich zeigt, dass er den Film wohl nur des Geldes wegen gemacht hat. Trozu Fitnesstudio-gestähltem Körper und Zottel-Mähne wirkt er fast noch unsympathischer als der eigentliche Bad Guy Agamemnon.
Wer auf schöne Menschen in altertümlichen Gewändern steht und darüber hinaus Petersens glückliches Händchen in Sachen unterhaltsamer Inszenierung schätzt und dabei größtenteils auf Dramatik und Logik verzichten kann, dem bietet sich mit "Troja" ein toller Film für die schöne Zeit vor der Mattscheibe oder im Kino - Gut Holz!