Review

Als bemerkenswert unkonventioneller und nicht zuletzt deswegen sehenswerter Italo-Western stellt sich „Heute ich... morgen du“ vor. Zu verdanken hat er sein exotische Einflüsse wohl vor allem Giallo-Meister Dario Argento, der hier das Drehbuch beisteuerte und auch bei der Inszenierung mitgewirkt haben soll. Zudem war das Regiedebüt von Tonino Cervi (leider sein einziger Western) auch gleich noch die eigentliche Geburt von Bud Spencer, der im gleichen Jahr zum ersten Mal mit Terence Hill in „Vier für ein Ave Maria“ und „Gott vergibt - wir beide nie“ vor der Kamera stand.

Das Leitmotiv ist einmal mehr die gute alte Rache. Nach der dürstet es nämlich Bill Kiowa (Brett Halsey, optisch ein erstklassiges Nero-Imitat, u.a. Hauptdarsteller im italienischen 007-Plagiat „Drei Gräber für Agent 077“) nach einem mehrjährigen Knastaufenthalt, obwohl unschuldig. Er hat dafür fleißig trainiert, also trommelt er ein Söldner-Quartett zusammen, um sie gegen Bezahlung für sich kämpfen zu lassen. Der Schuldige muss gefunden und gerichtet werden...
Mit der Motivation, die Kiowa innerlich antreibt, bleibt Argento geschickt lang hinterm Berg, bis endlich ein schwarzweiß gehaltener Flashback Aufklärung verschafft. Es war nicht die, wie erwartet, Gefängnisstrafe, die Kiowa schmerzt, sondern ein persönliches Schicksal, denn Gewalt hielt in sein schier idyllisches Alltagsleben urplötzlich Einzug.

Die Männer die er anheuert, entsprechen den Archetypen des Genres und haben genau wie er seine Leichen im Schrank tun, stellen für insgesamt 10.000 Dollar pro Kopf aber keine weiteren Fragen (Auch nicht woher das viele Geld kommt! So wohlhabend schaut Kiowa ja nicht aus...), sondern tun was ihnen gesagt wird.
O'Bannion (Bud Spencer) ist der Schillerndste der illustren Truppe. Spencer spielt schon hier, wenn auch noch nicht so geübt wie später, den Haudrauf-Experten mit dezentem Humor, ohne in irgendeiner Weise unüberwindbar zu erscheinen. Seine anfängliche Flucht zeigt gleichzeitig, dass auch er etwas auf dem Kerbholz hat.
Als markanter Begleiter fällt zudem besonders einmal mehr William Berger („ Ein Halleluja für Camposanto“, „Keoma“) mit seinem ironisch-schlitzohrigen Stil auf. Er hat als Falschspieler doch ebenfalls Dreck am Stecken, ist aber im Kampf stets so geschickt sich immer eine möglichst optimale Position zu verschaffen, sozusagen das Schlitzohr der Truppe.
Neben einer freilich nicht astreinen Vergangenheit haben sie alle eine Gemeinsamkeit: Das Interesse an Dollars und dieses gemeinsame Laster führt sie dann auch alle Fünf zusammen zu einem Ritt gen Sonnenuntergang. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese letzte Szene des Films nicht auf Freundschaft, die im Italo-Western keine sonderlich hohe Priorität genoss, weil man sich den Luxus Vertrauen schlicht nicht leisten kinnte, fußt. Jeder respektiert seinesgleichen und ist in der Lage mit ihm zusammenarbeiten, würde sein Leben allerdings nur für den anderen riskieren, wenn es der eigenen Situation jetzt oder in Zukunft zuträglich wäre. Nennen wir es eine vorübergehende Interessengemeinschaft, die einer weiteren Zusammenarbeit auf lukrativer Basis nicht abgeneigt scheint.

Das einzige Manko, dass man Argentos Skript vorwerfen muss, ist seine inhaltliche Unausgewogenheit, denn während die Exposition, also das Zusammenfügen der Fünferkonstellation, schon ein gutes Drittel des Films einnimmt, das erste Zusammentreffen mit dem auserkorenen Ziel James Elfego (Tatsuya Nakadai, „Kagemusha“, „Ran“), der sich mit einer Gruppe von zerlumpten Comancheros umgibt, ein weiteres Drittel dauert, wird sich umgehend auf das Finale gestürzt. Die Handlung hätte wesentlich mehr Potential gehabt, als das man sie so fix in 90 Minuten herunterreißen hätte müssen.

Interessanterweise wurde die Rolle des Bösewichts mit einem Japaner besetzt und zwar mit Tatsuya Nakadai, der sechsmal unter Akira Kurosawa wirken durfte (u.a. auch „Yojimbo“). Bekanntlich ein Filmemacher, der entscheidenden Einfluss auf den Italowestern hatte. Nakadai, hier lediglich etwas unwürdig mit einem riesigen Schlachtermesser ausgestattet, liefert sehr überzeugend, weil mit beeindruckender Mimik spielend, das erbarmungslose Gegenstück zu Kiowa ab. So treffen final Entschlossenheit und Vorbereitung („Ich bin nicht verbittert, ich bin vorbereitet.“) in Person von Bill gegen Überheblichkeit und Arroganz in Person von James Elfego gegeneinander an und wer das Genre kennt, weiß auch wie das enden müsste...

Neben der herbstlichen, kalten, trostlosen Optik, die von Kameramann Sergio D'Offizi (später: „Cannibal Holocaust“, „Cobra Mission“ und „Killer Crocodile“) wunderbar trist eingefangen wird, überzeugt vor allem der thematisch stets angepasste Score von Angelo Francesco Lavagnino.

Hervorgehoben sei vor allem genreuntypische Finale im Wald. Da die Fünf sich unmöglich den zahlenmäßig weit überlegenen Schergen Elfegos stellen können, wenden sich Guerillataktiken an, töten lautlos und dezimieren die Gegner kontinuierlich, bis es im Morgennebel zum Showdown gereicht. Das Weglassen eines finalen Shootouts, abseits des zu erwartenden Duells, unterstreicht nochmal den Exotenstatus, den „Heute ich... morgen du“ nicht nur aufgrund eines außergewöhnlichen Gegners und einer sehr illustren Besetzung zurecht genießen darf, auch wenn Anleihen an „The Magnificent Seven” freilich erkennbar sind.


Fazit:
Bemerkenswert ungewöhnlicher Italo-Western, der von der Wahl seiner Motive und dem Streben seiner Charaktere sich nicht von seinen Kollegen unterscheidet, allerdings top besetzt worden ist und mit exotischen Einflüssen auf sich aufmerksam macht. Bemerkenswert ist „Heute ich... morgen du“ schon allein deswegen, weil man hier gleich eine Ansammlung kerniger Grundsätze, die das Genre seinerzeit ausmachte, kompakt in den Figuren und ihren Verhaltensweisen wiederfindet.

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