Sally und ihr an den Rollstuhl gefesselter Bruder Franklin fahren mit drei Freunden in eine restlos einsame Gegend von Texas. Dort gabeln sie einen Anhalter auf, der nicht nur irre erscheint, sondern es auch ist. Als er mit einem Taschenmesser Franklin in den Arm schneidet, wirft die junge Gruppe den ungebetenen Fahrgast aus dem Wagen. Weil der Sprit sich ziemlich bald dem Ende entgegenneigt, beschließt die Gruppe, sich getrennt auf die Suche nach Hilfe zu machen. Ein fataler Fehler, wie sich schnell herausstellen soll...
Das ist er also, das ist der legendäre Film um den grausamen Leatherface mit der Kettensäge, der hierzulande gemäß Paragraph 131 beschlagnahmt wurde, ehe er vor ein paar Jahren von der Juristenkomission als strafrechtlich unbedenklich eingestuft wurde und dadurch seitdem wieder in Deutschland verkauft werden darf. Ein paar Schnitte mußten dennoch vorgenommen werden.
Nun stellt sich die Frage: Hat dieser billige, mittlerweile dreißig Jahre alte Horrorfilm seinen schlechten Ruf verdient? Ist er wirklich so „hemmungslos sadistisch“ (Lexikon des internationalen Films), so blutig und brutal, ein „ekelhafte[r] Kotzbrocken“ (Das neue Lexikon des Horrorfilms)? Nein, das ist er nicht. Zwar gilt er als Vorreiter für eine ganze Reihe von Splatterfilmen, allein, er verdient seinen Namen einfach nicht. Denn jeder, der „Blutgericht in Texas“ im nüchternen Zustand gesehen hat, kann bestätigen, daß der Film wahnsinnig blutleer ist. Sicherlich sieht man blutverschmierte Gesichter oder mal das Anritzen eines Fingers oder Armes, aber man sieht keine brutalen Metzeleien, so sehr man auch danach suchen mag. Die Kettensäge zersägt zwar fast alle Teenager, doch dies ist nicht im Bild zu sehen, nein, das Abtrennen von Gliedmaßen oder das Blutgespritze findet bloß im Kopf des Zuschauers statt.
Wenngleich „Blutgericht in Texas“ sich mit Gewalttaten deutlich zurückhält, schockierend sind die 80 Minuten auf alle Fälle. Tobe Hooper versucht mit allen nur erdenklichen Mitteln, aufs Nervenkostüm zu drücken und den Blutdruck nach oben schnellen zu lassen. Das fängt mit der enervierenden Tonspur an, die bis auf ungemein tiefes Dröhnen und befremdende Geräusche nicht viel mehr bietet. Eine Melodie jedenfalls konnte ich nicht heraushören. Ebenso verunsichernd die ungewöhnlichen Kameraeinstellungen: Oftmals fängt Daniel Pearl das Geschehen in der Totalen ein, um die Weite, die unvorstellbare Ödnis der menschenleeren Umgebung einzufangen. Im Gegensatz dazu stehen dann die extremen Nahaufnahmen im Finale, die das angstvolle, panikerfüllte Gesicht der armen Protagonistin Sally zeigen. Einmal füllt sogar eines ihrer Augen den gesamten Bildschirm. Dazu kommt ihr permanentes Dauerkreischen. Man kann nur noch erahnen, was für eine Wirkung der Schocker im Kino auf der großen Leinwand erzeugt haben muß. Im Fernsehen bleibt davon wohl nur noch ein Hauch übrig, aber sollte man sich das „Texas Chainsaw Massacre“ im Stockdunkel und bei vollkommener Ruhe ohne jede Ablenkung „antun“, müßte es immer noch ausreichend Beklemmung und Verstörung auslösen. Ein riesiges Terrorfeuerwerk wird von Hooper und seiner Truppe abgeschossen, und es gibt keinen Augenblick des Durchatmens. Von Anfang bis Ende zieht sich eine unheilsschwangere Atmosphäre durch den Film, es gibt keinen einzigen Witz, der die Stimmung etwas auflockert. Erst zum Schluß gibt es Humor, als Sally gefesselt am Eßtisch der Schlachterfamilie sitzt, die sich lautstark grölend über ihre verzweifeltes Flehen und Schreien amüsieren - doch der Humor ist von der schwärzesten Sorte und lädt ganz gewiß nicht zum Lachen ein. Kein Wunder also, daß viele Kritiker diese Szene, in der Sally schlimmste Torturen über sich ergehen lassen muß, als frauenfeindlich bezeichnen/bezeichnet haben.
Die Handlung ist natürlich sehr simpel und verdient sich garantiert keinen Originalitäts-Oscar. Dafür verfügt sie über einen wunderbaren Spannungsbogen, d.h. die Spannung kann nach dem ziemlich betulichen Auftakt - bis der erste Tote zu vermelden ist, vergeht mindestens eine halbe Stunde - kontinuierlich gesteigert werden, der Film endet in einem ellenlangen Showdown, bei dem einem mehr als nur einmal der Atem stockt. Die nächtliche Verfolgungsjagd - Leatherface, und das ist fast einzigartig in diesem Genre, kann übrigens verdammt schnell rennen, ansonsten ist man ja in Slashern diese lahmen Überkiller gewohnt (siehe Herrn Michael Myers), die so behäbig herumschleichen, daß sie ihre Opfer theoretisch gar nicht einholen können :-) - ist ungemein nervenaufreibend in Szene gesetzt, und das abrupte Ende mit dem berühmten „Kettensägentanz“ bringt zwar kurzzeitig Erlösung, doch schon während des Abspanns weiß man, daß der Schocker einen noch über einen längeren Zeitraum beschäftigen wird, denn diese grauenvolle filmgewordene Schreckens-Achterbahn erlebt man wahrhaftig nicht alle Tage. Ich kann mir schon gut vorstellen, daß „Blutgericht in Texas“ zur Entstehungszeit ein Riesenskandal war. In der heutigen Zeit freilich ist man Schlimmeres gewohnt, und es werden nicht wenige sein, die sich durch dieses Machwerk nicht mehr beeindrucken lassen, gerade weil es eben ohne Effekte auskommt.
Dennoch: Eine Low-Budget-Produktion bleibt eine Low-Budget-Produktion und kann in den seltensten Fällen zu einem Meisterwerk mutieren. George Romero ist es mit „Die Nacht der lebenden Toten“ fünf Jahre vorher gelungen, „Blutgericht in Texas“ hingegen mag zwar ein Wegbereiter des Slasherfilms gewesen sein, ein Meisterwerk ist es bei weitem nicht, dazu war Tobe Hooper einfach noch zu filmunerfahren.
Das grobkörnige Bild haben Hooper & Co. noch zähneknirschend in Kauf genommen, dafür enthält der Film eine Vielzahl erzählerischer Mängel: Logiklöcher sind in diesem Genre gang und gäbe, da macht das vorliegende Exemplar keine Ausnahme. Die Aktionen der Teenager sind - ebenfalls den Konventionen entsprechend - wieder absolut daneben, was ich hier aber noch wohlwollend übersehe, immerhin war das 1974 noch kein Klischee, und da diese hier zudem nicht ständig irgendwelche blöden Sprüche vom Stapel lassen, taugen sie sogar als Identifikationsfiguren. Man trennt sich in einer wildfremden Gegend, man betritt einzeln ein wildfremdes Haus, man schmeißt einen Anhalter nicht gleich heraus, als er sich die Hand anritzt usw. Viel auffälliger sind aber die zahlreichen Kontinuitätsfehler, die Hooper durch seine nachträgliche Schneiderei verursachte. Z.B. hat Sally bei der Flucht in die Tankstelle plötzlich ein zerrissenes T-Shirt, obwohl es erst am Schluß - NACH besagter Szene - vom Anhalter angeschlitzt wird - und Leatherfaces Maske, als Sally der wahnsinnigen Familie entfliehen kann, ist ohne ersichtlichen Grund plötzlich rot angemalt.
Hinzu kommen über weite Strecken mäßige Darstellerleistungen. Die Nasen, die in diesem Film mitspielten, dürften jedem noch so eingefleischten Filmfan jedenfalls ziemlich unbekannt vorkommen. Den Startschuß für großartige Karrieren bedeutete „Blutgericht in Texas“ für keinen der Beteiligten. Tobe Hooper drehte einige Jahre später ein völlig überflüssiges Remake, sein bekanntestes Werk dürfte „Poltergeist“ sein, wobei hierbei erwähnt werden muß, daß Produzent Steven Spielberg ihm bei den Dreharbeiten einen großen Teil der Regiearbeit selbst abnahm. Selbst für Marilyn Burns, die hier als „Scream Queen“ Sally die mit Abstand beste schauspielerische Leistung vollbringt - allerdings wird sie auch als einzige wirklich gefordert -, bedeutete dieser Horrortrip ein bis heute andauernder Gang in der filmischen Bedeutungslosigkeit. Lediglich Gunnar Hansen darf mit Stolz verkünden, eine der berühmtesten Horrorfiguren der Filmgeschichte gespielt zu haben; Leatherface ist inzwischen Legende. Das ändert aber nichts daran, daß Leatherface bisher seine einzige bedeutende Rolle geblieben ist.
Ach, übrigens: Während der Dreharbeiten hatten nahezu alle Beteiligten ziemliche Qualen zu durchleben, allen voran die Hauptdarstellerin. So soll Hansen Frau Burns im Finale tatsächlich in den Finger geschnitten haben, und das Blut in ihrem Gesicht stammt tatsächlich von den Verletzungen, die sie sich bei der Flucht durchs Unterholz zugezogen hatte. Sogar das Humpeln, als sich Leatherface mit der Kettensäge versehentlich ins Bein schneidet, soll nicht geschauspielert sein: Bei der Szene hat er sich offenbar wirklich verletzt. Dazu wurde wohl viel improvisiert: Das irre Gelächter am Eßtisch der meuchelnden Sippschaft geschah ebenso spontan wie der Schreck des Jerry-Darstellers Allen Danziger, als sich der Buhmann plötzlich auf ihn stürzt, um ihn niederzumetzeln, authentisch ist, denn Danziger wußte vorher auch in der Realität nichts über das Aussehen der hünenhaften Killermaschine.
Fazit: Der ultimative Terrorfilm! Die Nerven der Zuschauer werden zwar von Anfang bis Ende aufs Ärgste strapaziert, doch wer aufgrund des Titels oder seines schlechten Rufs eine Blutorgie höchsten Ausmaßes erwartet, der ist hier eindeutig falsch. Der rote Saft fließt wenig bis gar nicht, doch auch ohne brutale Einzelheiten reicht das vollkommen aus, um zu verunsichern, zu verstören und zu schockieren (wer sich durch den Abspann mit seinem Soundtrack „quält“, verdient meinen Respekt). Wohl selten zuvor und danach hat ein Regisseur mit derart eingeschränkten Geldmitteln so effektiv ein Szenario des Schreckens kreiert. Nicht der Überfilm, den man als Horrorfan erwarten kann, aber dennoch weitaus besser als es die weitestgehend vernichtenden Kritiken aussagen.
GESAMT: 7/10