Das Bemerkenswerteste an diesem Film ,der mit einem großen Staraufgebot daher kommt und von den Weinstein-Brüdern produziert worden ist, ist, daß er so klein ist...
Um es vorweg zu nehmen. Jeder der hier einen Action-Thriller, einen wie auch immer gearteten Reißer oder auch nur emotional aufgeladene Auseinandersetzungen erwartet, sollte sich diesen Film nicht ansehen.
Obwohl es hier um Mord, Betrug, Korruption in großem Stil, familiäre Auseinandersetzungen und Liebe geht, wird der Film zu keiner Zeit laut, schnell oder geschwätzig.
Im Gegenteil. Alles passiert hier einfach so, die menschliche Dimension bleibt immer klein und fehlerhaft und alle Schauspieler ordnen sich dem unter. Ich habe schon lange keinen Hollywood-Film mehr gesehen, bei dem die Darsteller so sparsam agieren, selbst in dramatischen Situationen. Der Film hat die Qualität eines Theaterstücks - schon kleinste Gesten genügen, um die innere Haltung zu verdeutlichen und das ist hier wesentlich wirkungsvoller als jede überspielte Geste.
Der Film beginnt damit, daß Leo (Mark Wahlberg) aus dem Knast zurück kommt in die Wohnung seiner Mutter. Hier wird er freudig erwartet von Verwandten und Freunden, besonders von seinem besten Kumpel Willie (Joaquin Phoenix). Dieser ist Leo dankbar, daß er sich an das Gesetz der Straße gehalten hat und die wahren Täter nicht verriet, ohne das im Film irgend jemand über das tatsächlich Geschehene spricht.
Trotz der Rückkehr bleibt alles merkwürdig verhalten und im Raum steht auch immer der stille Vorwurf an Leo, daß er seiner herzkranken Mutter so viel Sorgen macht. Natürlich wird Leo sofort in der Firma seines Onkels Frank (James Caan) untergebracht, der ein Unternehmen leitet, daß New Yorks U-Bahnen wartet.
Anstatt dort eine seriöse Ausbildung zu machen (und damit weiter kein Geld zu verdienen), läßt sich Leo schnell von Willie verführen, bei seinen deutlich lukrativeren Tätigkeiten mitzumischen. Willie hat ebenfalls einen Job in der Firma : er kümmert sich um die Aufträge und das Ausschalten der Konkurrenz.
Das dabei nicht mit legalen Methoden gearbeitet wird, versteht sich von selbst und so wird Leo schnell in diesen Sumpf hinein gezogen...
Die Qualität des Films liegt im Besonderen darin, die ständig schwelenden Konflikte spüren zu lassen ohne das jemals offen darüber gesprochen wird. Besonders hervorzuheben sind dabei Joaquin Phönix und Faye Dunaway.
Willie ist im Grunde der klassische Aufsteigertyp, der rücksichtslos seinen Weg geht, doch durch Phönix' Spiel erhält dieser Klischeetyp eine zusätzliche Dimension. Er vermeidet jede übertriebene Geste, immer ist auch ein Gefühl für sein Gegenüber zu spüren, niemals sind zynische oder abwertende Worte zu hören.
Die Tötung eines bestochenen Arbeiters der Stadtwerke, dem von der Konkurrenz mehr geboten wurde, geschieht als eine Mischung aus Affekt und Unglück. Die dann folgenden Versuche, diesen Fehler zu vertuschen, werden natürlich vom eigenen Überlebenstrieb bestimmt, aber man spürt auch immer stärker ,wie sehr er involviert wird ,was dann automatisch zu Fehlern führt...
Faye Dunaway ist geradezu genial als Leos Tante und Franks Ehefrau. Einerseits versucht sie ihrer Schwester, Leos Mutter, zu helfen, doch als sie merkt, daß dessen Verhalten ihre eigene Existenz und die ihrer Familie gefährdet, zögert sie keine Sekunde, diesen zu opfern. Dazu genügen ihr wenige Worte und eine sparsame Geste.
Überhaupt ist der Film eine Studie über Stärke und Führungskraft bzw. Schwäche und Mitläufertum.
So gelingt Mark Wahlberg über den gesamten Film eine Rolle, die über keinerlei Substanz und eigene Meinung verfügt. Auch wenn Leo tatsächlich unschuldig ist, so macht er sich doch mitschuldig durch seine Schwäche und fehlende Haltung - zusätzlich verkörpert durch seine Mutter, die kränkelnd in Armut lebt. Zwar ist er die symphatischste Figur, aber gleichzeitig nervt er mit seiner Tatenlosigkeit.
Willie ist dagegen stark und selbstbewußt, aber er ist auf Grund seiner Herkunft angewiesen auf die Protektion der Mächtigen, was sich letztlich doch als Schwäche herausstellt.
Charlize Theron als Erica und Leos Cousine wirkt wie eine Getriebene, die nirgendwo zu Hause ist. Sie lehnt ihren Stiefvater Frank ab und will Willie heiraten, um ihrem Zuhause zu entkommen. Gleichzeitig ist sie die Einzige, die Leo helfen will...
Und James Caan als Frank, dem Firmenboss , ist stark ,selbstbewußt und dabei durchaus freundlich. Aber er ist wiederum abhängig von den Politikern, Polizei und der öffentlichen Meinung. In diesem engen Geflecht gibt es keine entspannte Situation, ständig muß man auf der Hut sein, nicht den eigenen Einfluß zu verlieren.
Regisseur James Gray gelingt hier eine Geschichte, die zeigt, wie tief die Korruption und die damit verbundene Abhängigkeit jedes Einzelnen in die Gesellschaft eingedrungen ist. Dieses große Thema macht er deutlich ganz im Kleinen, im Familiären und gerade die ruhige Inszenierung, die sparsamen Worte und Gesten verdeutlichen die unglaubliche Kälte, die dort zwischen den Menschen herrscht und die eine Folge dieses Ausgeliefertseins ist.
Denn hier wird kein Konflikt durch Krach, Peng, Bumm zugedeckelt. Und damit ist der Film gänzlich ungeeignet für Liebhaber ausschließlich dieser Tonlage.
Ein sehenswerter und in der Entwicklung der menschlichen Charaktere sehr spannender Film, auf den man sich in Ruhe einlassen sollte. Hier wird nur wenig erklärt ,aufgelöst oder zu Ende gebracht, aber dafür wirkt "Yards" länger nach (8/10).