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„Zurück in die Zukunft! - (Karl May´s) Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten"

Nach dem vergeblichen Versuch den schwächelnden Karl-May-Film mit dem aufstrebenden Italo-Western zu fusionieren um so an alte Erfolge anzuknüpfen (1), zog Produzent Horst Wendlandt im Februar 1967 die Reißleine und stieg aus der von ihm auf den Weg gebrachten Filmreihe aus. Konkurrent Arthur Brauner - der sich nach dem „Old Shatterhand"-Coup lange Zeit mit den weniger populären Stoffen des sächsischen Autors begnügen musste (2) - witterte nun Morgenluft. Neben rein wirtschaftlichen Interessen mag auch der Ehrgeiz eine Rolle gespielt haben, es dem alten Rivalen noch Mal zu zeigen, zumal auf dessen angestammten Erfolgs-Terrain.

Also trommelte er alles zusammen was im May-Universum Rang und Namen hatte mit dem ambitionierten Ziel, die spätestens seit „Old Surehand" vermisste Magie wieder bzw. nochmals aufleben zu lassen. Letzteres überzeugte dann auch die Constantin, es noch Mal mit einem Karl-May-Western zu versuchen. „Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten" sollte der Startschuss für eine neue Erfolgsstory nach etabliertem Rezept werden.
So dirigierte Regisseur Harald Reinl zum bereits fünften Mal Pierre Brice (Winnetou), Lex Barker (Old Shatterhand) und Ralf Wolter (Sam Hawkens) durch die von ihm entdeckten, jugoslawischen Panoramalandschaften (3). Reinls Gattin Karin Dor durfte dabei ebenso wie Komiker Eddie Arendt (Lord Castlepool) auch schon zum dritten Mal das Pferd satteln und Bad Guy vom Dienst Rik Battaglia (hier als goldgieriger Bandenchef Murdock) trat sage und schreibe zum achten Mal an, um das Edle und Gute der Mayschen Märchenwelt zu malträtieren. Auch hinter der Kamera setzte Brauner auf bewährte May-Prominenz der Rialto-Produktionen. Kameramann Ernst W. Kalinke und Cutter Hermann Haller sorgten für ein wohliges Déjà-vu bei der optischen Gestaltung, während Martin Böttchers Musik geradezu essentiell für die typisch wild-romantische Stimmung war.

Einziger Wermutstropfen und veritabler Dämpfer für die Aufbruchsstimmung war das nicht mehr ganz so üppige Budget. So zerschlug sich nicht nur Reinls Wunschtraum an „Originalschauplätzen" in den USA zu drehen (4), auch das bewährte Jugoslawien war im Laufe der Jahre erheblich teurer geworden. Selbst für vergleichbare Produktionskosten bekam man deutlich weniger Personal an Komparsen und Stab-Mitarbeitern. Längst hatte man im Filmland Jugoslawien das ausbaufähige Profitpotential entdeckt und auch die Preise für Kost, Logie und Transport ordentlich angezogen. Da die May-Filme aber bei weitem nicht mehr die Zuschauermassen der Anfangsjahre mobilisierten, zeigte man sich seitens der Geldgeber deutlich bedeckter, so dass die Schere erst Recht spür- und sichtbar auseinander klaffte. Konkret bedeutet dies für „Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten" weniger groß angelegte Action-Schauwerte, weniger Massenszenen sowie spartanischere Bauten und Settings.

Dass dieses Manko nicht allzu sehr ins Kontor schlägt, ist Reinls findiger Regie zu verdanken, die nicht nur routiniertes Können belegt, sondern zuvorderst alle Register zieht um dem geneigten Fan ein wohliges Déjà-vu-Erlebnis sämtlicher lieb gewonnener Zutaten zu bescheren. Das geht so weit, dass Reinl ganze Sequenzen seiner früheren Filme bewusst zitiert. Böse Zungen könnten dies als hilf- und einfallslos verteufeln, die allzu offensichtliche Wiederholung lässt allerdings auf einen konkreten Plan bzw. die feste Absicht zur emotional-nostalgischen Überrumpelung des Zuschauers schließen. Besonders ausgiebig - übrigens auch was den gesamten Plot an sich angeht - bedient sich Reinl dabei bei seinem ersten May-Film „Der Schatz im Silbersee" (1962), der nicht ganz zufällig auch als Blaupause für die später nur in Nuancen variierte Erfolgsformel gilt.
So sehen wir Winnetou und Old Shatterhand im Kanu über einen azurblauen See rudern, Lord Castlepool inmitten von Kampfhandlungen seiner Sammelleidenschaft nachgehen (diesmal sind es seltene Pflanzen), Banditen mit exakt denselben Mitteln (Mord, Geiselnahme und Erpressung)  und deckungsgleichem Ausgang (Vernichtung von Jäger und Beute in einer Grube) einem Goldschatz nachjagen und zu guter letzt unseren Helden (diesmal darf Winnetou ran) einen als Gottesurteil angelegten Zweikampf mit einem feindlich gesinnten Indianerhäuptling austragen, um die gefangenen Gefährten vor dem Martertod zu bewahren.
Zusätzlich - wenn auch nur in kleinen Szenen - zitiert Reinl auch aus seiner „Winnetou"-Trilogie. Aus „Winnetou 1" kennen wir Sam Hawkens Werben um eine überaus füllige Indianerin, wie im ersten Sequel zieht Winnetou seinen Blutsbruder aus einem Abgrund hoch und Shatterhands kernige Verfrachtung eines Banditen auf einen Misthaufen (via Faustschlag) stammt 1:1 aus „Winnetou III". Gerade die dramaturgische Irrelevanz dieser Sequenzen sowie die Option diese auch ganz anders zu lösen, belegt Reinls Intention den Film nicht nur einfach mit den altbewährten Stärken zu würzen, sondern ihm eben auch einen kräftigen Hauch an Hommage zu verpassen um - zumindest im Unterbewusstsein - ein wohliges Nostalgie-Gefühl zu erzeugen.

Und das funktioniert aus heutiger Sicht durchaus. „Tal der Toten" findet nach einer Durststrecke von 3 Filmen wieder den Zugang zur wild-romantischen und märchenhaften Stimmung der alten Reinl-Hits („Silbersee" und „Winnetou"-Trilogie). Dass sich dennoch nicht dieselbe emotionale Intensität einstellt, liegt an der doch etwas zu breit und indifferent ausgewalzten Grundformel. Man hat all dies einfach schon zu häufig gesehen und selbst positive Gefühls-Erlebnisse nutzen sich ab, wenn sich sich dermaßen ähneln. Das Publikum mag dies seinerzeit ähnlich empfunden haben, wenn auch der sich verändernde Zeitgeist und Filmgeschmack bei dem eher überschaubaren Erfolg des Films die größere Rolle gespielt haben mag (5). So war „Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten" unwiderruflich der letzte Karl-May-Film mit dem Traumpaar Pierre Brice und Lex Barker, was ihm einen besonderen Status innerhalb der Serie verschafft.
Nach den immer schwächer werdenden Filmen - beginnend mit „Der Ölprinz" und negativ kulminierend mit „Winnetou und sein Freund Old Firehand" - gelang Harald Reinl aber zumindest ein versöhnlich-wehmütiger Abschluss der letzten großen Erfolgsreihe des bundesdeutschen Kinos. Es ist durchaus eine Ironie der Filmhistorie, dass dies federführend Arthur „Atze" Brauner zu verdanken war, der über die gesamte Strecke immer das Nachsehen gegenüber seinem früheren Potegé Horst Wendlandt gehabt hatte.

Seitdem wartet die Karl-May-Film-Fangemeinde auf neue Abenteuer ihrer Helden. Ob in einer Zeit von effektgeladenen Superhelden-Spektakeln und Fantasy-Epen noch Platz für zwei edle Ritter im Lederwams ist, darf zumindest massiv angezweifelt werden. Auch die literarischen Vorlagen fristen ein eher trauriges Dasein und haben enorm an Bekanntheitsgrad eingebüßt. Zu guter letzt waren die Winnetou-Filme auch ein Zeitgeistphänomen, das den Nerv der damaligen Kinozuschauer traf und hatten mit Brice, Barker, Reinl und Böttcher ein kongeniales Erfolgsquartett aufzuweisen, das sich in solch einer Konstellation nur alle Jubeljahre findet. So gesehen darf die Ankündigung des Privatsenders RTL im Jahre 2016 ein als Trilogie geplantes TV-Event rund um die beiden ikonischen Blutsbrüder zu stemmen als durchaus mutig angesehen werden. Für unsere Helden heißt das gewissermaßen „Zurück aus dem Tal der Toten". Zu wünschen wäre es ihnen - und uns auch.

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Anmerkungen:

1 „Winnetou und sein Freund Old Firehand" (1966) enttäuschte Publikum und Kritiker gleichermaßen und gilt vielen Fans nicht zu Unrecht als der absolute Tiefpunkt der Reihe.

2 Aufgrund rechtlicher Beschränkungen seitens der Konkurrenz von Wendlandt und Rialto konnte Brauner nach „Old Shatterhand"(1963/64) keinerlei Wild-West-Stoffe mehr verfilmen und verlegte sich daher auf Südamerika- und Orientabenteuer des sächsischen Schriftstellers. Vor allem mit „Der Schut" (1964) konnte er aber auch hier ordentlich am profitablen May-Kuchen verdienen.

3 Die zunächst anvisierten Drehorte Rumänien (negative Erfahrungen der Constantin mit Brauners „Nibelungen"-Zweiteiler) und USA (zu teuer) zerschlugen sich aus diversen Gründen, so dass Jugoslawien gewissermaßen als Notlösung erneut zum Zuge kam. Letztendlich ein Glücksfall für den Film, da dessen Landschaften längst mit den Karl-May-Filmen identifiziert wurden und damit mindestens die Halbe Miete für die ja explizit gewollte Reaktivierung des ursprünglichen Flairs waren.

4 Übrig blieben nur ein paar Panoramaaufnahmen des Grand Canyon, die Reinl mit einem sehr kleinen Team drehte und im fertigen Film ausgiebig und vor allem mehrfach verbriet. Zum Ärger von Brice und Barker lies er dort lediglich zwei Komparsen in Kostümen an der Kante des South Rim entlang reiten. Vor allem bei Winnetou ist das deutlich erkennbar, da er selbst auf die recht große Entfernung deutlich aufgesattelt zu haben schien.

5 Fairerweise muss man anmerken, dass der Film zwar kein Hit war, dennoch aber für Brauner noch recht ansehnliche Gewinne abwarf. Richtig lohnen sollte er sich aber dann im Lauf der Zeit, da er zu einem gern gezeigten und gesehenen Dauerbrenner im TV-Programm wurde.

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Literatur:

Chatain, Michael, „Vom Silbersee zum Tal der Toten". Das große Karl May Filmbuch, 2012.
Kastner, Jörg, Das grosse Karl May Buch. Sein Leben - Seine Filme - Die Filme, Bergisch Gladbach 1992, S. 257-265.
Petzel, Michael, Karl-May-Filmbuch. Stories und Bilder aus der deutschen Traumfabrik, Bamberg 1999, S. 370-388.

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