„Frau Nicolay ist tot.“ – „Na endlich…“
Die titelgebende „Eiszeit“ ist allegorisch zu verstehen, gemeint ist der Kalte Krieg. Im seinem achten „Tatort“ wird der Hamburger Kriminalkommissar Paul Stoever (Manfred Krug) trotz des Tauwetters zwischen den Blöcken mit dessen Auswirkungen konfrontiert, ihm zur Seite steht wie gewohnt Kollege Peter Brockmöller (Charles Brauer) in seinem fünften Fall. Das Drehbuch verfasste Erich Loest, der es autobiographisch prägte: Wie Filmfigur Hartmut Menkhaus saß auch Loest mehrere Jahre in einem DDR-Gefängnis ein. Der slowakische Regisseur Stanislav Barabáš inszenierte seinen zweiten von insgesamt vier Beiträgen zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe, der am 10. Juli 1988 erstausgestrahlt wurde.
„Wir haben Zeit!“
Hartmut Menkhaus (Leo Bardischewski, „Wodzeck“) war einst in die DDR verschleppt worden und saß wegen Spionage elf Jahre in Bautzen ein. An den Hamburger Landungsbrücken erkennt er urplötzlich einen seiner Entführer wieder: Es ist Martin Scholko (Wolf-Dietrich Berg, „Paule Pauländer“), der seinerzeit mit Astrid Nicolay (Krista Stadler, „Wallenstein“) zusammengearbeitet hatte. Den Namen kennt Menkhaus jedoch noch nicht, weshalb er Nicolay aufsucht und ihn herauszufinden versucht. Sie schweigt, erfährt dadurch aber, dass Scholko wieder aufgetaucht ist. Von ihrem ehemaligen gemeinsamen Chef, dem Spediteur Peter Kurbis (Siegfried Wischnewsk, „Die Nibelungen“), versucht sie anhand eines verräterischen Lieferscheins Schweigegeld zu erpressen – und wird einen Tag später tot aufgefunden, in ihrer Wohnung erwürgt. Die Kommissare Stoever und Brockmöller nehmen die Ermittlungen auf und sehen sich nicht nur mit mehreren Verdächtigen, sondern auch mit einem dunklen Kapitel deutsch-deutscher Beziehungen konfrontiert…
Der an den Landungsbrücken spielende, mit effektiver Spannungsmusik unterlegte Auftakt macht Lust auf diesen „Tatort“, zumal sich einem nicht sofort erschließt, was es mit Menkhaus und dem auf einem Motorrad vor ihm fliehenden Scholko auf sich hat. Dass es um eine Entführung geht, geht aus Menkhaus‘ Besuch bei Nicolay hervor, der etwas bizarr anmutet, da ein sexuelles Verhältnis angedeutet wird, Menkhaus sie aber der Mittäterschaft bezichtigt und beleidigt. Man erfährt nun von Menkhaus‘ elfjährigem Knastaufenthalt und lernt Nicolay anschließend als gewiefte Erpresserin kennen, die jedoch mit dem Feuer spielt. Die Handlung verlagert sich nach Neustadt in Holstein, wo Scholko angetroffen und damit von nun an größerer Teil der Handlung wird. Was genau damals los war, bleibt noch undurchsichtig. Vorläufiger dramaturgischer Höhepunkt ist Scholkos Besuch bei Nicolay, der sie schlägt und würgt, die am Ende der Szene aber noch lebt.
Schade, dass diese kriminologisch und auch psychologisch interessante Figur derart früh aus der Handlung herausgemordet wird; nach ihrem Tod stellt sich die Frage nach dem Täter, allen voran natürlich den Kommissaren, die nun in die Handlung eingreifen. Und die damit leider verflacht. Eine Nachbarin erzählt den Kommissaren von einer alten DDR-Spionagesache und im Verhör Menkhaus‘ wird dann auch alles aufgedröselt. Fortan bestimmen langatmige Dialoge noch und nöcher diesen Fall, der aber immerhin sein Whodunit? bis zum Schluss konsequent beibehält, ansonsten aber fast nur noch bei den Kostümen punktet: Ermittler „Meier 2“ (Lutz Reichert) im „Miami Vice“-T-Shirt und die Kripo-Assistentin in schönen ‘80er-Jahre-Kleidern. Bardischewski spielt Menkhaus zudem ziemlich gut und sympathisch. Tatsächlich steckt dieser „Tatort“ zumindest noch so tief im Kalten Krieg, dass er einen Spion recht einseitig als Sympathieträger präsentiert, da er schließlich für die richtige Seite tätig gewesen sei – wenngleich dies auch nie konkret ausgesprochen wird (vielleicht eben gerade, weil es schlicht vorausgesetzt wird). Der traurige, nachdenkliche Epilog rundet diese durchschnittliche Episode ab.