Nachdem der Archäologe Jason Porter in der Nähe von Spoleto ein etruskisches Grab geöffnet, und in diesem eine Abbildung des Totendämons Tuchulcha gefunden hat, kommen plötzlich eine Menge Leute in der Umgebung der Ausgrabung zu Tode. Und zwar auf genau die gleiche Art, wie es auf dem Fresko im Grab zu sehen ist. Nicht hilfreich bei der Aufklärung dieser Mordserie ist, dass Jason schwerer Alkoholiker und dazu ziemlich unbeherrscht ist. Zudem hat er ernsthafte Gedächtnislücken, ja er kann sich nicht einmal mehr daran erinnern, dass er seine Ex-Frau einmal versucht hat zu töten.
Diese Ex-Frau, Myra, ist jetzt mit dem cholerischen Dirigenten Nikos Samarakis zusammen, der in Spoleto für eine Theateraufführung probt, und seine gesamte Umgebung mit Tobsuchtsanfällen demütigt. Samarakis ist zwanghaft eifersüchtig, was der deformierte Hinterkopf seiner ersten Frau glaubhaft bestätigt. Aber wäre er fähig, Morde zu begehen? Oder ist doch der Dämon auf die Welt zurückgekommen?
Bei Hauptdarsteller Alex Cord habe ich immer das Gefühl dass er dann am Besten ist, wenn er sich selber spielt. Der Mann ist zwar, seinem Lebenslauf und seinen Interessen nach zu folgern, alles andere als ein Alkoholiker, aber seine Spielweise ist so natürlich und so intensiv, dass ich ihn jederzeit sofort in eine Entziehungsanstalt schicken würde.
Dieses unglaubliche Können ist es auch, was die erste Hälfte von DAS GEHEIMNIS DES GELBEN GRABES erträglich macht. Nicht die wüste Schnittfolge, nicht die krude Story, und auch nicht die unglaubwürdigen Charaktere. Welche Frau bitte schön kommt auf die Idee, einen Mann zu heiraten der schätzungsweise 30 Jahre älter ist und seine Umwelt mit Tobsuchtsanfällen und ausgewählter Ignoranz terrorisiert? Ist Geld der Grund? Den Eindruck macht Myra eigentlich nicht, womit ihr Charakter eben unter dem Problem der Unglaubwürdigkeit leidet, verstärkt durch eine leichte Blässe seitens der darzustellenden Figur. John Marley als Samarakis zieht hemmungslos vom Leder, Jason pöbelt genauso hemmungslos durch die Gegend und säuft, und irgendwie fehlt jegliche Identifikationsfigur. Die Menschen sind entweder Ekelpakete oder sie sterben recht schnell. Oder beides …
Doch gottseidank bekommt das Drehbuch Jason irgendwann in den Griff (oder umgekehrt, wer weiß das schon …), und man kann so halbwegs zumindest mit Jason mitfiebern. Etwa ab dem Zeitpunkt, ab dem Jason herausbekommt dass er von einem Fotografen gestalkt wird und eine wüste Verfolgungsjagd durch die Gassen von Spoleto startet, etwa ab hier wird der Film gut. Was ziemlich genau der Hälfte der Laufzeit entspricht. Was bis dorthin unzusammenhängend schien und eher die Grenzgänger unter den Giallo-Fans anspricht, ändert sich nach 45 Minuten und wird zu einer rasanten Mörderjagd mit sehr gut gesetzten roten Heringen. Der Inspektor, bis dahin eher als Witzfigur auszumachen, ändert seinen Tonfall und erhöht den Druck auf Jason zunehmend, und so einige Momente wie etwa das Versteckspiel im Fundus sind außerordentlich atmosphärisch und intensiv. Das Showdown schließlich, in der Krypta einer alten Kirche und zwischen Sarkophagen und Mumien inszeniert, ist hochgradig spannend, und ich scheue mich nicht, den abgedroschenen Begriff nervenzerfetzend zu verwenden.
Für DAS GEHEIMNIS DES GELBEN GRABENS (wieso ist das Grab eigentlich gelb? Damit jeder weiß, dass es sich hier um einen Giallo handelt?) muss man also etwas Sitzfleisch mitbringen, genauso wie das Wissen, dass auch in der Hochzeit des Schwarze-Handschuhe-meucheln-nackte-Frauen-per-stählerner-Penetration-Genres noch andere Spielarten eines Whodunit italienischer Art möglich waren, und bei aller Liebe zu den üblichen schwarzen Handschuhen – Schlecht ist dieser Film beileibe nicht. Nur anders. Und 45 Minuten zu lang …