„Mit der Frau eines Kollegen – du musst verrückt geworden sein!“
Der dritte Fall des „Tatort“-Kripoduos Heinz Haferkamp (Hans-Jörg Felmy) und Willy Kreutzer (Willy Semmelrogge), die von 1974 bis 1980 im Ruhrgebiet, genauer: in Essen ermittelten, ist zugleich ihr dritter aus dem Jahre 1974: „Der Mann aus Zimmer 22“ wurde von „Tatort“-Routinier Heinz Schirk nach einem Drehbuch Oliver Storz‘ inszeniert und am 8. Dezember 1974 ausgestrahlt. Es war die nach „Der Boss“ (1971) zweite von insgesamt zwölf Regiearbeiten, de Schirk für die öffentlich-rechtliche Krimireihe absolvierte.
Der Oberstudienrat Walter Maurer (Alexander Kerst, „Meine Frau erfährt kein Wort“) unterhält eine außereheliche Beziehung zu Ursula Danz (Monika Bleibtreu, „Der Joker“), der Ehefrau eines Lehrers an seiner Schule. Doch während ihres jüngsten konspirativen Treffens in einem Essener Hotel wird er Zeuge eines Mordes im Nachbarzimmer: die junge Kosmetikvertreterin Ruth Wollnitz wurde getötet, Mörder und Motiv sind unbekannt. Zu Walter Maurers Überraschung weiß seine Ehefrau (Eva Maria Meineke, „Die Braut des Satans“) längst über seine Affäre Bescheid, doch als sie mitbekommen, dass die Polizei nach dem unschuldigen Zimmerkellner Elmar Holz (Ulli Lommel, „Fontane Effi Briest“) fahndet und ihn schließlich festnimmt, schweigen sie beharrlich, da sie um ihr Renommee fürchten. Ein weiterer Mord aber, der kurz darauf verübt wird, entlastet Holz. Ein Erinnerungsfetzen an ein wichtiges Detail bringt Kommissar Haferkamp schließlich auf die Spur Maurers Geliebter Ursula Danz, von der er weitere Informationen zu erhalten versucht. Er muss unbedingt das Schweigen der Ehebrecher brechen, denn der Mörder läuft noch immer frei herum – und ist eine tickende Zeitbombe…
Kommissar Haferkamp tritt als arroganter und unfreundlicher Ermittler in Erscheinung, während sein Kompagnon Kreutzer psychologische Hypothesen aufstellt. Auf diese nicht sonderlich subtile Weise charakterisiert dieser „Tatort“ die gegensätzlichen Kommissare, zu denen sich noch der Bremer Kommissar Böck (Hans Häckermann) gesellt, der, wie damals nicht unüblich, einen Gastauftritt hinlegt. Vom zweiten Mord erfährt man aus dem Radio, gezeigt wird er weder in seiner Vorbereitung noch Durchführung. Bald jedoch sieht man einen nervösen Typen (Fred Albert, „Engel, die ihre Flügel verbrennen“) verdächtig herumschleichen, der sich dann auch (Achtung, Spoiler!) wenig überraschend als der Mörder entpuppt. Als Motiv muss schlicht Geisteskrankheit herhalten. Er bleibt vollkommen facettenlos, doch Albert gelingt es, ihn durch sein Schauspiel aufzuwerten und memorabel zu interpretieren. Haften bleiben dürfte auch die schauspielerische Leistung Marie-Luise Marjans („Lindenstraße“) als Kneipenwirtin Helga, jedoch eher im negativen Sinne: Ihre Theatralik, als sie sich vor dem Mörder erschrickt, wirkt unfreiwillig komisch.
Ein wenig Einblick ins Privatleben Haferkamps erhält man durch sein Treffen mit seiner Ex-Frau Ingrid (Karin Eickelbaum), währenddessen er seinen Geistesblitz erhält, indem er sich an widersprüchliche Aussagen Ursula Danz‘ erinnert. Das eigentlich Interessante an dieser Episode ist das Dilemma, in dem sich die Maurers und Frau Danz wähnen, die aus Selbstschutz nicht aussagen wollen – und wie sie dann doch zu knacken sind. Der Fall „Der Mann aus Zimmer 22“ ist in sich rund, vernachlässigt seine Täterfigur jedoch leider sträflich, indem lediglich ein wenig über sie geredet wird, statt auch sie zu charakterisieren und zu fokussieren. Sonderlich aufregend oder spektakulär ist hier also nichts. Fazit: Solider Durchschnitt mit ein paar Abzügen bei den Schauwerten und beim Ensemble.