„Ich habe sie gut gekannt“ ist ein in italienisch-deutsch-französischer Koproduktion 1965 entstandenes, in Schwarzweiß gedrehtes Drama und der vorletzte Film des italienischen Regisseurs Antonio Pietrangeli vor seinem Tod. Adriana (Stefania Sandrelli „Desideria“), ein hübsches, junges Ding vom Lande, träumt von einer Schauspielkarriere und „la dolce vita“, weshalb sie ihren Lebensmittelpunkt nach Rom verlagert. Dort gerät sie allerdings an windige Zeitgenossen und muss feststellen, dass es so einfach, wie die schillernde Fassade suggeriert, leider nicht ist, in der Welt der Blitzlichtgewitter Fuß zu fassen. Nachdem sie auch noch ungewollt schwanger wurde, droht sie, in die Verzweiflung zu stürzen.
Pietrangeli fängt in diesem mit Namen wie Karin Dor, Mario Adorf und Joachim Fuchsberger populär besetzten Film sehr bewusst das vordergründig leichte Leben an der sonnendurchfluteten Adria ein und versteht, seine attraktiven Darstellerinnen erotisch in Szene zu setzen, ohne wirklich etwas zu zeigen. Zunächst könnte man glatt meinen, man befände sich in einer leichten Sommerkomödie. Passend zum sarkastischen Filmtitel erfährt man dabei nicht wirklich viel über die liebenswürdig-naiv wirkende, von Sandrelli sinnlich gespielte Adriana, was über ihre Ziele und ihren sozialen Hintergrund hinausgeht. Was aufgrund ihrer Misserfolge in ihr vorgeht, bleibt weitestgehend verborgen. Im episodenhaften Aufbau wirkt es jedoch, als würde sie sich ihre Lebensfreude bewahren und weiter an ihrem Ziel festhalten. Ihre positive Ausstrahlung und unbedarfte Menschlichkeit, die sie zur Sympathieträgerin machen, wird besonders in einer Szene mit Mario Adorf deutlich, der kurz zuvor einen Boxkampf verloren hatte, durch seine Begegnung mit Adriana aber kurzzeitig vorbehaltlose, ehrliche Zuneigung erfährt.
Das tragische Ende jedoch offenbart, dass die von ihr auserkorene Karriere für eine arglose junge Frau zu viel ist und dass ihr einfach gestrickter, blauäugiger Charakter – so liebenswürdig er auch erscheinen mag – sie nicht vor den psychischen Auswirkungen negativer Erfahrungen zu schützen vermag, sie letztlich auf sich allein gestellt keinen verarbeitenden Umgang mit ihren Enttäuschungen findet und schließlich nur noch einen Ausweg sieht. Die Bewertung dessen obliegt dabei dem Zuschauer, denn so selbstverständlich Pietrangeli zuvor die Sonnenseiten des Lebens zeigte, so wertungsfrei konfrontiert er den Zuschauer mit ihrem Gegenteil. Ist Adriana Opfer ihrer Leichtgläubigkeit? Ist ihre Entscheidung die infantile Trotzreaktion eines sich von der Glitzerwelt blenden lassen habenden, auf Karriere und Oberflächlichkeit fixierten, unreifen Menschen? Oder hat man ihr in einem nicht zu verantwortenden Maße übel mitgespielt? Kam sie unter die Räder einer egozentrischen Ellbogengesellschaft? Darüber nachzudenken lohnt sich, nicht zuletzt, weil die Thematik an ihrer Aktualität nichts eingebüßt hat. Und so stilvoll und angenehm, wie Pietrangeli sein Publikum durch das sonnige Rom der 1960er-Jahre führt, in dieser Mischung aus Leichtfüßigkeit und tödlichem Ernst, wie er es Anteil nehmen lässt an den Vorzügen des leichten Lebens, um es letztlich zu desillusionieren, so sehr lässt sich dieser Film genießen – auch heute noch, wenn er auch seine seinerzeit evtl. provokante, schockierende Wirkung im Laufe der Jahrzehnte weitestgehend verloren haben dürfte (weil das Gezeigte allgemein hingenommene Normalität geworden ist?).