Also irgendwie scheinen die Nordlichter die Gabe zu haben, alle ein, zwei Jahre eine kleines filmisches Meisterwerk zu produzieren, als da wären "Nightwatch", "Das Fest", "In China essen sie Hunde" oder "Verschwörung im Berlin-Express". Auch "Evil" ist so ein Film.
Während die Handlung und Erzählweise der Kamera an die anspruchsvollen Dramen der 60er und 70er erinnern, trifft "Evil" dennoch im Kernpunkt ein gerade jetzt aktuelles Problem. Natürlich ist die Hierarchie in dieser Form (Adel und Industrielle, die das sagen haben) heute nicht mehr allzu nachvollziehbar. Dennoch fühlt man sich während der ganzen anderthalb Stunden an die Bilder erinnert, die vor noch gar nicht allzu langer Zeit in den Medien umhergeisterten. Kinder die von ihren Mitschülern verprügelt und gedemütigt werden, während die Lehrer resignieren und zu stillschweigenden Beobachtern verkommen.
"Evil" erzählt von einem Schüler, der weiß dass er dieses System mit Gewalt brechen kann, dann nicht den Kampf, aber seine Zukunft verliert. Hier spielt der Film auch sehr mit den klassischen Nachkriegsklischees an den Schulen. Lehrer die auch Jahre nach dem Naziregiem immer noch an den Schulen praktizieren dürfen und Ihre Ideologien verbreiten dürfen - mit ein Grund für die Protestmärsche der 68er Generation. Während der strahlende blonde starke Arier zum Vorbild für die Klasse herhält, wird der kleine, dicke und unsportliche, linksgerichtete Jude (der auch noch Anwalt werden will -sic!-) als bestes Beispiel für die verkommene Rasse erklärt. Im Unterricht! - von einem Lehrer!
Hier geht es also nicht nur um den vordergründigen Kampf eines Schülers gegen ein totalitäres System sondern auch das waffenlose Aufbäumen gegen den immer noch vorherrschenden Konservatismus.
WIe in den anderen Reviews schon des öfteren erwähnt ist "Evil" für FSK 12 tatsächlich sehr heftig gehalten. Das bezieht sich nicht nur auf die wirklich blutigen Schlägerein (wobei der Vergleich zu "Fight Club" doch etwas gewagt ist), sondern auch auf die anderen Arten seelischer und körperlicher Grausamkeit. Mobbing in Vollendung ! Dass er dennoch diese verwunderliche Altersfreigabe bekommen hat liegt wohl am Thema. Zu recht hielt man es warscheinlich für besser einem Kind diesen Film so früh als möglich zu zeigen, um es zum Nachdenken über seine eigene Situation zu bringen. Das Medium Film als Lehrer fürs Leben (Wir hatten das ja schon ähnlich bei "Schindlers Liste").
Auf jeden Fall, seht euch diesen Film an. Es lohnt sich - trotz des moralisch eher fragwürdigen "Happy Ends".