Die Motivation dafür, “Madhouse” abzudrehen, lag auf der Hand. Man wollte ein bisschen surfen, und zwar auf der Horror-Trendwelle, die durch das Retortenstudio “Dark Castle” massenkompatibel gemacht wurde. Konami tat durch “Silent Hill” auch sein übriges, um eine Stilrichtung prominent zu machen, die derzeit vielleicht ein wenig mit japanischem Geisterhorror um “Ring” konkurriert und diesem schwächelnden, weil schon lange überreizten Subgenre des japanischen Geisterhorrors demnächst durch “Silent Hill” den Rang ablaufen und mit ihm die Regentschaft übernehmen könnte, was den Subtilhorror betrifft - sofern Christophe Gans alles richtig macht.
Dass es sich bei “Madhouse” um ein B-Movie handelt, ist in jeder Hinsicht spürbar. Cast, Regisseur und Stab sprechen da für sich schon eine deutliche Sprache, und das fertige Resultat bestätigt den allgegenwärtigen Eindruck. Obwohl nun ganz spezifisch bei “House on Haunted Hill” aus der Dark Castle-Schmiede abgekupfert wurde, verzichtete man ausgerechnet auf dessen selbstironischen Humor, und das ist in diesem Genre eigentlich ein Genickbruch für einen Film, der wild mit stilistischen Referenzen um sich wirft, ohne zu wissen, was genau er da eigentlich zusammensetzt.
Es ist ein Anspruch zu erkennen, eine gute Geschichte zu erzählen. Es wird in den folgenden eineinhalb Stunden Flashbacks geben, Plottwists, Charakterwandlungen und mehr. Pures Horror-Entertainment kann man es nicht nennen, was hier auf der Mattscheibe erscheint, dazu drängt sich zu sehr der Eindruck auf, dass die Macher mit ihrem Werk auf etwas hinauswollen. Gar könnte man “Madhouse” als Vorboten von “Silent Hill” betrachten - es fühlt sich einfach so an, als sässe hier ein begeisterter Fanboy auf dem Regiestuhl und wolle etwas von gleicher Größe wie das berühmte Videospiel schaffen, ohne aber wirklich die Bestandteile zu verstehen. Am Ende balanciert der Film auf einem dünnen Nylonseil zwischen zwei Dächern - selbstironisch will er nicht sein, psychologisch ausgewogen kann er nicht sein - das zentrale Problem von William Butlers Film.
So wirft bereits der Prolog wie irre mit ekstatisch geschnittenen Sequenzen von Geistern und körperlich verunstalteten Wesen um sich, ohne Konzept und ohne Verstand. Die Vorbilder wurden studiert, dabei allerdings nur die technische Komponente erfasst, während der viel subtilere psychologische Unterbau vor die Hunde ging. Und das hat verheerende Konsequenzen für das Endresultat: in den delusionär ablaufenden Versuchen, den Zuschauer mit Trugbildern zu beunruhigen und ihm eine Gänsehaut zu verschaffen, wird jener Zuschauer überhaupt nicht ergriffen und schaut ohne größere Regungen recht relaxt auf den Bildschirm. Zumindest gilt dies für die konfuse Anfangsphase. Wie dies mit deutlich weniger Aufwand viel effektiver funktioniert, hat “Jacob’s Ladder” bewiesen - hier reichte es, nur eine Nuance weit in das Übernatürliche zu gleiten, um den maximalen Horror hervorzurufen, und zwar deswegen, weil mit der Psyche des Hauptdarstellers und damit auch mit der des Zuschauers gespielt wurde. Ohne diesen Unterbau funktioniert nichts dergleichen.
Ein Problem ist in diesem Zusammenhang auch Joshua Leonard, dessen Figur Clark Stevens unglaublich wenig Identifikationspotenzial bietet. Speziell zu Beginn wirkt er wie ein übereifriger, besserwisserischer Absolvent einer elitären Ausbildungskammer (Studenten werden sicher so manches Exemplar dieser Gattung kennen). Man befindet sich nun also neben diesem jungen Kerl, der da im Büro des Direktoren (Lance Henriksen) sitzt und am liebsten die ganze Welt verbessern möchte - man befindet sich nicht etwa in ihm, in seinem Geist, und das ist ein zentraler Grund dafür, weshalb das alles nicht so recht passen mag, was man sich da zweifellos voller ehrlichem Tatendrang vorgestellt hat. In einem “Silent Hill 2" ist man James Sunderland, man ist eins mit dieser Figur und kann in ihr Seelenleben einblicken - und wenn die Figur dann entgegen ihrer Persönlichkeit handelt, wird das absurd und halt “wahnsinnig”, weil man glaubt, sich nicht mehr selbst zu erkennen.
Optisch und technisch handelt es sich glücklicherweise am Ende des ersten Drittels um recht starkes Handwerk, womit wenigstens so mancher Schauer bei empfänglichen Personen wie meinesgleichen garantiert wäre. Wenn sich Leonards Clark Stevens auf das flackernde Licht im Gang konzentriert, zoomt die Kamera aus einer Egoperspektive heraus immer weiter auf jenes flackernde Licht, so dass die Umgebung völlig ausgegrenzt und ein Gefühl der vollständigen Isolation rekonstruiert wird, das man dann mit einem klassischen Schockeffekt auflöst. Derartiges funktioniert in “Madhouse” aller meiner Unkenrufe zum Trotz erstaunlich gut, wie ich zugeben muss. Das Setting versprüht eine herrlich trübe Atmosphäre, der Baustil der Anstalt ist wirklich individuell, erinnert optisch vielleicht beizeiten etwas an die Anstaltsszene aus “12 Monkeys” oder sogar an das “Kuckucksnest”, behält sich dabei aber immer seine Individualität vor.
Dazu tragen neben der schön-schaurigen Beleuchtung auch recht gelungene Masken und Spezialeffekte bei. Der durch die Gänge laufende Junge ruft zwar unangenehm starke Assoziationen zu “Devil’s Backbone” hervor und muss sich den Vorwurf des Plagiats gefallen lassen, seine Maske kommt aber kaum minder gruselig weg als in Guillermo del Toros Film. Natürlich machen auch die Geisterfratzen vor den Fenstern Spaß, wirkungsvoller sind aber die dezent eingeworfenen Dinge, die man nur erahnen kann - wenn im Bild hinter der Krankenschwester eine in Plastikfolie eingewickelte Gestalt vorbeiläuft, ist man den Vorbildern am nächsten, und so gehört die anschließende Foltersequenz in dem sterilen Fliesenraum, ähnlich dem aus “Creep” und dem aus “Saw”, zu den Filmhöhepunkten.
Mitunter verlieren sich die Macher bei aller Subtilität doch deutlich in dick aufgetragenen Klischees. Das betrifft in erster Linie die Darstellung der Insassen sowie auch gerade ihre “Haltung”. Denn für die ganz gefährlichen Exemplare gibt es natürlich einen Gang in der untersten Etage des Hauses, ein verkommener Winkel des Gebäudes, unter jeglicher menschlicher Würde. Dort hält man nun die potenziell als (lebens-)gefährlich eingestuften Psychos wie die unwürdigsten aller Tiere. Die Zellen sind selbstverständlich vollkommen verdreckt, die Wände verschimmelt und es scheint so, als würde man zum ersten Mal seit hunderten von Jahren diesen Teil des Gebäudes betreten. Die Motivation ist klar: Der Zellenblock für den “Abschaum” der Anstalt ist eine Metapher für die Hölle, und wenn Clarks neue Freundin Sara (Jordan Ladd) ihn in den metallischen Grusel-Aufzug bittet, als sei sie des Teufels Advokat, soll man vor Schreck erstarren im Antlitz dessen, was da wohl noch so an Unaussprechlichem kommen mag. Das Unaussprechliche entpuppt sich dann leider nur als Kuriositätenkabinett mit einzeln ausgearbeiteten Psychos, die im Stil der “13 Geister” in ihren Zellen hausen und bedeutsam umherhüpfen und irgendwelche komischen Dinge machen, als hätten sie später noch eine Bedeutung für den Plot - dem ist aber nicht so, und damit frage ich mich, was es mir bringt, wenn ich weiß, dass die Alte auf der Linken die Neurose hat, jeden Schritt neunmal zu wiederholen. Es ist halt nur widerwärtig und makaber, was da unten vonstatten geht, aber es tangiert mich nicht, zumal unser Hauptdarsteller zum Ende hin den Gang scheinbar alle fünf Minuten durchquert, um mit dem ominösen Ben zu sprechen. Auch hier gilt wieder: “Jacob’s Ladder” ist da der Klassenprimus, denn wie Jacob ganz subtil mitten in die Hölle transportiert wird und sich die Anzeichen auf diese Hölle ganz dezent immer weiter häufen, damit kann dieser primitive Versuch, die Hölle in Metaphern zu kleiden, nicht einmal annähernd konkurrieren.
Von der Schauspielergarde ist wie zu erwarten auch nichts weiter zu erwarten, abgesehen mal wieder von Lance Henriksen, der ohne viel dafür zu tun seine Kollegen deutlich übertrifft. Wobei das eigentliche Schauspiel der Beteiligten noch weniger das Problem ist als die meist dummen Dialoge, die zwar nicht übermäßig naiv sind, aber eben doch auf dem Niveau von King-Verfilmungen, und das ist für einen Film mit storybedingt nicht zu unterschätzenden Ansprüchen zu wenig.
Es ist wohl eigentlich halb so schlimm, wie sich das in diesen Zeilen anhören mag: “Madhouse” hat mir schon Spaß bereitet, da ich Subtilhorror à la “Jacob’s Ladder” sehr mag und auf meine Kosten gekommen bin, ohne mich durch übermäßigen Dilettantismus großartig beleidigt gefühlt zu haben. Am fragwürdigen, weil inzwischen eigentlich schon fast vorhersehbaren Ende will ich mich überhaupt nicht aufziehen, da es trotz allem irgendwo noch seinen Reiz hat und der Sinn und Unsinn von Plottwists schon bis zum Erbrechen diskutiert wurde. Das zentrale Problem sehe ich woanders, nämlich bei der Verwendung von Stilmitteln anderer Filme durch enormen Klau bei Filmen wie “Jacob’s Ladder”, “Silent Hill” (Videospiel, versteht sich - es sei denn, Herr Butler kann hellsehen), “House on Haunted Hill”, “13 Geister”, “Devil’s Backbone”, “Freeze” und mehr. Das wäre zu verschmerzen, hätten wir hier nicht das Problem, dass die Macher sich darauf beschränken, die Stilmittel technisch zu kopieren, ohne den psychologischen Unterbau zusätzlich zu adaptieren. Da zusätzlich selbstironische Ansätze nicht gegeben sind, verkommen viele Ideen zum Selbstzweck und verfügen dadurch nur gemäßigt über Gruselpotenzial. Weder Fisch noch Fleisch - Durchschnitt.