Hongkong hat's noch immer drauf, das Filmen interessanter Gangster-Flicks, auch wenn wie im vorliegenden Fall Blood Brothers kaum etwas Neues geboten wird, das dafür jedoch umso intensiver, mit namhaften Schauspielern und schön bebildert gezeigt wird.
Gangsterboss Hung (Andy Lau) hat gerade eine Familie gegründet und soll sich nun zwischen beschaulichem Familienleben und aufregendem Gangsterleben entscheiden. Nach dem Abendessen mit seinem treuen Gangsterkameraden Lefty (Jacky Cheung) in einem frisch renovierten Restaurant soll er umgebracht werden. Dafür ist auch schon ein Killer ausgewählt, nämlich der junge unerfahrene Wing (Shawn Yue), der zusammen mit Kumpel Turbo (Edison Chen) durchs nächtliche Hongkong irrt, um sich eine Waffe zu besorgen und sich auf seinen großen Auftritt vorzubereiten.
Da die Geschichte innerhalb einer Nacht spielt, ist der Handlungsrahmen arg begrenzt. Man hält sich also gar nicht erst mit ausführlichen Personenbeschreibungen auf, sondern wirft den Zuschauer mitten ins bereits in Gang gesetzte Geschehen, in dem er sich erstaunlicherweise sehr schnell zurecht findet. Personen tauchen auf und werden in wenigen Szenen ausreichend charakterisiert, bevor sie wieder verschwinden. Dabei ist der Cast bis in die kleinen Nebenrollen ein Stelldichein bekannter Gesichter, obwohl Schauspielgrößen wie Andy Lau und Jacky Cheung ganz eindeutig den Jüngeren, vor allem dem Duo Shawn Yue und Edison Chen, den Vortritt lassen. Auch der ewige Kriminelle Eric Tsang sowie der ewige Nebendarsteller Gordon Lam, Chapman To oder auch Lam Suet in einer Minirolle lassen sich genügsam ins Abseits pressen. Nur bei Wu Chien-Lien, die Hungs Gattin spielt und eine ebenfalls relativ wichtige Spielfigur ist, hätte man sich etwas mehr Gewichtigkeit gewünscht.
Während sich Hung und Lefty also fast den ganzen Film über im Restaurant unterhalten (wobei sich ihr Leben, ihre Beziehung zueinander, ihre Wünsche und Vorhaben lediglich durch den Dialog definieren), tragen Shawn Yue als Wing und Edison Chen als Turbo die Geschichte von Blood Brothers quasi ganz allein. Und dabei stellen sie nicht nur zwei Kumpels dar, die in einer modernen Welt als Gangster Fuß fassen wollen, sondern erklären dank intelligentem Drehbuch so auch gleich noch die Vergangenheit von Hung und Lefty, bei denen es einst genauso begonnen haben muss.
Trotzdem scheint das Drehbuch die ein oder andere kleine Unstimmigkeit vorweisen zu können. Der straffe Zeitrahmen ließe es nämlich kaum zu, dass es Wing möglich wäre, in einer Nacht als Killer ausgelost zu werden, mit einer bunten Prostituierten in einem Kämmerchen zu verschwinden, sich in sie zu verlieben und sie schließlich auch noch für sich zu gewinnen, mit Turbo um die Häuser zu ziehen, Banken zu überfallen, bei einem (zugegeben unnötigen) Besuch zu Hause seine Familiensituation auszuleuchten und bei der Besorgung einer Waffe Randale zu machen, um sich schlussendlich seiner eigentlichen Aufgabe—das Attentat auf Hung—zu besinnen. Wirklich stören tut das aber nicht.
Durchgestylte Hochglanzbilder und die kurze Spielzeit von gerade einmal rund 80 Minuten täuschen geschickt darüber hinweg, dass für einen Gangsterfilm bis auf den finalen Shootout actiontechnisch recht wenig passiert. Locker hätte man ein zweistündiges Epos mit ausufernden Nebenhandlungen daraus machen können, doch Blood Brothers konzentriert sich auf das Wesentlichste und wirkt dadurch unglaublich kompakt.
Blood Brothers ist ein klassischer Gangsterfilm mit Dramaanleihen und angedeuteter Tiefe. Er ist lässig, schick und ohne Längen oder Übertreibungen. Ein solides Drehbuch und beherzte Schauspieler garantieren ein atmosphärisch dichtes, fesselndes Filmvergnügen, das zwar um Klischees keinen Bogen zu machen wagt, diese aber wenigstens so geschickt einbaut, dass man sie ohne zu murren akzeptiert. Mag Blood Brothers auch lediglich wie ein Triaden-Snack für zwischendurch aussehen, so ist am Ende, als sich der Kreis dann endlich schließt, doch mehr daraus geworden.