Mike Binder scheint sich auf Selbstfindungs-Dramödien geradezu spezialisiert zu haben, tendierten seine letzten Filme doch allesamt in diese Richtung. Nachdem in "Man About Town" Ben Affleck im Mittelpunkt des Geschehens stand, so ist es nun Joan Allen, die mit ihrem Leben wieder ins Reine kommen muss und dabei u. a. auf die Unterstützung von Kevin Costner angewiesen ist.
Allen spielt die Hausfrau Terry Anne Wolfmeyer, die von heute auf morgen von ihrem Mann verlassen wird, der offenbar mit seiner Sekretärin nach Schweden durchgebrannt ist. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, hat Terry auch noch vier Töchter (Evan Rachel Wood, Erika Christensen, Keri Russell und Alicia Witt), um deren Probleme sie sich zu kümmern hat. Es kommt wie es nun einmal kommen muss: Terry fällt in eine tiefe Depression und entwickelt eine irrationale Wut auf alles und jeden. Der trinkfreudige Ex-Baseballstar Danny (Costner) ist der einzige, der einigermaßen zu ihr durchdringen kann. Terry sieht bald ein, dass sie etwas tun muss, um die Vergangenheit hinter sich zu lassen und von vorn anfangen zu können...
Nicht gerade leichte Kost, möchte man angesichts des Inhalts meinen.Doch wer schon abwinken will, sollte nicht so vorschnell urteilen. Denn "The Upside Of Anger" (wie der viel bessere Originaltitel im Vergleich zum schnulzig klingenden deutschen Pendant lautet) erweist sich als überraschend humorvolles Melodram, das vor allem dank seiner bissigen Dialoge überzeugen kann. Weiterhin findet sich hier eine hervorragende Besetzung, die von der unvergleichlichen Joan Allen ("Der Eissturm") angeführt wird, der eine hervorragende Darbietung gelingt , durch die sie dem Zuschauer sämtliche Facetten ihres Charakters nahe bringen kann. Kevin Costner ("Mr. Brooks") steht Allen in kaum etwas nach und beweist, dass es keine schlechte Entscheidung ist, sich im "hohen Alter" mehr auf Charakterfilme zu verlegen, denn auf Blockbuster. Klasse auch die Töchter von Terry, welche ausnahmslos mit hochtalentierten, vielversprechenden Jungdarstellerinnen besetzt wurden. So war Evan Rachel Wood "Dreizehn" und bis zum Hals in Schwierigkeiten, Erika Christensen bekam als Drogensüchtige an der Seite ihres Filmvaters Michael Douglas "Traffic- Die Macht des Kartells" zu spüren, Keri Russell war mehrere Staffeln lang "Felicity" und dabei auf der Suche nach Mr. Right und Alicia Witt recherchierte "Düstere Legenden", wobei sie Gefahr lief, selbst zu einer zu werden. Abgerundet wird das Ensemble durch Mike Binder himself, der als Radioproduzent mit einem Faible für junge Frauen eine schön schräge Vorstellung abliefert.
Man kann Binder nicht genug dafür danken, dass er seinen Film zu keinem Zeitpunkt zu einer seichten Schmonzette verkommen lässt. Tatsächlich funktioniert der Spagat aus sarkastischem Witz und Drama mit Tiefgang sehr gut, wobei nur die Handlung manchmal ein wenig überladen erscheint. So geraten Terry und Danny angesichts der Probleme von Terrys Töchtern mitunter schon fast zu sehr ins Hintertreffen. Zumal natürlich versucht wurde, auch jedem der Mädchen gerecht zu werden und ihren Charakter mit Leben zu füllen. Auf der anderen Seite birgt dies den Vorteil, gar nicht erst in vordergründiges Liebesgeplänkel abzudriften, sondern die Liebesgeschichte zwischen Allen und Costner eher beiläufig zu entwickeln. Dieser Faktor und die glaubwürdige Zeichnung der Figuren sorgen dafür, dass die Handlung um Längen lebensnaher und damit auch rührender wirkt, als es bei den meisten Hollywoodprodukten der Fall ist, die sich lediglich darin einen Wettkampf zu liefern scheinen, das Publikum so gefällig wie nur möglich zu bedienen.
Fazit: Wer also gerne Tränen vergießt, egal ob vor Lachen oder vor Rührung, der ist hier bestens aufgehoben. "An deiner Schulter" ist zwar nicht perfekt, dafür trägt der Score bisweilen etwas zu dick auf und die zweite Hälfte ist nicht ganz so stark wie die erste, aber nichtsdestotrotz ein kleines Juwel, das Klischees weitgehend außen vor lässt. Warmherzig und gefühlvoll, ohne dabei allzu sentimental zu sein. Kurzum: sehenswert!
7,5/10 Punkten