Mit „Cruising“ hatte William Friedkin anno 1980 die zweifelhafte Ehre einen der am kontroversesten aufgenommen und teilweise regelrecht gehassten Thriller zu drehen.
Das Thema sind Morde in der Schwulenszene von New York, genauer gesagt der S/M-Schwulenszene. Körperteile schwimmen in Gewässern vor der Stadt, man findet einen Erstochenen in eindeutiger Pose. Nicht zuletzt aufgrund des öffentlichen Drucks sieht sich Captain Edelson (Paul Sorvino) gezwungen zu handeln, doch das Verhältnis zwischen der Szene und der Polizei ist nicht das Beste – nicht zuletzt, da zwei Polizeibeamte öfter Schwule ihres Geldes berauben und zu sexuellen Handlungen zwingen, während deren Kollegen wenig zur Aufklärung der Fälle beitragen. Friedkin zeigt New York als Moloch, in dem die Menschen eher überleben und als leben und kaum miteinander auskommen, man achte auf die dysfunktionalen Paarbeziehungen in dem Film.
Steve Burns (Al Pacino), ein junger Streifenpolizist, soll nun verdeckt ermitteln, sich als Schwuler ausgeben, in einer entsprechenden Gegend wohnen, die Clubs durchsuchen – das titelgebende Cruising bezeichnet die Suche schwuler Männer nach Sex, in Clubs oder Cruising-Zonen beispielsweise im Central Park von New York. Tatsächlich wurde on location gedreht, in echten Schwulenclubs, die Statisten sind Besucher, die dort wirklich Sex und Körperkontakt miteinander haben – das brachte dem Film viel Kritik von den Konservativen ein, die ihn als schmutzig und unmoralisch brandmarkten.
Steve taucht ab in die Szene, lernt die Codes auswendig und ermittelt, während der Mörder erneut zuschlägt. Doch das Undercover-Dasein, das Leben mit zwei verschiedenen Identitäten, die sich zunehmend vermischen, fordert seinen Tribut…
Während Sex und Gewalt in dem Film von vielen verurteilt wurden, kam die harscheste Kritik von Schwulenverbänden, die sich von dem Film verleumdet sahen. Tatsächlich ist „Cruising“ kein einfacher Film, gerade in dieser Hinsicht: Er beschreibt eine Subkultur des schwulen Lebens, deren Mitglieder teilweise ja als Statisten mitmachten, teilweise aber auch gegen den Film protestierten. In einigen Fassungen machte eine vorangestellte Texttafel deutlich, dass dies nur ein Ausschnitt der Gay-Szene ist, wobei „Cruising“ mit der Figur des schwulen Ted Bailey (Don Scardino), mit dem Steve sich anfreundet, eine Alternative zeigt: Ein friedlicher Mann ohne Fetisch-Kleidung, dessen Szenen eigentliche am Tag bei schönem Wetter spielen, während sonst die Nachtszenen dominieren. Noch dazu zeigt „Cruising“ das Gay-Bashing des Polizistenduos als schlimme Sache und lässt Steve an einer Stelle gegen seine Vorgesetzten aufbegehren, er sei nicht eingestiegen um jemanden fertigzumachen, nur weil der schwul sei. Auf der anderen Seite besitzt „Cruising“ auch seine problematischen Seiten, denn die S/M-Subkultur kommt einem allgegenwärtig vor, die Verbindung von Sex und Schmerz scheint ein fruchtbarer Boden für mörderische Triebe zu sein. Gerade das Ende bietet eine problematische Lesart an. *SPOILER* Durch seine Ermittlungen in der Szene ist Steve selbst zum Mörder geworden, hat seinen Kumpel in dem Milieu umgebracht, auch wenn dieser Mord nicht aufgeklärt wird. *SPOILER ENDE*
Was „Cruising“ nicht einfacher macht, weder von ideologischer Seite noch aus Handlungssicht, ist die Tatsache, dass Friedkin seinen Film komplett uneindeutig gestaltet, was den Täter/die Täter und seine/ihre Motive angeht. Friedkin verwendete verschiedene Darsteller für Mörder und Opfer, die von Mordszene zu Mordszene teilweise sogar die Rollen tauschen, stellenweise von einem weiteren Schauspieler synchronisiert werden, sodass am Ende keine klare Auflösung möglich ist. 40 Minuten vor dem Kinostart herausgeschnittenen Materials sollten laut Friedkin sollten dies gleichzeitig eindeutiger und mysteriöser darstellen. Das Problem ist jedoch das, dass Friedkin zwar eine Verunsicherung des Zuschauers erreicht, aber gleichzeitig einen unbefriedigenden Schluss kreiert: Für einen Kunstfilm oder ein surreales Werk ist „Cruising“ dann doch zu bodenständig dem Copthriller verhaftet und von einem solchen erwartet man am Ende doch eine nachvollziehbare (Teil-)Auflösung, während hier zwar jemand gestellt wird, der Film aber offenlässt, ob und welche der Morde er begangen hat, ob noch ein oder mehrere Mörder frei herumlaufen.
So bleibt „Cruising“ dann ein atmosphärisch dichtes Porträt einer Neon-Halbwelt, die deutlich überzeichnet ist, auch wenn Friedkin viel selbst recherchierte oder von den Setberatern wissen wollte, ob dies oder jenes auch möglich wäre. Doch wenn etwa bei dem Verhör eines schwulen Verdächtigen urplötzlich ein nur mit Unterbuchse und Cowboyhut bekleideter, massiger Schwarzer das Zimmer betritt und den Verdächtigen ohrfeigt, dann hat das schon absurde Züge, von den teilweise surreal gestalteten Szenen in den Nachtclubs ganz zu schweigen. Hier spielt Friedkin sein inszenatorisches Geschick auch voll aus, während in die Krimihandlung dann deutlich weniger zu interessieren scheint.
Al Pacino präsentiert sich hier vielleicht nicht in Top-, aber definitiv in guter Form als anfangs naiver Cop, der in eine fremde Welt vordringt und von ihr geprägt wird – wobei er es, genau wie Drehbuch und Inszenierung, offenlässt, wie ihn das prägt. Paul Sorvino supportet gelungen als Polizeichef, Joe Spinell überzeugt als Streifenbulle, während Richard Cox als Verdächtiger zu punkten weiß. Karen Allen bleibt als Frau inmitten des Männerhaufens blass und sekundär. In Nebenrollen sind die späteren Harter-Mann-Darsteller James Remar (als Lebenspartner Teds) und Powers Boothe (als Verkäufer von farbigen Tüchern, mit denen Szene-Schwule ihre Vorlieben signalisieren) zu sehen, außerdem kann man in weiteren Rollen Ed O’Neill und Mike Starr erblicken.
Ideologisch gesehen ist „Cruising“ ein schwieriger Fall, nicht zuletzt da Friedkins Film oft uneindeutig ist und sowohl Befürworter als auch Gegner schlüssige Argumentation für das Für und Wider konstruieren können. Als Copthriller bleibt das kontroverse Werk aber leider aufgrund seines vernachlässigten Kriminalplots etwas unbefriedigend, auch wenn Friedkin eine stimmig-surreale Neon-Halbwelt heraufbeschwört, in welcher der Film allerdings nur passagenweise verweilt, während er sich an anderer Stelle dann wieder verhältnismäßig down to earth gibt.