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„Wir haben immer Saison!“

Mit der vierzehnten Episode der öffentlich-rechtlichen „Tatort“-Krimireihe trat eine neue Ermittlerfigur auf den Plan: der urbayrische Melchior Veigl („O.K.“, „Meister Eder und sein Pumuckl“), verkörpert vom nicht minder bayrischen Gustl Bayrhammer. Selbstbewusst stieg damit der Bayrische Rundfunk in die Gemeinschaftsproduktion ein. Mit der Inszenierung wurde der österreichische Schauspieler und Regisseur Michael Kehlmann („Der Tod des Handlungsreisenden“) betraut, der zusammen mit Carl Merz auch das Drehbuch verfasste. Es handelt sich um die erste von fünf „Tatort“-Inszenierungen Kehlmanns. Die Erstausstrahlung von „Münchner Kindl“ erfolgte am 9. Januar 1972.

„Das ist kein armes Hascherl!“

Der Münchner Oberinspektor Veigl muss in einem Fall von Kindesentführung ermitteln, die von der aus einer Nervenheilanstalt entflohenen Martha Hobiehler (Marianne Nentwich, „Liebelei“) begangen wurde. Diese ist seit einer Traumatisierung von der fixen Idee besessen, ein Kind zu haben. Ihr erstes Entführungsopfer vor ein paar Jahren hatte das Kidnapping nicht überlebt. Zwar wurde nie eindeutig geklärt, ob Hobiehler unmittelbar für den Tod des Kindes verantwortlich war, doch es muss davon ausgegangen werden, dass für ihr aktuelles Opfer, die kleine Ulrike Benssen (Ulrike Fitzthum), ebenfalls Lebensgefahr besteht. Veigl hat Hobiehler im Verdacht, bis jedoch eine Lösegelderpressung bei Ulrikes Eltern für Verwirrung sorgt – zum einen ist der Erpresser männlich, zum anderen passt dieses Verhalten nicht zu Hobiehler…

„Es lebe die Fünf-Tage-Woche!“

Direkt der Auftakt fällt aus der Reihe: Noch vorm Vorspann berichtet der reale Nachrichtensprecher Werner Veigel über Hobiehlers Flucht, was manch Zuschauerin und Zuschauer zunächst für bare Münze genommen und nicht mit dem „Tatort“ in Verbindung gebracht haben dürften. Veigl wird daraufhin als korpulenter Kauz eingeführt, der seinem Dackel Oswald ebenso Bier zu trinken gibt wie seinem Assistenten, Kriminalobermeister Ludwig Lenz (Helmut Fischer, „Monaco Franze – Der ewige Stenz“). Das hat eher komödiantischen Charakter. Parallel lernt man Hobiehler kennen, die sich mit der erstaunlich desinteressiert wirkenden Ulrike auf der Flucht befindet und ihre Bekannte Frieda Klumpe (Louise Martini, „Deep End“) aufsucht. Diese verdingt sich als Prostituierte und hat in Franz Ziehsl (Walter Kohut, „Supermarkt“) eine unsympathische Mischung aus Freund und Zuhälter am Hals. Dieser versucht, Hobiehler ebenfalls zur Prostitution zu überreden, bereitet mit ihr einen Einbruch im Frisiersalon ihres ehemaligen Arbeitgebers vor und führt diesen auch durch – und wittert schließlich ein paar schnelle Mark mehr, indem er Ulrikes Eltern um Lösegeld erpresst.

Die eigentliche Kindesentführung wird erst in einer Rückblende gezeigt. Die Handlung wird vom ungesunden Dreiecksverhältnis zwischen Hobiehler, Klumpe und Ziehsl dominiert, einem Mann, der Frauen verächtlich behandelt und für seine Zwecke auszunutzen versteht. Von der Polizeiarbeit sieht man wenig; Veigl scheint sich mehr für seinen Dackel zu interessieren, mit dem er sogar in einem Bett schläft. Immerhin sucht er einmal Hobiehlers behandelnden Arzt (Hanns Otto Ball, „Rivalen“) auf. Der Fall – einer der wenigen ohne Toten – dümpelt vor sich hin und bleibt ungelöst bzw. löst sich in Wohlgefallen auf, die Polizei ist lediglich Staffage. Veigl hat zwar den richtigen Riecher, bekommt aber nichts so recht auf die Reihe.

Das ist alles ein bisschen arg dünn und unentschlossen für einen Krimi, der mitunter den Anschein erweckt, als eine Art Sozialdrama geplant gewesen und schließlich zugunsten der Etablierung eines neuen „Tatort“-Zweigs umgeschrieben worden zu sein. Immerhin ist er hübsch mit einer recht beweglichen, dynamischen Kamera gefilmt worden. Mitunter wird viel Dialekt gesprochen, der nördlich des Weißwurstäquators zu Verständnisproblemen führen könnte. Göttlich hingegen Helmut Fischers gequälter Gesichtsausdruck, den man anschließend noch in vielen weiteren Veigl-Episoden bewundern durfte.

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