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Ein wahrhaft "Grimm"iges Märchen, daß uns Regisseur Michael Cohn da auftischt und obwohl es sicherlich diskutabel ist, ob diese Version sich enger an die Vorlage der Gebrüder Grimm hält, als alle früheren Fassungen, so ist es doch die erwachsenste, grausamste und härteste Version.

Cohns Fassung ist dabei von bemerkenswerter Konsequenz, wenn es um die Modernisierung des alten Märchens geht. Er behält dabei sämtliche Elemente, die man schon von Kindesbeinen an kennt, bei, beleuchtet sie jedoch in einem ganz neuen Licht.

So sind denn die sieben Zwerge auch lediglich sieben Gesetzlose (wobei ein oder zwei davon zwergenwüchsig sind), die sich ihr eigenes Bergwerk aufgemacht haben, schmutzige und wenig freundliche Gesellen aus einem monarchiefeindlichen Proletariat.
Besondere Aufmerksamkeit verdient auch der sogenannte Zauberspiegel, der hier kein frisch-fröhliches Eigenleben im Dienste aufgezwungener Treue führt, sondern das böse Ich, das dunkle Gewissen der Lady Claudia beherbergt, die schwarzmagische Seele, die sie zunächst zu überwinden trachtet. Doch da ihr das Pech auf den Fersen klebt, wendet sie sich der dunklen Seite wieder zu, die sie zu all den Schandtaten treibt.

Wesentlich mehr als in der Vorlage wird hier mit den Einflüssen schwarzer Magie gearbeitet, wenn Claudia einige der Gesetzlosen mit Elementarkräften ermordet oder das gesamte Schloßpersonal vergiftet, doch machen sich diese Erweiterungen gut im erwachsenen Kontext. Die Sequenz mit dem vergifteten Apfel ist jedoch geblieben, wie sie war.

Wenn also schon an der Schraube gedreht wird, dann soll nicht unerwähnt bleiben, daß auch beim Härtegrad ordentlich zugelegt wurde. Schon die Startsequenz, in der Neill seiner sterbenden Frau das ungeborene Kind aus dem Leib schneidet und Blutlachen den Schnee rot färben, gibt die Richtung vor, in die der Film steuert. Und es bleibt bei düsteren Bildern der härteren Machart: eine Zofe kommt ums Leben, ein herausgeschnittenes (Schweine-)Herz wird an den Ehegatten verfüttert, das Böse wohnt im Spiegel und treibt zu grauenhaften Verwandlungsszenen und Mordanschlägen auf die junge Lilliana, bei der einige der sieben Gefährten von Erde begraben oder von Bäumen erschlagen werden.
Auch mit Blut wird nicht gegeizt, wobei der Showdown im menschenleeren Schloß mit der mordlustigen Stiefmutter Horror pur ist und sich in relativ brutalen Szenen erschöpft.

Trotzdem weisen die Effekte keine selbstzweckhaften Züge auf, sondern stehen optisch im Kontext zu den psychologischen Entwicklungen, die dem Märchen zu eigen sind, die Frauwerdung der Prinzessin, die Befreiung vom bösen Elternteil, die zerstörerischen Kräfte von Egoismus und Eigenliebe.

Dabei gibt Sigourney Weaver eine nuancierte Darstellung als die vom Dunkel wieder angezogene Stiefmutter Claudia, die zusammen mit der titelgebenden Prinzessin Lilliana die miteinander um die Liebe des Fürsten konkurrierenden Frauenfiguren ausmachen.

Überhaupt ist das ein deutlicher "Frauenfilm". Neill als Fürst steht den Entwicklungen ahnungslos gegenüber, Claudias Bruder und Gehilfe Gustav ist ein Gefangener seiner Zwänge und Triebe, der geliebte Doktor wird auf die falsche Fährte verführt, die Gefährten sind entstellt, bisweilen sexuell agressiv (Vergewaltigungsmotiv) und selbst der neue Love Interest Will ist spröde, ruppig und sperrig bis zuletzt. So gesehen ist es da nur logisch, das es die Frauen letztendlich unter sich ausmachen, wer die Frau des Hauses ist.

Für Psychologiefans gibt's also viel zu entdecken, für Genrefreaks wird hier ein ganzes Panoptikum superdüsterer Märchenbilder abgespult, daß erfreulicherweise im Gegensatz zur heute gängigen Mode, hundertprozentig humorfrei präsentiert wird. Kleine Kinder bekommt man mit dem Ding garantiert ins Bett, ob sie da jedoch zur Ruhe kommen, sei noch mal dahingestellt.
Also ihr Gebrüder Grimm, was habt ihr noch anzubieten in eurem Hausmärchenfundus? Da wird doch noch ein guter Schocker draus zu machen sein... (7/10)

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