Nach dem Remake das Original – sicherlich nicht die gelungenste Reihenfolge, um die Qualität einer Reihe abzuschätzen, aber letztendlich geht es so auch.
Während ich sonst den asiatischen Filmmarkt aus westlichen Qualitäts- und Geschmacksgesichtspunkten immer mit Vorsicht gegenüberstehe, kann „Ringu“ doch überzeugen. Vor allem, wenn man sich die Kenntnis des US-Remake mal aus dem Kopf schlägt, was gar nicht so einfach ist, denn in punkto Style haben ausnahmsweise die Amis mal die Nase vorn.
„Ringu“ kann in seinen besten Szenen tatsächlich gruseln oder Angst machen, vor allem weil die teilweise dissonante Tonspur einem Schauer über den Rücken jagt. Der Film verzichtet auf Erklärungen, obwohl er die Spurensuche durchaus zum Thema macht, sondern präsentiert lieber düstee Bilder einer karg-unemotionalen und steifen Gesellschaft.
Zwar ist die Hauptperson eine Frau, doch ergeht sich der Film dann doch in der Präsentation klassisch asiatischen Rollenverhaltens, nachdem die Frau schüchtern im Hintergrund steht, während der (ernst-mürrische) Mann es ist, von dem alle Aktionen ausgehen. Das kann man jetzt als Gesellschaftskritik verstehen (vor allem, wenn man bedenkt, wer überlebt und wer nicht), muß man aber nicht.
Leider versäumt es der Film, außer bizarren Andeutungen (der Kobold-Spruch, die Gestalt mit dem Tuch vor dem Gesicht) irgendetwas Handfestes mitzuliefern, sondern beschränkt sich darauf, den Zuschauer zu verstören, zu verunsichern und so zu ängstigen. Auch die Fortschritte der beiden Protagonisten basieren zumeist auf Flashbacks und anderen plötzlichen Eingebungen, die nicht weiter erklärt werden, sondern der supernatürlichen Natur der Sache untergeordnet sind. Was an Infos dann doch mitgeliefert wird, erscheint wie widerwillig hingeworfen und bringt den Zuschauer relativ wenig weiter.
Der Vorwurf, das Original sei jedoch düsterer als das Remake kann nicht entsprochen werden. Die entscheidenden Szenen geschehen ebenso bei Tag und sind im Kontext (die graue, verhangene, regnerische Allgegenwart der Hoffnungslosigkeit) sowohl in Original wie auch im Remake vorhanden. In „Ringu“ scheint sogar noch öfter die Sonne, das allerdings auch nur in Bezug auf das Wetter, denn einen weniger fröhlichen Film, der keine Tragödie ist, kann man sich kaum vorstellen.
Zieht man doch einen Vergleich mit dem Remake (man kommt ja nicht drumrum), so bedient dieses mehr den Wunsch nach bruchloser Atmosphäre, liefert durch ein wesentlich umfänglicheres Video mehr Rätselspiel, kann aber bei Kenntnis des Originals der Überfrachtung angeklagt werden, da die Nebenhandlung rund um den medial begabten Sohn hier einer normalen Mutter-Kind-Beziehung weicht.
Was an Ringu verbesserungsfähig wäre, ist sein langsamer und schwerfälliger Aufbau und seine uneinheitliche dramatische Konstruktion, wo auf terrorähnliche Ausfälle immer wieder extremer Leerlauf folgt. Auch die Darsteller erweisen sich nicht gerade als Meister der Mimik, wobei nie geklärt wird, wie so ein Mäuschen von Frau Journalistin geworden ist und warum ihr Begleiter stets so schlechtgelaunt ist (und sie wie Dreck behandeln darf).
Das völlige Fehlen einer Motivation (die Erklärung, der Zorn Sadakos würde die ganze Welt zerstören wollen, wirkt recht aufgesetzt und bar jeder Motivation) ist zwar kein dringender Vorwurf, dient jedoch beim Remake der Zugänglichkeit.
„Ringu“ ist, betrachtet man den vielen hohlen Quatsch, der im Genre aus Asien herüberschwappt, ein qualitativ hochwertiges Stück Grauen auf Film, jedoch nicht unanfechtbar, wie die Mundpropaganda den Unwissenden weißmachen will. Dennoch kann nicht bestritten werden, daß die Amis die Stärken komplett übernommen haben und dann lediglich Ergänzung zufügten, wo ausnahmsweise mal berechtigt welche sein dürfen. (8/10)