Dem Japaner Kazuaki Kiriya ist mit CASSHERN, der ausgezeichnet getimten Neuinterpretation einer Anime-Serie aus den Siebzigern, ein einzigartiges Meisterwerk gelungen. CASSHERN ist ein CGI-Opus, der vom Verfahren her (und partiell auch der Aesthetik) heftig mit SKY CAPTAIN AND THE WORLD OF TOMORROW konkurieren würde, hätte er den nicht längst schon unter allen anderen Aspekten weit abgehängt. Auch in CASSHERN sind die Real-Schauspieler, wenigstens in den Dialog-Szenen, das einzige Element, das nicht im Rechner entstand. Bilder, die man einem „Attack of the Clones“ noch gerne als einen seiner vielen Makel und nicht zuletzt als Metaphern für seine Eindimensionalität nachsagen darf, sind hier schlichtweg atemberaubende Kreationen zwischen Fritz Lang, HR Giger und japanischer Anime-Kunst (einer neuen Generation), die in ihrer überwältigenden Intensität das bebende Pathos dieser Inszenierung noch zusätzlich heben.
CASSHERN beginnt mit einem Experiment, von dem sich die sieche Generalität eines fernöstlichen Militärbundes ein prolongiertes Leben und – selbstredend – anhaltende Macht und Kontrolle erhofft. Durch eine neue Technik sollen Humanzellen mit denen Genen einer lange ausgerotteten Rasse behandelt werden, ein Vorhaben, das die selbstständige und stete Regeneration menschlichen Gewebes ermöglichen soll. Durch die Einmischung einer unerklärten Autorität, die auf jeden Fall noch höher sitzt als die greise Junta, zeitigt das Experiment dann plötzliche und unerwartete Erfolge: die Torsos, Köpfe und Extremitäten massenhaft eingelegter Versuchskörper wachsen zu neuen, humanoiden Lebewesen zusammen. Das Militär deutet dies einen freak accident und schlachtet die just ins Leben Zurückgekehrten erneut barbarisch ab. Eine Handvoll dieser zusammengeflickten, sich fortan Neo-Sapiens nennenden Übermenschen, gelingt jedoch die Flucht in die Verbotene Zone, in der sie in einer mit wagnereskem Pomp sakral erfüllten Erlösungsszene die Hinterlassenschaften einer antiken Zivilisation offenbart bekommen, die ihnen zur Basis für ihre eigene Kriegsmaschinerie werden wird. Bald führen sie in unversöhnlichem Hass eine gigantische Armee furcheinflößender Roboter gegen die Menschheit zu Felde.
So die fantastische Rechtfertigung einer unsere visuellen Erfahrungen umkrempelnden Parabel auf das Klima des Misstrauen und Hasses, den – nach u.a. Georg Seeßlen – sich selbst führenden Krieg, der sich sein Öl durch wechselseitig immer wieder neu geschürte Feindbilder beschafft, Menschen schon lange tötet, entmenschlicht, bevor ihnen immer perfidere Waffensysteme endgültig und unter allgemeinem Applaus den Gar aus machen. Jedes noch so fiese Menschmonster in CASSHERN – so machen es die rührenden, vorgeblichen Privat-Aufnahmen nach dem unglaublichen, apokalyptischen, von aktuellen, dokumentarischen Kriegsbildern zerschnittenen Showdown mehr als deutlich – hat seine Erinnerungen an ein besseres Leben und darob sein ganz persönliches, gerechtfertigtes Motiv auf Rache in einer seelenlosen Welt, die ihm das alles genommen hat. Jeder einzelne. Leid, das man nicht gegeneinander abwägen kann, das man nicht vergessen, aber – die einzige Option, die die Protagonisten in CASSHERN verstreichen lassen – vergeben lernen muss. Jenseits von sich in subjektiven oder teil-kollektiven Kriegstraumata suhlenden Epen, ist der Science-Fiction-Meilenstein CASSHERN der auf jeden Fall ungewöhnlichste, wenn nicht vielleicht sogar – sich so weit aus dem Fenster zu lehnen, bedeutet zwar einen fast sicheren Fall (aber immerhin hat man bis dahin mehr als andere gesehen) - der beste Anti-Kriegs-Film aller Zeiten.