Das Geschichtsbuch der Familiendynastie Scott hat sicher einige Einträge vorzuweisen. Nicht ganz unschuldig daran sind die beiden Sprosse Ridley und Tony, die sich in Hollywood mit ihren Filmen eine goldene Nase verdienen. Dabei könnte der Unterschied zwischen den beiden nicht größer sein. Während sich der große Bruder Ridley den schweren, monumentalen Filmstoffen (Gladiator, Königreich der Himmel) verschrieben hat, setzt Klein-Tony auf explosive, harte Actionkost (Last Boy Scout, True Romance). Sein letztes vervollständigtes Werk heißt „Man on Fire“ und ist ein Remake des gleichnamigen Thrillers von 1987 mit Scott Glenn. Nur: Ist es ein gutes?
Säufer sind die besten Kämpfer
Mexiko ist ein hartes, raues Pflaster. Entführungen von Kindern reicher Eltern sind dort an der Tagesordnung. Die Entführer wollen nur eines: jede Menge Geld. Wird dies bezahlt, sind die Geiseln nach wenigen Tagen wieder frei. Kaum eine der wohlhabenden Familien hat deshalb noch keinen Bodyguard. John W. Creasy (Denzel Washington) war mehr als 10 Jahre als Elitesoldat in Einsätzen auf der ganzen Welt aktiv. Nun ist er zurück und ein depressives, alkoholsüchtiges, suizidgefährdetes Wrack. Um sich über Wasser zu halten, nimmt er deshalb den Job als Bodyguard für die kleine Lupita (kurz: Pita) Ramos (Dakota Fanning) an. Zu Anfang widmet er sich dem Posten eher widerwillig und geht nach dem Motto: „Die Leistung entspricht der Bezahlung“. Doch die kleine Pita will unbedingt Freundschaft mit dem ungelenken Ex-Soldat schließen, was dieser jedoch zunächst mit recht schroffem Verhalten abzuweisen versucht. Da sein Schutzobjekt allerdings die reine Unschuld in Person ist, dauert es nicht lange und er hilft ihr bei den Schulaufgaben und beim Schwimmtraining. Doch dann wird Pita nach dem Klavierunterricht entführt und Creasy wird schwer verwundet. Im Zuge der „Verhandlungen“ läuft eigentlich alles relativ normal, die Übergabe wird geplant, doch dann geht etwas schief und der Entführer tötet Pita. Da brennen bei Creasy alle Sicherungen durch und er beginnt einen gnadenlosen Rachefeldzug, um an die Hintermänner des Verbrechens zu kommen und entdeckt eine Verschwörung…
Rachestories sind scheinbar wieder salonfähig
Nach dem sehr guten The Punisher versucht sich auch Tony Scott mit Man on Fire an einem revenge plot. Das Gezeigte hat allerdings sichtbare Schwächen. Binnen weniger Tage taut der kaputte Creasy vom gefühlskalten Eisklotz auf zum warmen, herzlichen Vaterersatz auf. Ziemlich oberflächlich. Denzel Washington spielt hier irgendwie merkwürdig. Richtig in ihn hineinversetzen konnte ich mich während der gesamten Dauer des Filmes nie. Dafür erfährt man aber auch einfach zu wenig über seine Figur. Seine Charakteristika scheinen schablonenhaft zusammengesteckt worden zu sein. Das kann man von Pita nicht behaupten. Dakota Fanning spielt sie lebhaft und sympathisch. Erstaunlich für eine derart junge Aktrice. Die restliche Schauspielerriege spielt routiniert und bleibt dabei eher unauffällig. Dass bei einer zünftigen Selbstjustizgeschichte auch die Action nicht zu kurz kommen darf, sollte klar sein. Auch „Man on Fire“ hat solche zu bieten, wobei das Gebotene einen nicht wirklich vom Hocker reißt. Klar, da geht mal ein Auto in die Luft, eine Disco explodiert oder ein kleineres Shootout ist zu beobachten, aber das ist alles doch recht sekundär, wenn die Story einen nicht hundertprozentig fesselt. Der Härtegrad ist für eine FSK-16 schon erstaunlich hoch, wenn man bedenkt, dass "The Punisher" wegen vergleichbarer Sachen indiziert wurde. Kameratechnisch verwendet Scott wie immer viele Stilmittel wie Verwischung, extreme Gelbfärbung oder Zoom. Das sieht alles recht hübsch aus und gibt keinen Anlass zur Kritik. Die ganze Atmosphäre wirkt leider arg gedrängt und unnatürlich verkrampft. Ein paar auflockernde Sprüche hätten hier vielleicht positive Auswirkungen haben können.
Die glorreichen 90er
Tony Scotts frühere Filme wie Last Boy Scout oder True Romance gehören in jede gute Actionsammlung. „Man on Fire“ allerdings nur bedingt, denn hier geizt der Actionregisseur mit seinem Können. Charakterzeichnung und Actionszenen bleiben blass und wirken uninspiriert. Wollen wir hoffen, dass sein aktuelles Vehikel „Domino“ Tony Scott wieder zu positiveren Kritiken verhelfen wird, denn sonst wird er wohl nie aus dem Schatten seines „Gladiator“-Bruders treten können.
Dialohighlight: „Weißt du, was ich mir für Dich wünsche? Mehr Zeit!“
6 von 10 Jack Daniel`s Flaschen