Review
von Cineast18
Nach dem Erfolg der warmherzigen Tragikomödie „Elling" erzählt die Fortsetzung „Elling - Nicht ohne meine Mutter" die Vorgeschichte des skurrilen Einzelgängers, der zu extremen Neurosen und einer starken Mutterbindung neigt. Kurz vor ihrem Tod überredet seine Mutter ihn zu einer Pauschalreise nach Mallorca - was mit einem dermaßen sozial problematischen Söhnchen natürlich ebenso abenteuerlich wie anstrengend wird.
Stilistisch ganz am Vorgänger orientiert, erzählt auch „Elling - Nicht ohne meine Mutter" eine so verschrobene wie gefühlvolle Geschichte über einen Menschen, dem seine täglichen Rituale und verdrehten Ansichten wichtiger sind als mitmenschliche Interaktion. Das kann unglaublich anstrengend sein - vor allem Ellings Ausraster, wenn ihm etwas nicht passt, wirken hier krasser und radikaler als noch im ersten Teil, was ihn zu einer nicht mehr ganz so rundum sympathischen Figur macht - bleibt aber jederzeit menschlich und vielschichtig. Mit enorm viel Einfühlungsvermögen zeigt der Film auf, wie man mit Menschen wie Elling umgehen kann, welche Hürden sie im täglichen Umgang zu bewältigen haben und wie schwer es für alle Beteiligten sein kann, mit solch schwierigem Verhalten klarzukommen.
Zentraler Pluspunkt ist dabei wieder der Hauptdarsteller Per Christian Ellefsen, der seine Figur so unglaublich überzeugend und authentisch verkörpert, dass man nicht eine Sekunde an seinen Charaktereigenschaften zweifelt. Ausgefeilte Mimik und Gestik bis in die kleinsten Szenen hinein machen ihn zu einem rundum überzeugenden Hauptcharakter, der mit seinen Ausrastern ebenso nerven wie in stillen Momenten mit seiner hilflosen Verletzlichkeit berühren kann. Auch der restliche Cast spielt glaubhaft und lebensnah, doch werden hier im Gegensatz zum ersten Teil, wo Elling mit der Figur des Kjell-Bjarne eine ebenso exzentrische Figur entgegen gestellt wurde, alle Co-Darsteller problemlos von Ellefsen an die Wand gespielt.
Auch die Vorgeschichte überzeugt daneben mit einem gelungenen Mix aus komischen, berührenden und tieftraurigen Szenen, die sich allesamt ganz natürlich aus der charakterlichen Disposition Ellings ergeben. Mit dem Startpunkt des ersten Teils im Hinterkopf schmerzen einen hier allerdings viele Szenen noch intensiver - jede Auseinandersetzung Ellings mit seiner Mutter, alle verletzenden Worte und unangenehmen Situationen, in die er sie bringt, versprühen eine gewisse Tragik und Unumkehrbarkeit. Das Drehbuch gefällt dabei mit einer unaufgeregten Dramaturgie, die Spannungsmomente aus ganz alltäglichen Situationen heraus entwickelt und so alle Szenen überzeugend und realitätsnah ausfallen lässt. Ob die bunte Reiseschar, der ältere Galan, der mit Ellings Mutter flirtet, oder das unglückliche Proll-Pärchen aus dem Nachbarzimmer - sie alle nehmen wichtige und durchgehend glaubhafte Rollen in der Handlungsentwicklung ein.
Formal bleibt das alles so unspektakulär wie der erste Teil: Eine simple Handkamera und ruhige Schnittfrequenz erzeugen eine gediegene Atmosphäre, in der die Darsteller im Zentrum stehen. Der Soundtrack ist zurückhaltend, aber sehr passend eingesetzt und verstärkt so emotionale Momente effektiv. Dadurch wird auch „Elling - Nicht ohne meine Mutter" ein oft skurriler, aber nie absurder Film über psychische Defekte und den richtigen Umgang damit, der seine Charaktere ernst nimmt und neben komischen Momenten ebenso emotional aufwühlende Szenen zu bieten hat. Wer den Vorgänger mochte, wird den zweiten Teil lieben.