Die Filmographie des am 30. Januar 1932 geborenen und am 3. Oktober 2009 verstorbenen italienischen Regisseurs und Drehbuchautors Rino Di Silvestro umfaßt magere acht Filme. Doch darunter finden sich solch ungeheure, familienuntaugliche Kaliber wie Diario Segreto da un Carcere Femminile (Mädchen im Knast), Prostituzione (Die Liebesengel), La Lupa Mannara (Werewolf Woman) und Le Deportate della Sezione Speciale SS (Deported Women of the SS Special Section). Wen wundert es da also, daß sich auch seine vorletzte Regiearbeit Hanna D. - La Ragazza del Vondel Park als ein triefender Schmierlappen von einem Film entpuppt. Offensichtlich "inspiriert" von Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo knallt uns Rino Di Silvestro, versteckt hinter seinem Pseudonym Axel Berger, eine saftige Sleaze-Granate vor den Latz, bei der selbst erfahrene Conoisseure des unterschlagenen Films das eine oder andere Mal hart schlucken sollten. Im Zentrum der unerquicklichen Geschichte steht die sechzehnjährige Holländerin Hanna, gespielt von der damals zwanzigjährigen Französin Ann-Gisel Glass (welche allerdings deutlich jünger aussieht und ihre Sache sehr gut macht), die zu Beginn ihren zarten Körper im Zug für alte Lustmolche entblättert, um die Geldbörse etwas aufzufüllen. Kaum in Amsterdam angekommen, beginnt ihr rasanter Absturz in einen scheinbar ausweglosen Teufelskreis. Ihre Mutter (Karin Schubert) ist ein alkoholkrankes, sich in Selbstmitleid suhlendes Monster, deren Freund spitz auf das süße Töchterchen ist (worauf die liebe Frau Mama entgegnet, Hanna solle ihn halt mal ranlassen), und die ach-so-nette Bekanntschaft namens Miguel (Tony Serrano) will Hanna im Pornogeschäft unterbringen und macht sie heroinabhängig. Tja, bei solchen Freunden, Bekannten und Verwandten braucht man echt keine Feinde mehr. Der einzige, der sie aufrichtig und ohne Hintergedanken liebt, ist ein junger Mann namens Axel (Sebastiano Somma). Doch kann er verhindern, daß Hanna als Junkie-Nutte auf der Straße landet und dort elendig zugrunde geht?
Die obige Plotbeschreibung ist nicht mehr als ein grober roter Faden, denn auf eine stimmige Dramaturgie legt Di Silvestro keinen Wert. Die arme Hanna taumelt von einer unangenehmen Situation in die nächste, oft so schnell, daß man als Zuschauer dem sprunghaften Geschehen etwas ratlos folgt (den Schnitt besorgte übrigens Bruno Mattei). Da ist Hanna eben mal gut drauf und liegt entspannt im Bett, nur um wenige Sekunden später als kotzende Cold-Turkey-Furie herumzutoben, die alles für den nächsten Schuß tun würde (in einer Szene ritzt sie sich aus Verzweiflung sogar das Handgelenk auf, um ihr eigenes Blut zu schlürfen!). Nein, der Inhalt des Streifens ist ausgesprochen häßlich (kaputte Typen, wohin man schaut), doch erstaunlicherweise ist die Verpackung zum Teil eine Augenweide, da Franco Delli Colli an der Kamera richtig gute Arbeit leistete und ihm durch die stylische Szenenausleuchtung einige bemerkenswerte Bilder gelungen sind. Dem in fünf Wochen abgedrehten Hanna D. - La Ragazza del Vondel Park (eine Woche Drehzeit on Location in Amsterdam, vier Wochen in Rom) kann man vieles vorwerfen, und das meiste davon sogar zu Recht. Fakt ist jedoch auch, daß der Film in einigen Szenen eine schonungslose, fast schon dokumentarische Effektivität erreicht, die ihresgleichen sucht. Hannas Reise in die Abgründe der Junkie-Hölle ist kein Ponyhof, sondern brutal, häßlich und sehr schmerzhaft. Spaghetti-Exploitation der unangenehm-ruppigen Art halt.