Als bekannt wurde, dass die Verantwortlichen vom Fantasy Filmfest den Thriller „Open Water“ als Abschlussfilm 2004 präsentieren würden, stieg meine Vorfreude – schließlich wurde der für nur rund 130.000 Dollar produzierte Film zuvor schon als Geheimtipp des „Sundance“-Programms betitelt und als „Blair Witch im Ozean“ gehyped (jenes Projekt um die Hexe von Blair war ja unter ähnlichen Bedingungen entstanden und hatte sich einige Jahre zuvor als große Entdeckung des Festivals entpuppt).
Aus Termingründen war es mir dann aber leider nicht möglich, den Film auf jener Veranstaltung zu sichten – angesichts eines zeitnahen Deutschlandstarts jedoch halb so schlimm, und so fand ich mich einige Wochen später im Cinemaxx meines Vertrauens ein, um das Versäumte endlich nachzuholen … nach den 79 Kinominuten musste ich jedoch zugeben, von meinen Erwartungen her enttäuscht worden zu sein. Hätte ich den Film damals als Abschluss des Festivals gesehen, hätte ich den Saal zudem noch frustrierter verlassen…
Die Geschichte ist so einfach wie effektiv: Das Ehepaar Susan (Blanchard Ryan) und Daniel (Daniel Travis) gönnt sich einen Urlaub in der Karibik, um ihrem im Alltag gestressten Leben eine erholsame Auszeit zu gönnen. Als sie im Rahmen eines Gruppenausflugs zum Tauchen hinaus aufs offene Meer fahren, sind die Zwänge ihrer Berufe angesichts der atemberaubenden Unterwasserwelt für kurze Zeit vergessen – beim Auftauchen (nach dem Auskosten der vollen zur Verfügung stehenden Zeit) werden sie jedoch von der bitteren Realität eingeholt: Das Boot ist verschwunden, obwohl sie sich noch an der richtigen Position befinden (ein unglücklicher Zufall hatte zu einem Zählfehler an Bord geführt, worauf die Gruppe, in Annahme der Vollständigkeit, bereits angesichts einer sich nähernden Schlechtwetterfront zurückgefahren war).
Anfangs glauben sie noch daran, dass der Fehler schnell bemerkt werden würde, doch mit der Zeit, in welcher sie von der Strömung auch immer weiter abgetrieben werden, ändern sich ihre Einstellungen: Anfangs halten sie sich noch mit Scherzen bei Laune, aber nach und nach durchlaufen sie die psychologischen Stufen in Konfrontation mit einer Ausnahmesituation – gegenseitige Schuldzuweisungen, Ablehnung, Missachtung, Wut, Verzweiflung und Resignation.
Ihre ausweglos erscheinende Lage, das hilflose Treiben in der Strömung, wird zusätzlich von dem sich nähernden Sturm und der irgendwann hereinbrechenden Nacht erschwert, doch die wahre Gefahr lauert unterhalb des Wasserspiegels (und damit für sie nur bedingt einsehbar), nämlich in Form von unangenehmen Quallen und vor allem sie immer zahlreicher umkreisenden Haien…
Angeblich beruht „Open Water“ auf tatsächlichen Ereignissen (wahrscheinlich, vor allem in Anbetracht des Endes, auf eher „freier“ Weise), weshalb man sich für eine Inszenierung in Form eines „Home-Videos“ entschieden hat: Auf „Digital Video“ gedreht, erinnern gerade die ersten 20 Minuten (vorm Tauchgang) in Sachen Qualität und Machart an ein von einem einfachen Camcorder aufgenommenes Urlaubsvideo, jedoch aus Sicht einer „dritten Person“ heraus (die Protagonisten filmen sich also nicht gegenseitig).
Hier liegt die Stärke des Films: Alles wirkt echt. Es gibt keine künstliche Beleuchtung, keine Kameraspielchen, keine Special Effects. Wenn es Nacht wird, ist es halt dunkel – da bleibt der Bildschirm auch mal für einige Zeit komplett schwarz, bis ein Blitz die Szenerie erleuchtet. Vor allem aber sind die Haie echt – nicht in einem Aquarium aufgenommen, sondern direkt im Meer, in greifbarer Nähe von Cast & Crew. Das alles, in Verbindung mit weiteren realistischen Elementen, wie das Übergeben oder Urinieren ins Wasser, verleihen dem Thriller jene beängstigend realistische Note, welche die Konfrontation der Protagonisten mit den elementarsten menschlichen Urängsten (Aussetzung, Handlungsunfähigkeit, nicht zu wissen, was unter einem im Wasser schwimmt…) umso beklemmender gestaltet.
Die beiden Hauptdarsteller machen ihre Sache gut – sie spielen glaubwürdig und eindringlich. Regisseur Chris Kentis konzentriert sich bei seiner Inszenierung auf Realismus, nicht auf den reißerischen Effekt. Nach dem ersten Einstiegsdrittel beginnt mit dem Tauchgang das Psychodrama, das sich mit dem Auftauchen der unangenehmen Meeresbewohner immer weiter zum Thriller wandelt. Wenn das Wasser in der Nähe von Susan und Daniel in unregelmäßigen Abständen immer wieder von Flossen durchpflügt wird, wird die Spannungsschraube automatisch angezogen. Die intensivsten Momente bietet der Film, wenn die Kamera ihren Blick auf das Paar genau auf Höhe des Meeresspiegels richtet – wenn eine Hälfte des Bildschirms die Wasseroberfläche zeigt, die andere den Bereich darunter, und für Bruchteile einer Sekunde ein Hai durchs Bild schwimmt…
Trotz dieser guten Elemente konnte mich der Film letztendlich aber nicht wirklich überzeugen, denn obwohl er dem „Blair Witch“-Schema folgt, kann er nicht vollständig fesseln. Sicherlich hat das mit dem Realismus der Sache zutun (es gibt keine Rätsel oder Flüche wie in dem anderen Film), doch die psychologische Wucht ist in diesem Fall nie so hoch, wie man sie gerne hätte (Taucher mögen mir hier vielleicht widersprechen). Eigentlich werden nur die bekannten psychologischen Verhaltensstufen abgehakt, weshalb das ebenfalls nur bedingten Wert besitzt.
Ein Problem ist auch, dass der erste Akt einfach nicht konsequent genutzt wurde – die Figuren bleiben trotz der Einführung blass, sie wachsen einem wegen fehlender Sympathie nicht wirklich ans Herz, weshalb man schlussendlich nicht ganz so stark mit ihnen mitfiebert und -leidet. Wegen der kurzen Laufzeit (die so gekonnt Langeweile umschifft) wirken die finalen Entscheidungen des Films nicht ganz so schlüssig, wie wenn man als Zuschauer stärker und länger involviert gewesen wäre.
Ich weiß, dass es dem Konzept des Films widerspricht, doch um größeren Terror zu erzielen, hätte man hier zu etwas reißerischeren Inszenierungsmethoden greifen müssen – so bleibt Regisseur Kentis zwar seinem Credo treu, verspielt aber ein gewisses Maß an Potential, welches er auf diese Art und Weise leider nicht ausschöpfen konnte.
Fazit: „Open Water“ ist ein Thriller, der für seine Inszenierungs- und Entstehungsweise sicher Respekt verdient, letztendlich aber aufgrund von unausgereizten Möglichkeiten in den Bereichen Spannungserzeugung und psychologischer Wucht an Qualität einbüßt … daher nur 5 von 10.