Review

Bei all den knappen Budgets heutzutage gelten TV-Filme ja fast schon aus dem Stand als "beschädigte Ware", die es nie bis ins Kino schaffen würde - darum bietet sich mit "Disappearance" eine erfrischende Alternative auf dem Mysterysektor an.
Der 2002 erstellte Film glänzt zwar auch nur mit TV-Größen wie Harry Hamlin und Susan Dey (die hier erstmals seit ihrer gemeinsamen Erfolgsserie "L.A. Law" wieder gemeinsam drehten), hat aber die klassische Frische einer verstörenden Twilight-Zone-Story, die den Zuschauer immer fröhlich am ausgestreckten Arm darben läßt. Bis er verhungert. Aber dazu später.

Solides Material, bekannte Versatzstücke, flott angeordnet, so gehts: man nehme eine fünfköpfige "Familie" auf dem Weg durch ein Wüstengebiet. Dad, Stiefmutti, zwei Teenager und des Bruders bester Kumpel, doch der Erstgeborene mag sich unbedingt noch eine abgelegene und verlassene Bergarbeiterstadt anschauen. Wenn bei der Entscheidung, ob man dorthin soll, auch noch Rat an der "Last Chance Gas Station" einholt (an der natürlich KEINER je von der Stadt gehört hat), sollte man eigentlich Bleifuß machen, aber dann hätten wir ja keinen Film.
Das Örtchen "Weaver" ist dann auch eine wunderbar marode Filmkulisse, wo seit 1948 die Zeit stehengeblieben ist. Letzteres gilt leider auch für das Auto (aha!), das zu einem ungewollten Nachtaufenthalt zwingt, wo man dann mittels einer gefundenen Videokamera feststellt, daß hier einer ähnlichen Gruppe gar Fürchterliches zugestoßen ist. Nacht huscht dann auch ein Unbekannter mittels POV-Shot durch den Saloon, klaut Taschenlampen und Decken - und wie sich morgens herausstellt, auch gleich noch den Wagen.
So langsam wirds also mulmig, in einem Zimmer hängt ein großes Stück Haut mit einem seltsamen Symbol an der Wand, die Wanderung zurück zur Tanke bringt das Wanderduo (Dad plus Kumpel) nur zu einem angeblichen Ground Zero einer Neutronenbombe (soso...) und dann ist der Teenager auch schon plötzlich flöten gegangen. Und Mutti stellt auf der Suche nach einem staubfreien Lokus fest, daß die Stadt ziemlich viele Minenschächte unter der brüchigen Oberfläche hat, in denen es derbe umgeht.

Mehr wird nicht verraten, aber Walter Klenhard, wahrlich kein bekannter Künstler und hier Regisseur und Autor in Personalunion, kriegt es geschickt hin, der typischen Vorausberechnung, was hier vor sich geht, eine lange Nase zu drehen.
Was erst wie die alte Chose mit dem Killer in der Minenstadt ausschaut, mutiert dann in die Richtung "Hills have Eyes", um ein wenig später irgendwo zwischen Aliens, Body Snatchers und dämonischer Besessenheit zu pendeln.
Hier kriegt man eben nicht ständig das, was zu erwarten wäre und immer wenn man sich für eine Theorie endlich erwärmt hat, wird der Spieß wieder umgedreht. Dabei hackt Klenhard nicht nur auf einem Handlungsort rum (was ein typischer Plot wäre: der Ort, den man nicht mehr verlassen kann), sondern bringt neue Wendungen ins Spiel und sorgt mit seiner fünfköpfigen Familiencrew auch dafür, das es nicht zu nervig wird. Die Teens sind ganz patent, die Jüngste hat mit ihrer Starteinschätzung, daß sie mit Eintreffen in der Stadt derbst am Allerwertesten sind, übrigens den richtigen Riecher und nur das eher softe Zusammenspiel von Mom und Dad, die ein bißchen zu weich und im entscheidenden Moment nicht so ganz nachdrücklich sind, trübt den Gesamteindruck leicht.

Was natürlich (auch in der imdb nachzulesen) abgeht wie ein Zäpfchen ist das feuchtfröhliche Mysteryende, bei dem man bis zur letzten Sekunde auf eine schlüssige Erklärung zulechzt, die aber frechfett nicht kommen will. Stattdessen bleibt man als Zuschauer mit mehreren Theorieansätzen daheim, die alle zutreffen könnten oder eben nicht, das ändert jedoch nichts daran, daß der Film zwar relativ bieder (aber nicht unspektakulär), aber dennoch schön fies und gemein wirkt, was sich mit jeder Filmminute durch Unbehagen sichtlich steigert.
Natürlich wird kein kreatives Feuerwerk abgefackelt, aber so wie "Disappearance" geraten ist, ist er einer dieser Filme geworden, die Dutzende von Leute mal ganz oder teilweise im Nachtprogramm gesehen haben, folgerichtig nicht verstanden, um dann nach erfolgreichem Vergessen des Titels noch jahrelang an der Schlußpointe herumzukauen und dann im Internet nach Titel und Theorien zu jagen.
Sollte man also fähig sein, einen Film zu genießen, der einem die Lösung eben nicht auf dem Silbertablett serviert (was wie die imdb-Kommentare beweisen, nicht ganz einfach ist), dann kann man hier 90 Minuten Spaß haben, der erzählerisch irgendwie nach den 70ern riecht, aber sonst schön nebliges Mystery ist, das zwischen Thriller, Horror und SF changiert, ohne sich zu entscheiden. Watch your TV-Guide! (7,5/10)

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