Review

Der Film geht zwar schnell los, aber braucht trotzdem lange, bis er richtig in den Gang kommt.
Sehr viel ist Vorgeschichte. Fast als würde man ein Prequel zeichnen. Der Prolog nimmt beinahe ein Fünftel ein. Die dort gestellten Weichen bräuchte es nicht; viele andere Filme fassen die Ursache weitaus knapper zusammen oder erwähnen sie gar nur in einigen Sätzen.
Es geht nämlich um die Rache; Grundmotiv einer Vielzahl von Subgenres und mit der einleuchtendste Antrieb von Verhaltensweisen. Wenn dazu noch die Liebe hinzukommt – die fast unweigerlich in einer ihrer Formen vorhanden ist – dann muss man nicht erst Laufzeit darauf verschwenden, die Vorgänge detailliert zu bebildern. Man kann es der Phantasie überlassen und sich anderen Dingen widmen. Thunderbolt Fist tut das nicht, sondern erläutert Bekanntes noch einmal und wird dadurch nicht nur herauszögernd, sondern auch zu einer simpel kollationierten Bild – zu – Bild Schablone von gängigen Themen. Adaptionen von Robin Hood – König der Vagabunden vermischt sich mit Django und dem One Armed Boxer; sicherlich koscher gefilmt, aber überraschungsarm und erzählerisch tempolos.

Selbst die Figuren stellen oft die Frage, wann es denn endlich losgeht. Auch sie müssen ausharren, nicht nur Minuten wie der Zuschauer, sondern Jahre. Ein ganzes Jahrzehnt.
Eine Splittergruppe von Chinesen unter Führung von Gin Chi [ Gam Kei Chu ] hat sich aus ihrem Heimatdorf in die Berge zurückgezogen, nachdem die Japaner den Nordosten Chinas infiltriert haben. Ihr plauschiges Heim wurde verwüstet, geplündert und okkupiert. Eine Hälfte hat sich friedlich der Unterdrückung gestellt; die Andere bereitet sich weitab vom Schuss auf eine Revanche vor. Dazu gehört auch Fang Tie Wa [ Chuen Yuen ], der als Kind den Tod seines Vaters mitansehen musste; und Gin Chis Tochter Die Er [ Shih Szu ], die sich langsam in ihren langjährigen Trainingspartner verliebt und mit Ihm auf den richtigen Zeitpunkt zur Vergeltung wartet.

„Damn, I can‘t bear it any longer.“
„How long do we have to wait ?“
„Not too long.“

Da widerspricht man sich selber und fügt anschliessend als Begründung hinzu, dass man schlafende Hunde nicht wecken soll.
Richtig guter Ginseng – das Allheilmittel ist hier bevorzugtes Raubgut der Japaner – erwartet die optimale Wirkung ja auch erst nach zahlreichen Jahren. Je älter die Pflanze, desto besser. Muss reifen. Deswegen steht die Aufarbeitung der Vergangenheit nach ihrem erstmaligen Präsentieren auch mehr im Vordergrund als das aktuelle Problem. Dafür muss Regisseur Cheung Yat Woo – der mit vier Filmen nicht nur relativ wenig, sondern auch strikt Unbekanntes gedreht hat - nach all der Wartezeit immer wieder erneut den Grund für den Hass gegenüber den Japanern einspeisen. Der Ausgangspunkt des Konfliktes liegt ja ewig zurück und man gewöhnt sich an sehr viele Situationen; egal, wie unangenehm man sie zuerst empfunden hat.
[ Ginseng als Adaptonogen ist auch in der Lage, die Anpassungsfähigkeit des Organismus gegenüber inneren und äußeren Störungen zu verbessern. ]
Als man das erste Mal wieder in die sehr beschauliche Stadt einblendet, sieht es dort immer noch ungeheuer gemütlich aus. Gar nicht wie unter eine Glocke von Gewalt, Erpressung und Nötigung.
Tie Was Sandkastenfreundin Feng Niou [ Wong Chin Feng ] hält einen Schnack mit ihrem Ehemann Da Xiong [ Tung Lam ], Tie Was früherem bestem Freund. Sogar die Liebe gedeiht also, man macht sich einen ruhigen Nachmittag im Strassencafe und bewundert die schon sehr anheimelnde Gegend.

Die Stadt liegt an den Bergen, vom Versteck der Guerillas zum eigentlichen Schauplatz sind scheinbar nur wenige Meter, aber dennoch sind die Orte abgetrennt wie Tag und Nacht. Dort haust man in einer mit Stroh ausgelegten Höhle und duelliert sich probeweise im Wald. Hier lebt man in pittoresken Holzbauten, dennoch mit der Natur vereint und sich an die Gegebenheiten der Umwelt angepasst statt sie zu übernehmen. Reich begrünt, weit verzweigte kleine Gassen, ein kleiner Bach, kleine Brücken. Das dort eigentlich der Teufel los ist, bekommt man wie zur vorbeugenden Erinnerung nachgereicht. Plötzlich rennt eben wieder hinten im Bild ein Trupp japanischer Schutzgelderpresser durch die verengten Pfade und raubt in Ermangelung von Barzahlung die Läden aus. Oder man peitscht alte Gefühle an; mit „Weisst du noch ?“ und „Hast du vergessen, dass...“ werden Rückblenden an die Kindheit eingespeist, nach deren unangenehmen Emotionen eben die Faust geballt und / oder auf den Tisch gehauen wird.
Die Geschichte mag nicht einfach bleiben und will die Vorgänge über Umwege hin ausschmücken. Die anfänglichen Gräueltaten und Morde werden in den narrativen Schlenkern aber nicht noch einmal aufgekocht, sondern durch anderweitig besonnenes Kalkül schlichtweg vergessen. Die Leidenschaft wird buddhistisch zum Gegenteil von impulsiv reduziert. Erstlingsautor Li Cho Chien entsagt der Kunst der Anpeitschung und nutzt das eigentlich überschaubare Setting statt für einen schlicht aktionsorientierten Vorgang für die Skizze einer Seifenoper voller Anti-Stress-Effekte.

Am Anfang stehen zwei Versprechen. Tie Was, seinen Vater zu rächen. Und das zwischem ihm und der eben jetzt vergegeben Feng Niou, dass sie aufeinander warten. Er befindet sich folglich zwischen zwei Frauen und wiederum steht auch sein Freund Da Xiong da mittendrin, der nach verteilten falschen Gerüchten hellhörig und misstrauisch wird und seinen vermeintlichen Nebenbuhler rausschmeist. Wie zu Beginn wird das schnelle Ende einfach vermieden, weil die Chinesen untereinander keine Einigung gegenüber der kompakten japanischen Bedrohung finden. Im grösseren Ausmass als dem hier dargestellten Exemplar bedeudet das nichts Anderes, als das Japan 1931 die Mandschurei relativ problemlos besetzen konnte, weil die Chinesen untereinander bereits im Bürgerkrieg um die politische Führung waren.
So wie sie sich hier aufführen, ist es auch kein Wunder, dass die Unterjochung und Versklavung ziemlich fix und auch einfach vonstatten geht; das Schicksal wird ja mehr oder minder hingenommen. Inmitten des Showdowns entblödet man sich nicht, den Kampf gegen die Hitlerbärtchen doch tatsächlich auf den nächsten Tag und einem offiziellen Entscheidungskampf im Ring zu verlegen; wenigstens ist danach – übrigens die zweite Wiederholung dieser Art Abstimmung - auch wirklich Schluss. Gott vergelts.

Die Action kann übrigens Einiges reissen; erstaunlich agil für das frühe Entstehungsjahr verlagert man sich auf flotten Schwertkampf, Judogriffen, Sprüngen schräg durch die Botanik und adretten Schlag- und Trittkombinationen. Das meiste Blut bedeckt zwar den Boden und nicht die Kombattanten selber, aber als Krönung packt man doch tatsächlich noch Gore in die letzten Minuten. So ewig aufgestachelt und hinausgezögert fällt Tie Wa Bäume, reisst gegnerische Arme ab und tritt zum Abschluss Jemanden doch tatsächlich durch den Brustkorb. Immerhin. Dennoch bleibt man filmisch gesehen nur Einer von Vielen und darf deswegen keine Empfehlung erwarten. Dazu hätte es mindestens einer anderen Besetzung bedurft: Chuen Yuen hat seinen Schlafblick ebenso wie Tung Lam die Plautze sicherlich nicht erst bei den unentschlossenen, willenlos wirkenden Routine - Dreharbeiten bekommen.

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