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1957 erregte Sydney Lumets kammerspielartiges Justizdrama große Aufmerksamkeit und avancierte zu einem Klassiker der Filmgeschichte. Nicht unverdient, sorgten doch die großartigen Darsteller (allen voran Henry Fonda) und ein intelligentes, perfekt konstruiertes Skript für schieren Nervenkitzel, der sich lediglich über seine packenden Wortgefechte und die gegensätzlichen Charaktere definierte. Das Ergebnis war ein ausgesprochen gelungener Film. Warum also 40 Jahre später ein Remake davon drehen? War das Original denn nicht immer noch zeitlos? Und musste dann ausgerechnet William Friedkin als Regisseur engagiert werden? Der Mann, der zwar mit "Der Exorzist" oder "French Connection" sehenswerte Meilensteine im Horror- und Actiongenre abgeliefert hatte, in den letzten Jahren aber keinen wirklich guten Film mehr gedreht hatte und zudem mit dem lächerlichen Möchtegern- Erotikthriller "Jade" unangenehm aufgefallen war. Konnte das gut gehen?

An der Geschichte hat sich jedenfalls nichts geändert: Einem jungen Mann droht die Todesstrafe, da er beschuldigt wird, seinen Vater umgebracht zu haben. Die Beweislast ist erdrückend- und nun liegt es an den Geschworenen ein Urteil zu finden. Die zwölf Männer ziehen sich in ein Hinterzimmer zurück, um über den Fall zu beraten. Schnell sind sie sich einig, dass der Urteilsspruch "schuldig" lauten muss. Daraufhin stimmen alle dafür. Alle bis auf den Geschworenen Nr. 8 (ein fabelhafter Jack Lemmon in der Fonda- Rolle). Er versucht den Rest davon zu überzeugen, sich tiefgehender mit der ganzen Angelegenheit zu befassen, da es ja immerhin um ein Menschenleben geht. Damit stößt Nr. 8 nicht nur auf Gegenliebe. Bald schon zeigt jeder der Geschworenen sein wahres Gesicht...

Wie schon in der Einleitung angedeutet, dürfte man sich wohl bei jedem Remake bzw. jeder Neuverfilmung die Frage stellen: War das jetzt wirklich nötig? Um im Falle von z.B. Gus van Sants einfallsloser "Psycho"- Neuauflage dann auch schon mal voller Entsetzen und Enttäuschung die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Nun entwertet ein Remake ja nicht automatisch das Original (andernfalls sollte Rob Zombie für sein "Halloween"- Disaster mindestens gesteinigt werden), aber allein schon das Gefühl soeben wieder etwas Lebenszeit für eine im Grunde überflüssige Variation des selben vergeudet zu haben, hat den Ruf von Remakes nicht unbedingt verbessert. Umso weniger in den letzten Jahren, indem die Re-Imaginations auf den Zuschauer geradezu niederprasseln, die Abstände zwischen Original und Remake immer kleiner werden (gerade was Streifen anbelangt, die auf asiatischen Vorlagen beruhen) und sich der Eindruck breit gemacht hat, dass in Hollywood die große, allgemeine Einfallslosigkeit vorherrscht und stattdessen verstärkt auf "Nummer Sicher" gegangen wird.

Aus dieser Perspektive heraus, betrachtet man die Neuauflage von "12 Angry Men" (so der Originaltitel) schon gleich viel wohlwollender. Und ein Blick auf die Besetzungsliste dürfte dieses Gefühl noch verstärken, tummeln sich hier doch immerhin Namen wie George C. Scott ("Patton"), Armin Mueller- Stahl ("Die Manns"), William Petersen ("C.S.I.- Las Vegas"), James Gandolfini ("Die Sopranos"), Ossie Davis ("Do the right thing") oder Hume Cronyn ("Cocoon"). Ja, in Sachen Stars überflügelt Friedkins Film das Original mit Sicherheit. Aber auch sonst müssen sich die Macher für das Ergebnis keineswegs schämen. Dass der Inhalt im Wesentlichen der Vorlage entspricht, zeugt sogar vor Respekt gegenüber dem Original, ohne dass man eine peinliche 1:1 Kopie befürchten müsste wie sie van Sant leider mit seinem genannten Remake fabriziert hat. Tatsächlich beweist William Friedkin, dass er immer noch gute Filme inszenieren kann, sofern er denn will, wobei ihn das Staraufgebot und vor allem das gute Drehbuch dabei sicherlich unterstützt haben dürften. Das Skript vertraut nämlich erneut auf die konfliktfördernde Ausgangssituation (12 Männer in einem Raum bei schier unerträglicher Hitze), die an und für sich schon nervenaufreibend genug wäre und ist sich zugleich der Unterschiedlichkeit der Figuren bewusst, was denn auch nach und nach ausgespielt wird und jedem Darsteller mindestens einen denkwürdigen Moment beschert. Wie das Original, so fungiert auch die neue Version als emotionsgeladenes (aber bitte nicht mit Kisch gleichsetzen) Ensemblestück, das als Justizthriller beginnt und schließlich als wunderbar unaufdringliche Moralstudie endet. Dass die altbekannten Momente dabei mit (immer wieder) aktuellen Themen wie z.B. Rassismus unterfüttert werden, macht die Neuauflage auch für die interessant, die das Original schon gesehen haben.Ganz ohne Schwachpunkte, kommt das Remake allerdings nicht aus. So erscheinen die Figuren anfangs etwas zu grob umrissen und teilweise überzeichnet (was besonders für den von Mykelti Williamson dargestellten Geschworenen Nr. 10 gilt), worüber das intensive Spiel aller Beteiligten sowie die packende Handlungsstruktur jedoch sehr gut hinwegtrösten können. Wenn dann sogar ein unterschätzter Schauspieler, wie der eher durch TV- Rollen aufgefallene Tony Danza ("Wer ist hier der Boss?") eine erstklassige Leistung erbringt und man die unvergleichliche Mary McDonnell ("Passion Fish") zu Beginn in einer kleinen Rolle als Richterin sieht, dürfte wahrscheinlich auch der letzte Filmfreund davon überzeugt sein, dass dieser Streifen mehr ist, als nur eine weitere lieblose Neuauflage eines um Welten besseren Originals. Denn, und das ist das Beste, mit dem Lumet- Streifen kann sich dieses Werk hier durchaus messen.

Fazit: Hervorragende Darsteller, eine dichte Atmosphäre und viel Respekt vor dem Original. William Friedkins Film ist ein Glücksfall von einem Remake geworden. Sehr sehenswert!
8/10 Punkten

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