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„Jede Frau ist unglücklich…“

Nachdem die ersten drei Fälle des Kölner Zolloberinspektors und Playboys Kressin (Sieghardt Rupp) im Abstand von jeweils zwei Monaten ausgestrahlt worden waren, ließ sich die noch junge öffentlich-rechtliche „Tatort“-Krimireihe für die vierte Kressin-Episode über ein Jahr Zeit. Die am 28. Mai 1972 gezeigte Folge „Kressin und die Frau des Malers“ wurde nicht mehr von Wolfang Menge geschrieben, sondern vom in den Niederlanden lebenden jungen Surinamesen Pim de la Parra Jr. zusammen mit Klaus Recht und Hans Heinrich Ziemann. De la Parra Jr. nahm auch auf dem Regiestuhl Platz, es sollte seine einzige Regiearbeit bleiben.

„Sie sehen aus wie einer, der nichts tut.“

In und bei Köln treibt seit geraumer Zeit eine Kunstdiebstahlbande ihr Unwesen. Als eine Lieferung Schaufensterpuppen zu viel Hitze abbekommen hat, entdecken Zollbeamte, dass diese aus Wachs gefertigt wurden und zum Schmuggel von Kunstskulpturen genutzt werden sollten. Zolloberinspektor Kressin wird mit dem Fall betraut, die Spur führt nach Amsterdam – und in die Arme einer attraktiven jungen Frau…

„Fast so schön wie Frankfurt!“ – „Stinkt ein bisschen weniger…“

Ein Gemäldediebstahl wird im Prolog minutiös und spannend inszeniert dargestellt. Kressin findet sich anschließend auf einer hippen Party wieder, wo er Ausschau nach Frauen hält. Eine alberne Tanzszene später blitzt er bei einer mondänen Blondine (Heidi Stroh, „Der Stoff, aus dem die Träume sind“) ab, schnappt sich aber gleich die nächste Dame (Maria Brockerhoff, „Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut“). Als er in Sachen Kunstschmuggel zu ermitteln beginnt, sucht er zunächst die Spedition IKS auf, wo er gleich mit der heißen Speditionskauffrau Eva (Brigitte Skay, „Zu dumm zum…“) schäkert – und genügend Zeit bekommt, sie näher kennenzulernen, denn als ihr verdächtiger Chef Jan Morton (Hans Quest, „Birdie“) auftaucht, schließt dieser beide im Büro ein und sucht das Weite.

Gab es bisher keinen Toten, ändert sich dies mit dem nächsten Coup der Bande: Bei einem Kirchendiebstahl wird sie ertappt und überfährt auf ihrer Flucht einen Polizisten. Dieser soll nicht lange die einzige Leiche bleiben, auch die Gangsterbande dezimiert sich gegenseitig. Die Handlung hat ein ordentliches Tempo vorgelegt, auch Kressins erster Ermittlungserfolg lässt nicht lang auf sich warten – noch bevor sich der Schauplatz nach Amsterdam verlagert. Etwas erzwungen wird Oberganove Sievers (Ivan Desny), Kressins Nemesis, ins Spiel gebracht, der hier jedoch lediglich einen Kurzauftritt hat und im gesamten Verlauf so gut wie keine Rolle spielt. In Amsterdam leistet Kressin dann zumindest ansatzweise so etwas wie klassische Ermittlungsarbeit, wenn er sich nicht gerade mit der kurzerhand mitgereisten Eva vergnügt.

Kunstdiebstahl wird für das Publikum aufbereitet als ein Geschäft, an dessen Ende narzisstische Sammler stehen, die von gewieften, aber skrupellosen Verbrechern für viel Geld beliefert werden. Man erhält einen Einblick in die Möglichkeiten des unbemerkten Diebesgutschmuggels und verbindet all das mit einer verruchtem Femme fatale – Anna, der kühlen Blonden vom Beginn –, herrlich altmodischen Krimiideen wie einer versteckten Galerie hinter einer Geheimtür und der Diskrepanz zwischen kriminelle Machenschaften billigenden Kunstsammlern und den von ihnen beauftragten Ganoven, die absolute Kunstbanausen und zudem enorm habgierig sind, sodass entsprechende Konflikte vorprogrammiert sind.

Die ohnehin schon rasante Handlung übernimmt sich jedoch etwas mit einer weiteren Wendung, die einen weiteren Toten zur Folge hat und in ein recht dämlich inszeniertes Duell zwischen Anna und Kressin mündet, in dem Kressin auf jeglichen Selbstschutz verzichtet und damit unverständlicherweise auch noch durchkommt. Besser weiß da die finale Pointe zu gefallen, die eine weitere Überraschung bereithält. Kressins Schürzenjäger-Image scheint sich jedoch langsam etwas abzunutzen, zumal hier ein wenig die ironische Ebene fehlt. Stattdessen wird das fragwürdige Frauenbild einer auch für Kressin unnahbaren, ihren eigenen – wenn auch illegalen – Weg gehenden Frau, die die Antagonistin darstellt, gezeichnet, während man das naive Dummchen Eva, das sich mir nichts, dir nichts von Kressin vernaschen und sich als sein Anhängsel mitnehmen lässt, offenbar als erstrebenswerteren Lebensentwurf präsentiert. Dafür ist die gern erotische Rollen spielende Brigitte Skay aber auch ein echter Hingucker, der viel nackte Haut zeigt, fröhlich aufspielt und es so richtig schön tumb aus der Wäsche zu schauen versteht.

Ein Hingucker ist auch Kressins schickes Cabriolet, eher verzichtbar hingegen der obligatorische „Tatort“-Kommissar-Kurzauftritt, den diesmal der Kollege Konrad (Klaus Höhne) aus Frankfurt bestreitet. Klaus Doldingers Musik macht nach wie vor viel Spaß und geht gut ins Bein – und wenn Kressin gegen Ende selbst die eine oder andere Ware über die Grenze schmuggeln will, schlicht weil er’s kann, ist die selbstironische Ebene doch überdeutlich wieder präsent und hat die Lacher – oder auch die Empörung – auf ihrer Seite.

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