Die titelgebenden “Thirteen Days” bezeichnen die rote Phase der Kubakrise im Zeitraum von Mitte bis Ende Oktober 1962. Es handelt sich um den kritischen Höhepunkt des Kalten Krieges, der sich durch ein stetiges Wetteifern zwischen den USA und der Sowjetunion um den Status der global dominanten Supermacht auszeichnete. Um die eigene Souveränität gegenüber dem anderen zu erhalten, verfingen sich beide Seiten in reaktionärer militärischer Wettrüstung. 1962 war der Machtkampf zum berühmten Tanz auf dem Drahtseil angewachsen - der atomare Krieg war inzwischen ein realistisches, denkbares Szenario geworden. Am 14. Oktober lieferten US-amerikanische Spionageflugzeuge nach Einverständnis des amtierenden Präsidenten John F. Kennedy den definitiven Beweis für die Existenz sowjetischer Mittelstreckenraketen, die auf Kuba positioniert wurden, um Washington anvisieren und damit den amerikanischen Vorteil der in Italien und der Türkei positionierten US-Atomraketen ausgleichen zu können. Hier wird der Beginn der Kubakrise festgemacht, die letztendlich intern durch diplomatische Bemühungen aufgelöst werden konnte, genauso gut aber hätte eskalieren können. Denn nie in war man einem atomaren Krieg näher und selten war die Abwendung einer Katastrophe so sehr abhängig von den Schultern weniger politischer Entscheidungsträger.
Krachmacher Roger Donaldson (“Dante’s Peak”, “Species”) war es viel wert, für dieses wichtige Ereignis in der Menschheitsgeschichte mal wieder etwas ruhigere Töne anschlagen zu lassen und erzählte die dreizehn Tage der Kubakrise mit dem Anspruch, möglichst realistisch und, was die Verhandlungen betrifft, wertfrei zu bleiben. Die in die Anfangscredits hineingeschnittenen Archivaufnahmen von grausamen, aber zugleich auf eine bizarre Art wunderschön sich aufblasenden Atompilzen lassen dennoch keinen Zweifel, dass Donaldson mit seinem Film auch ein Mahnmal setzen will. Sein Film ist ein leises Plädoyer für Diplomatie und Kommunikation zwischen Völkern und Kulturen, die noch so unterschiedlich sein mögen - die Ereignisse aus jenen schicksalhaften dreizehn Tagen sollen hingegen ganz für sich stehen, unbewertet und unbehandelt.
Wenn wir als Cineasten ganz ignorant mit dem Anspruch an den Film gehen, bei allem historischen Interesse trotzdem auch noch unterhalten zu werden, so kämpfen wir mit dem von der Geschichte selbst vorgegebenen Drehbuch, an das es sich, wo möglich, detailgenau zu halten galt. Überraschungen, so viel sei gesagt, bleiben daher selbstverständlich aus, sofern man mit dem Verlauf der Kubakrise halbwegs vertraut ist. Alle zugänglichen Dokumente, also Bild- und Tonmaterial sowie eigens geführte Interviews mit beiden Parteien, wurden genauestens studiert und eins zu eins übernommen, wann immer es möglich war. Die Historie fand Eingang in sämtliche Bereiche des Filmprojekts, schließlich bis hinein in die Dialoge und ins Bildmaterial.
Erstaunlicherweise ist die Figur, die uns Eingang in den Handlungsverlauf bietet, eine so unbekannte, dass sie beinahe fiktiv sein könnte: Kevin Costner, der ein knappes Jahrzehnt zuvor in “JFK” schon eine ähnliche Figur spielte, ist nun Kenneth O’Donnell, JFK’s engster Berater und Freund. Mit O’Donnell gleiten wir über von dem Frühstück mit der Familie direkt in die Krisensituation, die Kennedy in seiner kurzen Amtszeit außenpolitisch stark forderte (in seine Präsidentschaftsperiode fielen zusätzlich noch die “Schweinebucht-Invasion”, die Zersplitterung Berlins durch die Mauer sowie die ersten amerikanischen Bemühungen, in den Vietnamkrieg einzugreifen).
Da die Entscheidungen, die zum Ausgang der Krise führten, weitgehend intern beschlossen wurden, blieb David Selfs Skript trotz Rückgriff auf die von Ernest R. May und Philip D. Zelikov verschriftlichten Kennedy-Bänder (“The Kennedy Tapes - Inside the White House During the Cuban Missile Crisis”) und allem Authentizitätsanspruch wohl kaum etwas anderes übrig, als in gewissen Dingen fiktional zu werden. Einerseits, um Lücken zu schließen, die von den zugrundeliegenden Quellen hinterlassen wurden; andererseits aber vor allem, um den historischen Stoff auch mit cineastischem Wert zu belegen. Schließlich sollte “Thirteen Days” ein Spielfilm werden, keine Dokumentation. Diesen Zweck erfüllt nun Costner als Kenny O’Donnell. Seine Einführung mit Familie wirkt in diesem Kontext eben nicht Spielberg-esk, auch nicht anderswie kitschig oder klischeehaft. Vielmehr wird den politischen Fakten ein erzählerischer, filmischer Halt entgegengestemmt, der dem Zuschauer den Einstieg in die Fakten deutlich erleichtert. Insofern stimmt schon der Beginn positiv dafür, dass der schwierige Stoff durch eine wohldosierte Portion Film verständlich und nachvollziehbar aufbereitet wird.
Wenngleich auch nicht alle Scherze mit den Angestellten im Weißen Haus, mit Telefonistinnen oder mit dem Präsidenten selbst auflockernd, sondern manchmal sogar ein wenig erzwungen scheinen, so ist Donaldsons Film erfreulicherweise dennoch nicht nur trockene Theorie, sondern spannende Unterhaltung auf ansprechendem Niveau. “Thirteen Days” ist, obgleich er sich ganz offenbar handlungstechnisch über zwei Wochen erstreckt, ein gefühlter Echtzeitfilm. Der Thrillerscore suggeriert dies und verleiht den Diskussionen und Verhandlungen eine ähnliche (nichtsdestotrotz realistischere) Dramatik, wie man sie neuerdings aus “24" kennt und schätzt. Auf Actionsequenzen wird abgesehen von den beiden U-2-Aufklärungsflügen, bei denen auch einiges an CGI zum Einsatz kam, verzichtet, und dennoch birgt die Handlung ein hohes Tempo. Da fast alle Szenen aus Kommunikation zwischen den politischen Akteuren besteht, ist davon auszugehen, dass Donaldsons Inszenierung als Thriller-Drama einwandfrei funktioniert, denn selten klebte man so an der Mattscheibe, während sich Männer in Anzügen über Politik unterhielten. Der Stoff an sich mag einiges dazu beitragen, aber ohne die straffe Regie würde ein fast ausschließlich auf Dialogen basierendes Filmkonstrukt scheitern.
Donaldson versteht es jedoch, die nicht ganz einfache Materie filmisch aufzubereiten. Die Protagonisten werden allesamt einzeln mit der unaufdringlichen Einblendung von Namen und Status vorgestellt, sobald sie sich zu Wort melden, so dass man als Zuschauer jederzeit den Überblick über die Lage behält. An dieser Stelle hat auch die Castingabteilung ein Lob verdient, stehen doch hier durch die Bank glaubwürdige Schauspieler nebeneinander und agieren so realistisch, dass man meinen könnte, sie würden selbst die Berufe ausführen. Dabei wird Costner durchaus der im Allgemeinen wenig bekannten Herkunft seines Charakters gerecht, doch spielt er dennoch höchst glaubwürdig und ist vor allem eines, nämlich das Portal für das Publikum. Durch ihn werden wir ins Weiße Haus geführt, wo wir auf eine Art hochgeheime Hinter-den-Kulissen-Stimmung treffen, die uns das “Top Secret” förmlich entgegenschreit.
Wer hier sonst noch eine reale historische Persönlichkeit spielen muss, der tut das mit Bravour. Optisch den Vorbildern meist sehr nahe kommend, meistern einige ihre Tour de Force. So hat Dylan Baker später als Robert McNamara in der Auseinandersetzung mit Marshall Carter einen beeindruckenden Auftritt, der mit seinem Realismus beinahe beängstigt. Auch Bruce Greenwood verblüfft mit seiner optischen Ähnlichkeit zu Kennedy und stellt ihn recht blass dar, womit er dem von den außenpolitischen Bürden überforderten Präsidenten sehr nahe kommt. Nicht anders steht es mit dem anderen der Kennedy-Brüder, gespielt von Steven Culp - beide haben ihre Vorbilder offenbar genauestens studiert.
Die Kommunikation dieser Darsteller untereinander bezieht ihre Spannung vor allem aus dem gegenseitigen Chargieren und Strategieren zum eigenen Vorteil. Für Kommunikationswissenschaftler ist es ein Genuss, die Fachsprachen zu entschlüsseln, Ränge aus den Dialogen herauszulesen sowie persönliche Sympathien und Antipathien gegenüber anderen Akteuren offenzulegen. Was in den Debatten entsteht, ist nicht selten ein Mini-Modell des Kalten Kriegs, erschreckenderweise manchmal ohne Einwirkung des Feindes, wenn beispielsweise das Verteidigungsministerium den eigenen Präsidenten in die Ecke zu drängen versucht und ihm Unfähigkeit nachweisen will, bis der mit scharfen Waffen zurückschlägt, um seine Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen, gestärkt von seinen Beratern. Sicher, die Tatsache, dass wir durch Costners Rolle die Beraterposition einnehmen, stellt uns als Zuschauer auf die Seite des Präsidenten und lässt uns gewissen Akteuren gegenüber, beispielsweise McNamara, Bundy oder eben Kennedy, aufgeschlossener sein als anderen; ganz zu schweigen von der sowjetischen Seite. Dennoch kann man nicht den Vorwurf machen, der Film schlage sich gänzlich auf die amerikanische Seite oder sei womöglich gar patriotisch. Ereignisse und Verhaltensweisen werden durchgehend neutral dargestellt. Die internen Zwiste sind nicht förderlich für die Identifikation mit der US-Regierung, das Pentagon wird in einer Szene als einfallslos bezeichnet, die Sympathieträger agieren nicht immer korrekt und die Sowjets werden, wenn sie mal ins Bild treten, als Menschen charakterisiert, nicht als Territorien verschlingende Kommunistenmonster. Parteiisch werden wir höchstens durch die Positionierung, und das kann auch einen gewissen erzieherischen Effekt haben, denn so ziehen wir womöglich die gleichen falschen Schlüsse wie einige Vertreter der Befehlshaber amerikanischer Seite.
Optisch entschloss sich Donaldson ebenfalls, der Authentizität Tribut zu zollen und setzte auf ausgeblichene Optik, die immer mal wieder in Schwarzweißpassagen umschlägt. Die Idee dahinter war, damalige Titelbilder der “Times” & Co. stilistisch nachzuempfinden, was soweit auch geglückt ist. Anfangs weiß Donaldson leider noch nicht so recht damit umzugehen und bringt die Schwarzweißsequenzen eher beliebig, bis sie sich dann später meist auf die öffentlichen Erklärungen konzentrieren, also Szenen, die auch von der Presse eingefangen wurden. Des weiteren wird immer wieder Archivmaterial integriert, was dem Geschehen auf Nachhalt einen realistischen Anstrich gibt. Hinter der Kamera beweist Andrzej Bartkowiak noch vor seinem Durchbruch als Regisseur von qualitativ fragwürdigen Actionfilmen einmal mehr sein Gespür für das optimale Einfangen der Szenarien.
Es gelang schlussendlich das bemerkenswerte Kunststück, trotz des Wissens um den Ausgang der Geschichte aus der Kubakrise einen hochspannenden Politthriller zu machen, der in jeder Sekunde fesselt. Zu verdanken ist das einer ausgewogenen Mischung aus Realität und Fiktion, hervorragenden Darstellerleistungen, vielschichtigen Dialogen und temporeicher Inszenierung, die weit mehr Aktion vorgaukelt, als wahrhaftig auf der Bildfläche zu sehen ist. Sicherlich sind auf wahren Ereignissen beruhende Geschichten immer eine zweischneidige Angelegenheit und erwartungsgemäß bleibt auch “Thirteen Days” dabei nicht ganz von Kritik verschont. Der einzunehmende Standpunkt bleibt immer kritisierbar, egal wie man sich wendet und die Tatsache, dass in einem Film, der sich hinter die Regierungskulissen begibt, nicht alles auf wahren Geschehnissen basieren kann, wird manchem auch die Illusion der Realität nehmen. Letztendlich handelt es sich aber nun mal um einen Film, und als solcher vermag er über einen historischen Stoff von höchster Bedeutsamkeit auch jene zu unterhalten, die in Sachen Politik ansonsten nicht zu den Interessierten gehören.