„Ich allein kann mich nicht mit ,Big Daddy‘ messen. Dazu fehlt mir die Kraft. Aber mit Brandon an meiner Seite … kann ich die höchsten aller Ziele erreichen.“ – Harry MacDowel
Das ist schon eine sehr krude Mischung, die uns Yasuhiro Nightow, der Macher von „Trigun“, hier präsentiert. Ein Jahr zuvor hat er selbst die Charaktere geschaffen für die das gleichnamige Videospiel. Dort ging ein Lebender Toter mit dem passendem Namen „Beyond the Grave“ auf die Jagd nach Bloody Harry, seinem eigenen Mörder. In der ein Jahr später entstandenen 26-teiligen Serie erleben wir nun das ganze Schicksal des Mafia-Gangsters Brandon Heat und seinem besten Freund: Harry MacDowel.
Beide sind im gleichen Waisenhaus einer unbenannten Metropole groß und auf den Straßen erwachsen geworden. Schnell haben sie gelernt, sich mit den Gesetzen des organisierten Verbrechens zu arrangieren. Dank der Wortgewandtheit des schneidigen Harry und der Durchschlagskraft des in sich gekehrten Brandon gelangen beide schnell in die Führungsriege des Syndikats „Milennion“, in der der alte Pate Big Daddy das Sagen hat. Doch schon seit den Anfangsminuten des blutig-düsteren Epos wissen wir: Harry wird seine Freunde verraten, Brandon töten und selbst das „Millennion“ leiten.
Soweit, so gut. Klingt nach der x-ten „Pate“-Variante. Und ist sie auch. Allerdings, wie von guten Anime gewohnt, mit tollen Charakteren, überraschenden Handlungsverläufen und einer dichten Atmosphäre. Oberflächlich gehört die Sympathie zwar dem ruhigen Brandon. Doch trotz des Verrats an Big Daddy ist auch Harry MacDowel eine Figur, die nur selten als zweidimesionaler Bösewicht taugt. Vielmehr ist Harry ein leidenschaftlicher Typl, der seiner eigene Moral folgt. Zwar betrügt und mordet er sich an die Spitze der Organisation. Aber das haben Verbrecher-Organisationen wohl nun einmal so an sich. Dafür würde er nie dem „Eisernen Gesetz“ folgen und einen Freund für ein Fehlverhalten töten. Für Brandon zählt nur die Familie. Und deren Gesetze müssen befolgt werden. Und so lässt sich auch verstehen, dass sich Harry verraten fühlt von Brandon und der Organisation. Das verkraften seine Gefühle für Jugendfreund Brandon und sein Ehrgeiz nicht.
Die Animation bewegt sich auf höchstem Niveau, zwischen den wilden Feuergefechten sind es vor allem dunkle und intensive Bilder, die dem Zuschauer die Verzweifelung aller Hauptfiguren vermitteln. Vor allem der Moment des Verrats ist in seiner Stille und Intensität bemerkenswert und nicht nur inhaltlich der Höhepunkt von „Gungrave“. Die Musik ist nicht sensationell, passt aber gut ins Gesamtkonzept. Für den akustischen Overkill sorgen dafür die unglaublichen Soundeffekte, die den Kampf gegen Zombie-Gangster und Mafia-Mutanten ins Wohnzimmer holen. Zombies? Mutanten? Ja, aber keine Panik. „Gungrave“ setzt auch auf Fantasy und Sci-Fi. Stilistisch bleibt die Serie aber stets im Mobster-Milieu verhaftet. Bis zum bitteren Schluss, wenn sich die Freunde Brandon und Harry ein letztes Mal gegenüber stehen. Wenn dann die kleine Mika, Begleiterin von Beyond the Grave, das Schlussbild entrückt-glücklich kommentiert, wird „Gungrave“ so subversiv, wie man es sonst nie erwarten konnte.
10/10