„The Punisher“ war neben „Collateral" mein „Most Wanted“ des Kinojahres 2004. Seit dem ersten Teaser im letzten Jahr fieberte ich auf die Fertigstellung des Films hin, hatte Hoffnungen das endlich mal wieder ein Actionfilm der alten Schule, im Stil der Achtziger, seinen Weg ins Kino finden würde. Vielleicht waren die durch den Trailer geweckten euphorischen Erwartungen meinerseits zu riesig, denn die Enttäuschung ist jetzt doch recht groß.
Nicht ohne Risiko war der Schachzug, den Drehbuchautor auch gleich sein Skript verfilmen zu lassen. Für Autor Jonathan Hensleigh, der unter anderem für die Drehbücher von „Die Hard: With a Vengeance“ und „Armageddon“ verantwortlich ist, war es auch noch sein Regiedebüt und das merkt man dem Film leider an. Auf der anderen Seite muss man sich jedoch auch fragen, was man mit einem Budget von 33 Millionen für einen Film drehen soll, wenn abzüglich der Gagen für John Travolta („Basic“, „Pulp Fiction“), Thomas Jane („Deep Blue Sea“, „Dreamcatcher“) und Rebecca Romijn-Stamos („X-Men“, „Femme Fatale“) wohl gerade mal 20 Millionen für die Inszenierung zur Verfügung standen. Einen mit vielen Kompromissen…
Das Schwarzweiß-Intro verspricht viel. Zu trauriger Musik, fallen im Comicstil Patronenhülsen langsam zu Boden, verformt sich der Pulverdampf zum „Punisher“-Totenkopf und schallen Schüsse im Hintergrund. Gespannt wird der Dinge geharrt…
Der Punisher genießt seit jeher einen Sonderstatus unter den Marvel-Helden, da er einer der wenigen ist, dem keine Laserstrahlen aus dem Arsch schießen und nicht per Experiment mit Weltenretterambitionen ausgestattet worden ist. Ein Mann ohne Superkräfte, ein Kämpfer, der seine Stärke bei zahlreichen Spezialeinheiten und Institutionen erworben hat. Vom Leben als Undercoveragent hat er jetzt die Schnauze voll und lässt seinen eigenen Tod inszenieren, um in Europa einen ruhigen Job anzunehmen.
Thomas Jane ist in der Rolle des Frank Castle eine Idealbesetzung, die gleichermaßen Familienvater wie Rächer kritiklos verkörpert. Die Rückkehr zu Frau und Sohn verläuft lang und ausführlich, das Gespräch mit seinem Sohn um den bevorstehenden Umzug etwas kitschig. Man muss Hensleigh dabei zugestehen, dass er hier keinen platten, 80minütigen Actionfilm serviert, sondern sehr auf seinen Hauptcharakter bedacht ist. Leider etwas zu sehr, denn die Action kommt eindeutig zu kurz und die spektakulären Szenen sind alle schon im Trailer verbraten worden.
Da bei Castles letztem Einsatz der Sohn der Unterweltgröße Howard Saint (John Travolta) unglücklicherweise ums Leben kam, sinnt der auf Rache, lässt Nachforschungen anstellen und erfährt, dass Castle noch lebt. Hensleigh hat, trotz offensichtlicher Schwächen, ein Händchen für nostalgisch anmutende Szenen. Da wird Saint, zusammen mit seiner Frau nach der Beerdigung im Auto sitzend, von seinem engsten Freund über Castles wahre Identität informiert und befiehlt seinen Tod, worauf Miss Saint, bis dato völlig still unter dem undurchsichtigen Schleier, ein „Die ganze Familie“ flüstert, was Saint dann bestätigt. Die Szene ist ungemein überzogen und klischeehaft gemacht, erinnert in ihrer Art aber an eine Zeit, in der Actionfilme noch „ehrlich“ waren.
Des Weiteren ist der Film trotz Hochglanzoptik und Farbfilter inszenatorisch recht altmodisch angelegt. CGI-Spielereien sind nur im Finale kurz zu finden und stören dort auch nicht weiter. Spektakuläre Autoverfolgungsjagden mit sich überschlagenden Autos, Kloppereien und Schießereien sind ebenfalls zum Großteil im Stil der Achtziger gehalten und lassen einen dicken Nostalgiebonus zu. Seinen Einfallsreichtum beweist Hensleigh in symbolischen Szenen, wie zum Beispiel einer Einstellung in der Castle um seinen Grabstein eine Kette legt, losfährt und wenig später Saint diesen Grabstein mitten auf seinem Golfplatz entdecken muss.
Der Blutgehalt des Films ist erstaunlich niedrig und klar, auch wenn es final zwei derbe Szenen zu sehen gibt, auf den Mainstream ausgelegt. Das Familienfest, auf dem Castles gesamte Verwandtschaft massakriert wird, ist einer der Tiefpunkte des Films. Hensleigh vergisst Bezüge zu den anderen Personen zu knüpfen und stellt niemanden außer Castles Dad (Roy Scheider, schön ihn mal wieder zu sehen) vor. Seine Mutter hat gerade mal drei oder vier Sekunden Screentime und ist dann auch nur zu sehen, weil sie zuerst erschossen wird. Dass sie seine Mutter ist, erfahren wir nur, weil er nach ihr ruft. Die Teilnehmer des Familienfests hätten ebenso gut Fremde sein können und werden zum Großteil (auch Frau und Sohn) auch noch im Off getötet. Nicht, dass „The Punisher“ in eine Blutorgie ausarten soll, aber ein brutales und gnadenloses Vorgehen des Killerteams hätten Castles spätere Motivation und die sadistische Ader Saints deutlich gemacht. Ein semiblutiger Shootout und eine brennende Leiche auf Seiten der Gegner sind da viel zu wenig.
Auch im weiteren Verlauf beschleicht den Zuschauer stets das Gefühl, dass, da die Kohle fehlte, einfach nicht in die Vollen gegangen werden konnte. Das Tuning des schwarzen Pontiacs, des „Punisher-Mobils“, ist nett anzusehen, das Röhren des Motors etwas für PS-Freunde, nur warum wird die Karre dann in einem Minikonflikt mit einem berüchtigten Killer gleich wieder verheizt?
Rache hin oder her, bis zum gerade mal fünfminütigen Finale bestraft Castle vier Handlanger Saints und einen davon auch noch in Notwehr. Zwar gibt es unter anderem ein sehr nettes, an Westernshootouts („Wer zieht schneller?“) erinnerndes, Duell, in dem die Figuren sich erst richtig positionieren, ihre Waffen unter den langen Mänteln freilegen und darauf warten das jemand zieht, aber insgesamt enttäuscht das Vorgehen des Punishers doch. An statt sich Handlanger und Boss vorzuknüpfen, infiltriert und schadet er Saints Unternehmen, verbrennt oder verschenkt dessen Geld und spielt ihn gegen seine Frau und seinen engsten Mitarbeiter aus. Speziell Fans der Comics wird dieses Verhalten verwundern, ist sein Comic-Pendant doch ein gnadenloser, eiskalter Rächer, der alles und jeden tötet, der gegen das Gesetz verstößt, wobei sich nicht um möglichst ausgeklügelte Strategien geschert wird. Da war die berühmtberüchtigte erste Verfilmung aus dem Jahr 1989 mit Dolph Lundgren in der Hauptrolle der Vorlage doch viel näher.
Dafür klappt es mit dem Charakter Frank Castle besser, denn der in ihm sitzende Schmerz ist bis in die letzte Zuschauerreihe spürbar. Er gibt sich dem Alkohol hin, wirkt nach außen kalt und lässt keinen der mit einer Losermentalität versehenen Nachbarn an sich heran. Die sind ebenfalls eine Geschichte für sich, zeigen sich hilfsbereit und verständnisvoll und retten ihm sogar das Leben. Aber warum sie, in dem ansonsten sehr ernsten Film, unbedingt parallel zu Castles überlangen, übertrieben comichaften, brutalen Kampf gegen den „Russen“ (Wrestler Kevin Nash) in der Nachbarwohnung herumkalauern müssen, wird wohl nur Hensleigh selbst wissen. Zumal der Humor hier völlig deplaziert ist. Was bei Castle indes ständig fehlt, ist der offensichtliche Wunsch nach Rache, die Lust am Töten, die Befriedigung seiner Schmerzen. Offensichtlich genießt er seinen Feldzug nie – was auch die Entscheidung der FSK sehr fragwürdig erscheinen lässt. Verherrlichende Oneliner sind rar gesät und die fragwürdige Ideologie ist nur ansatzweise vorhanden.
Das fünfminütige (!!!), viel zu kurze Finale hält dann endlich, was der Trailer versprach und zeigt einen gnadenlosen Frank Castle, der mit Totenkopf-Körperpanzer Saints Quartier erstürmt und kurzen Prozess mit jedem macht, der sich ihm in den Weg stellt. Endlich wird auch mal etwas grafischer bestraft.
Während Thomas Jane (Waffen- und Muskeltraining machten sich bezahlt), wie oben schon erwähnt, sich bravourös schlägt und für weitere große Actionrollen empfiehlt, ist das Schauspiel Travoltas zwiespältig zu bewerten. Ich mag ihn, wenn er sich mit einer Spur Überheblichkeit wie in „Password: Swordfish“ oder „Basic“ dosiertem Overacting hingibt. Hier hält er sich merklich zurück, bleibt gnaden- und skrupellos, wird aber auch nie zu DEM Bösewicht. Er konnte solche Rollen schon wesentlich besser verkörpern. Erwähnenswert ist auch noch Mark Collie in einem kurzen Auftritt als Gitarre spielender Killer Harry Heck - seine Gesangseinlage hatte etwas ungemein Melancholisches.
Fazit:
Man sollte mit „The Punisher“ nicht ganz so hart ins Gericht gehen. Wie in der Schlussszene erst klar wird, ist der Film im Grunde genommen die Vorgeschichte, die die Geburt des Punishers zeigt. Ob aufgrund der enttäuschenden Einspielergebnisse, die in Amerika gerade mal das Budget deckten, überhaupt jemals eine Fortsetzung gedreht wird, ist mehr als fraglich. Dank des kleinen Budgets und den davon noch abgezogenen Gagen musste Hensleigh die Action leider klar zurückfahren und das ist das Hauptproblem des Films, denn der Trailer versprach noch etwas ganz anderes. Das Resultat dürfte viele Zuschauer enttäuschen, mich eingeschlossen.
Die Inszenierung ist zwar mit einigen modernen Techniken wie blauen Farbfiltern aufgepeppt, insgesamt aber vom altmodischen Schlag. Das sorgt besonders bei den Prügeleien und den Autoverfolgungsjagden für Begeisterung. Sauer aufstoßen tut hingegen das Vorgehen des Punishers (Bestrafung indem das Konto geleert wird, Bösewichte werden gegeneinander ausgespielt) und die überflüssigen Humoreinlagen. Der Familienfeier fehlen die wichtigen Figuren, während Debütant Hensleigh anderseits mit Symbolikspielereien punkten kann. Der Härtegrad ist niedrig, anderseits ist das Westernduell eine nette Idee… Es gibt bei dem Film einfach zu viele positive und negative Momente, die sich letztlich ausgleichen und den Film, auch aufgrund verschenkter Ideen (der Pontiac...) als Mittelmaß dastehen lassen. Zumindest ich wurde das Gefühl nicht los, dass schon das Drehbuch für ein kleines Budget geschrieben worden ist. Aber warum dann auf zwei Stunden ausdehnen? Die Szene zum Beispiel, in der Castle die Polizei als Dilettanten hinstellt, hätten andere Regisseure im Schneideraum gelassen. Punishment auf Sparflamme!