Review

Die wohlige Wiederkehr sich wiederholender Muster - Plausibility Missing Part 3


Vier Fliegen fliegen hin und her 

Der dritte von Argentos relativ schnell hintereinander gefilmten Gialli nach „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" und „Die neunschwänzige Katze" beendet folglich seine so bezeichnete Tier-Trilogie mit den vier Fliegen, die hier nicht nur titelgebend, sondern auch wegweisend sein sollen.

Gewissermaßen hat man es hier mit einem typischen Argento-Giallo zu tun, was bedeutet, dass der Handlungsbogen sich einmal mehr um einen jungen Künstler dreht, dessen Welt ins Wanken gerät, als er unverschuldet in dunkle Machenschaften gezogen wird.

Dabei lädt das Drehbuch als Trick zunächst einmal Schuld auf die Hauptfigur, indem sie eine Art Stalker nach einem Gerangel mit dem Messer des Verfolgers ersticht und dabei fotografiert wird. In dieser Beschreibung spiegelt sich bereits die sehr konstruierte Art der Erzählung wider, deren Abwegigkeit sofort wieder eine mystisch-gruselige Stimmung aufbaut, die mit Gimmicks wie der Gummimaske des unheimlichen Gegenspielers noch verstärkt wird. Hier wird durch das Schuldgefühl zumindest das eigentlich nicht nachvollziehbare Verhalten des Protagonisten noch im Ansatz erklärt, wenn dieser sich von seiner Umwelt isoliert und gar nicht erst nach Hilfe von außen sucht.

Die eigentlichen Morde geschehen hier ausnahmsweise nicht aus einer sexuellen Triebhaftigkeit heraus, wie man es sonst im Giallo oft vorfindet, sondern der Täter scheint hier ein anders gelagertes Motiv zu haben, wordurch ich „Vier Fliegen auf grauem Samt" vergleichsweise spannend finde und auf die Auflösung gespannt war. Diese Spannung wird hier am Ende jedoch durch eine vollkommen beliebige Auflösung in Form hosentaschenpsychologischer Selbsterklärung jäh zunichte gemacht, wodurch der Film kurz vor der Ziellinie einen Schuss ins Knie abbekommt. Folglich geht's dann auch in Zeitlupe ins Ziel, was wiederum ganz hervorragend gefilmt wurde und dem Film so noch einen, einmal mehr der Form geschuldeten, versöhnlichen Abschluss ermöglicht.

Hätte man die Auflösung mit dem Rest der Geschichte besser in Einklang gebracht, wäre das hier vielleicht Argentos bester Giallo geworden, denn die Atmosphäre und einige Highlights bei den Mordszenen sind wirklich stark und es kommt wohl dosierte Spannung auf. Dabei ist besonders der Mord an Francine Racette, Donald Sutherlands späterer Ehefrau, hervorzuheben, der mit Treppensturz und Messerstoß in seiner Überästhetisierung für mich das anschaulichste Beispiel dafür ist, was den Giallo optisch vom Psychothriller oder Slasher unterscheidet. Ein weiterer Vorteil dieser überbordenden Inszenierung ist die Möglichkeit, Morde als elementare und erschreckende Sensation eines Films nutzen zu können, ohne dass durch zu explizite und exploitative Gewaltdarstellungen der Rhythmus gestört wird. Manch einer mag den Mord vielleicht als unspektakulär bezeichnen, weil eben kein Blut fließt. Für mich definiert Argento mit dieser Szene ein zentrales Merkmal des Genres.

So elegant, wie Argento morden lässt, so angenehm fallen auch seine Inszenierungen von nackten Tatsachen aus. Eine Sexszene in der Badewanne erweist sich so vielmehr als Liebesszene in der Badewanne. Prüderie liegt Argento ebenso fern wie der Voyeurismus, der dem Giallo ansonsten sehr zu eigen ist und sein Weg führt folglich zu einer intensiveren Darstellung der Figuren, die hier scheinbar ihre eigene Sexualität ausleben und sich eben nicht schaustellerisch für die Kamera und die Menge vor der Leinwand rekeln. Dies kommt letztlich der eben beschriebenen Mordszene zugute, denn man fiebert und leidet mit dem Opfer hier wesentlich mehr mit, als mit dem sonstigen Kanonenfutter, das im Genre so das Zeitliche segnet. 

Bei der schrägen Geschichte dürfen natürlich schräge Charaktere nicht fehlen und so treffen wir auf Bud Spencer, der hier analog zu Mario Adorf in „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" als abgerissene Figur mit komischen Essgewohnheiten punktet, wobei Spencer dann wesentlich mehr Einfluss auf die Handlung hat. Eine weitere Parallele ist das Vorkommen eines offen schwulen Charakters, hier ein Detektiv, in „Das Geheimnis..." ein Kunsthändler und in „Die neunschwänzige Katze" Horst Frank. Die klischeebeladene Darstellung der Schwulen einzuordnen, fällt mir dabei etwas schwer, denn besonders hier scheitert der Detektiv zwar, erscheint aber als positiv besetzte Figur. Modell lustige Tunte sozusagen.

Die Musik kommt hier aus zweierlei Richtungen. Die Hauptfigur ist Schlagzeuger und so gibt es viele Szenen, die selbst die Musik liefern, die zeitgenössisch irgendwo zwischen Rock, Blues und Jazz angesiedelt ist und es gibt den Score von Ennio Morricone, der hier eher zurückhaltend aber passend die Atmosphäre untersützt.


Fazit

„Vier Fliegen auf grauem Samt" ist ein gelungener Giallo von Dario Argento, der bis auf die Auflösung in Form einer Selbstdemontage überzeugt. Der Weg bis dahin ist spannend inszeniert und Argento verwöhnt den Zuschauer hier einmal mehr mit interessanten und wirkungsvollen Bildern. Und das bis in die letzte Sekunde, wodurch der etwas idiotisch erscheinende Schluss beinahe vergessen gemacht wird. Von dieser Art hätte Argento ruhig noch mehr machen können, aber verständlicherweise machte er sich daran, das ihm bekannte Sujet in seinen Grenzen auszudehnen ohne es zu verlassen und näherte sich schrittweise dem Horror an.

Ich freue mich jetzt auf „Profondo Rosso", „Inferno", „Tenebre" und „Phenomena", die hier alle schon im Regal stehen. Das absolute Highlight „Suspiria" kenne ich ja schon...    

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