Vier Fliegen auf grauem Samt (1971)

Roberto ist Schlagzeuger in einer Band. Als ihm nach den Proben ein Unbekannter auflauert, ihn verfolgt und in die Enge treibt, ersticht Roberto diesen im Affekt. Ein zweiter Unbekannter, ein stiller und heimlicher Beobachter, fotografiert den jungen Mann bei seiner Tat. Roberto flüchtet nach Hause, doch in der folgenden Zeit beschleicht in fortwährend das Gefühl beschattet oder verfolgt zu werden…

Ein Giallo wie er im Buche steht. Einer von Argentos frühen, oft vergessenen Werken. Und obwohl der Meister nur wenig Gelegenheit hatte sich zu erproben, rockt 4 FLIEGEN AUF GRAUEM SAMT gewaltig. Der Film ist phantastisch fotografiert, bildhaft wie noch mal was, voller obskurer, wahnwitziger Kameraeinstellungen und Blickwinkel, wie z.B. dem Blick aus dem Klangkörper einer Gitarre. Einzig die intensive Farbgebung, die SUSPIRIA und INFERNO so unvergesslich machten, trifft man hier noch nicht an. Dennoch aber ist VIER FLIEGEN ein absoluter Augenschmaus.
Überaus positiv, dass bei all dieser Bildhaftigkeit die Handlung nicht zu kurz kommt. Es sind viele spannende Krimielemente vorhanden, so dass beinahe kein Lehrlauf entsteht. Das Rätselraten um Robertos Verfolger hält bis zum Schluss bei der Stange. Wer steckt dahinter? Welche Motive reiten ihn? Roberto plagt ein immer wiederkehrender Albtraum von einer Hinrichtung durch Enthauptung. Es wurden sogar kleinere Komik-Elemente eingebettet, wie z.B. ein homosexueller Privatdetektiv mit null erfolgreich aufgeklärten Fällen und ein trotteliger Postbote.
Die Morde fallen hier noch beinahe komplett blutleer aus. Natürlich zelebriert Argento das Ableben jedes Opfers trotzdem mit hohem Genuss, wie z.B. durch den Einsatz von Zeitlupe oder detailfreudigen Nahaufnahmen.

Vielleicht mag sich der eine oder andere fragen, was der absurde Titel zu bedeuten hat. Dies kann erklärt werden: Als in Robertos Umkreis Bekannte ermordet werden, wird an einer Toten ein absurdes Experiment durchgeführt, bei dem von der Theorie ausgegangen wird, dass das letzte Bild, der letzte visuelle Eindruck auf der Netzhaut eines Toten gespeichert wird und abfotografiert werden kann. Dies wird am herausgeschnittenen Auge der Toten durchgeführt und das Ergebnis sind die Titel gebenden vier Fliegen.

Unter den Schauspielern findet man Michael Brandon (CAPTAIN AMERICA), Mimsy Farmer (HOSPITAL DER LEBENDEN LEICHEN, Fulcis BLACK CAT), in einer kleinen Nebenrolle sogar Bud Spencer, der hier die Fäuste aber ruhen lässt. Der Fall wird also nicht durch Doppelwatsch’n aufgeklärt…

Beinahe einziger Nachteil des Films: der Soundtrack ist noch nicht von Goblin, sondern von einem guten Freund Argentos namens Ennio Morricone, mit dessen Arbeit Argento hierbei aber so unzufrieden war, dass sich ihre Weg für lange Zeit teilten und der Meister begann die Prog-Rockband Goblin zu engagieren.

Fazit:
Bildhafter, spannender, kriminologisch hochwertiger Giallo. Mir beinahe noch lieber als TENEBRE, OPERA und PROFONDO ROSSO.