Review

„Vier Fliegen auf grauem Samt“ aus dem Jahre 1971 ist der dritte Giallo des italienischen Meisterregisseurs Dario Argento und zählt somit noch zu seinen Frühwerken, die aufgrund ihrer (Original-)Titel gern als „Tiertrilogie“ zusammengefasst werden. Atmosphärisch geht es hier wesentlich düsterer zu als noch in seinem Debüt „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“, die kreative Kameraarbeit ist auch hier deutlich als sein Markenzeichen vernehmbar und erfreut mit schönen Kamerafahrten und anderen innovativen Stilelementen. Zwar wurde die Handlung auch hier wieder mit einigen fragwürdigen humoristischen Einlagen aufzupeppen versucht, was noch immer den Anschein des Überflüssigen in sich birgt, aber nicht mehr so sehr nervt wie im Debüt. Als einer der kauzigen Nebendarsteller darf hier uns’ Buddy Spencer bewundert werden, was zu einem angenehmen Wiedererkennungseffekt führt. Einen seiner ersten großen Spielfilmtritte hat Hauptdarsteller Michael Brandon in der Rolle des Musikers Roberto, der in eine seltsame Mordserie verwickelt wird und – natürlich – Ermittlungen auf eigene Faust anstellt. Ihm zur Seite steht Mimsy Farmer als seine Frau Nina. Die zurückhaltend eingesetzte Filmmusik stammt erneut von Ennio Morricone. Das Drehbuch hat mit einer drögen Krimihandlung nicht mehr viel gemein und verfügt über einige kreative Kniffe wie z.B. die Rolle der Privatdetektivs und dessen fulminanter Abgang. Zudem wurde es um Elemente aus dem Bereich des Phantastischen angereichert, was zur mysteriösen, bisweilen gruseligen Stimmung des Films hervorragend passt und es dem Zuschauer erleichtert, die unwahrscheinlichen Abläufe und Handlungsstränge als eine Art Parallelwelt mit eigenen Gesetzmäßigkeiten zu akzeptieren, statt sie auf vermeintlichen Realismus hin abzuklopfen. Ein weiterer Baustein in diesem Gebilde sind die beklemmenden, immer wiederkehrenden Traumsequenzen Robertos, die stark abstrahiert sein im Schlaf arbeitendes Unterbewusstsein dabei zeigen, wie es ihm bei der Lösung des Rätsels behilflich zu sein versucht. In Sachen grafischer Brutalität hat sich Argento mit „Vier Fliegen auf grauem Samt“ weiter gesteigert und einige kunstvoll inszenierte Morde zu bieten, die in ihrer Schockwirkung einwandfrei gelungen umgesetzt wurden. Die Maske des Täters sorgte zumindest bei mir für zusätzliche Gänsehaut. Die Enthüllung des Mörders und seines psychologisch-traumatischen Motivs weiß zu überzeugen und kann durchaus als Kritik an Frauenfeindlichkeit aufgefasst werden. Zwar kommt man ihm gemessen an anderen Gialli schon relativ schnell auf die Spur und die Wendungen überschlagen sich auch nicht unbedingt im Finale, was meinem Sehvergnügen aber keinen Abbruch tat. Sowohl „Die neunschwänzige Katze“ (Argentos Zweitwerk) als auch „Vier Fliegen auf grauem Samt“ sind sicherlich keine Überflieger, aber wirklich gute Filme abseits des Mainstreams, die mich spannend und ansprechend unterhalten.

Obiges notierte ich im Jahre 2010. Abgesehen davon, dass es sich beim in der Netzhaut einbrennenden letzten gesehenen Bild vor dem Tode offenbar um unfreiwilige Science-Fiction, sprich: einem Irrtum, dem (nicht nur) Argento damals aufsaß, handelte (wenn auch einen sehr charmanten!), ist mir im Zuge der Kino-Wiederaufführung der hohe komödiantische Anteil aufgefallen, der die düstere Stimmung immer wieder konterkariert und den Film streckenweise zu einer Art Comedy-Giallo macht. Zudem scheint die Tatperson ihren Plan unfassbar verkompliziert durchzuführen, während zugleich die psychologische Brücke, die sie am Ende zu ihrem Opfer schlägt, eher schwach motiviert wirkt und ebenfalls kaum nachzuvollziehen ist. Ihr auserkorenes Opfer erscheint nach der Pointe etwas dröge, hätte es anhand jenes Netzhautbilds doch viel eher auf die Tatperson schließen können. Toll sind dagegen die Superzeitlupen, die im Kino erst so richtig ihre Wirkung entfalten.

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