Review

IM TODESNETZ DER GELBEN SPINNE von Chu Yuan
Hongkong 1976

Man gerät schon ein wenig ins Staunen, wenn der deutsche Titel einer Shaw-Brothers-Produktion einmal etwas mit ihrem Inhalt zu tun hat. In diesem Fall dreht sich tatsächlich alles um eine gelbe (oder besser gesagt neongelb angeleuchtete) Vertreterin der Arachniden. Diese „Spinne der Fünf Gifte" ist ein Wesen ganz besonderer Art, kann sie doch ein „Gift ausstoßen, das bei einer Entfernung von zehn Schritt und mehr für Tiere und Menschen den sicheren Tod bedeutet" und obendrein Fäden mit letaler Wirkung zum Einsatz bringen.
Von diesen Fähigkeiten pflegt sie auch regen Gebrauch zu machen, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommt. Allerdings tut sie das nicht für ihr eigenes Wohlergehen, sondern immer im Interesse desjenigen, der sie gerade besitzt. Somit stellt sie eine äußerst gefährliche Waffe dar, mit der man praktisch unbesiegbar ist. Um einen Missbrauch des mit einer erstaunlichen Lebenserwartung gesegneten Tiers zu unterbinden, hält man es seit über hundert Jahren an einem sicheren Ort in der Gruft der Anführer des „Clans der Fünf Gifte" unter Verschluss.
Als es am Berg Wudang zu einem Treffen der besten Boxer des Landes kommen soll, beabsichtigt eine Gruppe von Finsterlingen aus den Reihen dieses Clans, die Spinne zu reaktivieren. Mit ihrer Hilfe will man nicht nur den König der Boxer stellen, sondern auch die Mitglieder einiger rivalisierender Gruppierungen von ihrem irdischen Dasein erlösen.
So etwas spricht sich freilich schnell herum, und schon bald sind die Fünf-Gifte-Halunken nicht mehr die Einzigen, die mit allen Mitteln versuchen, der krabbelnden Waffe habhaft zu werden.

Im Todesnetz der gelben Spinne
ist nicht mehr und nicht weniger als irrwitziger und quietschbunter Unfug aus den unermesslichen Weiten der Shaw-Studios. Die Story ist völlig absurd und auch ein wenig unübersichtlich, da man sich erst einmal inmitten der zahlreichen Mitwirkenden orientieren muss. Es gibt die Mitglieder des „Fünf-Gifte-Clans" und seiner Untergruppen, vor allem jener unter Leitung von „Meister Schlange", die Angehörigen des „Wudang-Clans", des „Qingyi-Clans", des „Heiligen Feuerclans", die „Drei Heiligen vom Westlichen Mond", die „Drei Helden von Wudang", die „Sieben Freunde des Heisong-Clans", die Leute vom Sicherheitsdienst „Gelber Drache" und weitere Personen, deren Wege sich mitunter auf etwas wirre Art kreuzen. Da auch innerhalb der Clans heftig intrigiert wird, ist es wirklich nicht ganz einfach, dem munteren Treiben jederzeit bis ins Detail zu folgen. Diese Mühe kann man sich allerdings ohne Weiteres auch sparen und das ganze Spektakel als das betrachten, was es ist: eine Wundertüte voller abgefahrener Ideen aus dem Märchenreich, mit viel Liebe, Pathos, Pappe, Plastik, buntem Licht, brodelndem Wasser, einkopierten Blitzen, Qualm und billigem Feuerwerk in Szene gesetzt. Das ist natürlich größtenteils nichts anderes als Trash, aber es ist Trash von jener charmanten Sorte, die nicht Häme, sondern einfach pures Vergnügen auslöst. Man darf tapfere Helden, schöne Frauen, die sich gern durch Rückwärts-Überschläge fortbewegen, diabolisch lachende Bösewichter und eine veritable achtbeinige Hauptdarstellerin bewundern. Letztgenannte ist natürlich die große Attraktion des Films. Ihr Auftauchen wird auf der Tonspur von einer Art Alarmsirene untermalt, sie selbst hingegen trompetet wie ein ausgewachsener Elefant. Und wenn das possierliche Tierchen mit seinen Hochdruck-Blitz-Dampf-Spinnfäden-Strahlen ganze Heerscharen kampfbereiter Gegner von den Beinen reißt und einspinnt, bleibt wirklich kein Auge mehr trocken. Für Kurzweil ist also in mehr als ausreichendem Maße gesorgt, zumal es auch noch ein paar recht ordentlich choreografierte Kämpfe gibt. Lediglich am Ende, wenn das Geschehen in bester Hongkong-Manier wieder einmal ausgesprochen tragische Züge annimmt, schleicht sich das mulmige Gefühl ein, dass hier vieles ernster gemeint war, als man vermuten konnte. Wie dem auch sei - den farbenprächtigen Shawscope-Bildern von Regielegende Chu Yuan zu folgen, bereitet einfach eine Menge Spaß. Mag das Ganze auch weder als Drama noch als Kampfkunstfilm oder ernst zu nehmende Fantasygeschichte richtig funktionieren, eins ist es auf jeden Fall, und das ist keineswegs abwertend gemeint: Wundervoller Quatsch.
7 von 10 Punkten.

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