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Schon seine gesamte Karriere hat Brian De Palma („Mission: Impossible“, „Femme Fatale“) daran zu knabbern, dass man ihm als eindeutigen Hitchcock-Verehrer immer vorwirft, er würde dem Suspense-Großmeister gern seine Ideen stehlen, anstatt sich vor ihm zu verbeugen. In der Tat liegt da, besonders wenn er seine Drehbücher selbst verfasst, Einiges im Argen. Nicht außer Acht lassen sollte man aber, dass er handwerklich wirklich etwas auf dem Kasten hat. „Scarface“ oder „The Untouchables” gelten nicht von ungefähr als Klassiker, zumal man inszenatorische Schmankerl in so ziemlich jedem seiner Werke antreffen kann.

„The Fury“ gehört trotz seines denkwürdigen Endes eher zu seinen schwächeren Filmen, wofür der versierte Filmemacher allerdings wenig kann. Roman-Autor John Farris schrieb seine eigene Vorlage zu einem inhomogenen Drehbuch zusammen, das munter die Genres durcheinander würfelt, den Faden verliert und am Ende alles feucht-fröhlich zusammenstrickt bis es zum großen Knall kommt. Das ist zu erst einmal schwer unterhaltsam, aber genauso konfus und der Stimmung des Films abträglich.

Es geht euch gleich flott los mit Kirk Douglas als Papa Peter Sandza, der mit seinem Sohnemann Robin (Andrew Stevens, genau der B-Movie-Produzent!) irgendwo am Strand im Nahen Osten Urlaub macht. Sein Filius soll auf eine Schule für speziell Begabte. So richtig konkret kann das Drehbuch aber nicht werden, weil feindselige Turbanträger den Strand stürmen und den Vater vom Sohn trennen. Robin wird von Ben Childress (John Cassavates, „Capone“, „The Incubus”), einem Vertrauten seines Vaters, entführt. Douglas überlebt den Anschlag allerdings, bekommt spitz, dass Childress die Zwischenfall nur inszeniert hat, um ihn zu töten und Robin in seine Griffel zu bekommen. Daraufhin schießt er den verräterischen Freund zum Krüppel und geht stiften, um seinen Sohn wieder zurückzuholen.

Das erste Drittel des Films erweist sich mit Abstand als das beste Kapitel mit reichlich Humor, einem actionreichen Auftakt, später einer Verfolgungsjagd, Schießereien und viel Rumgerenne in passend düsteren Kulissen mit der nötigen Atmosphäre. Denn die Männer in Schwarz von der Regierung wollen Peter Sandza natürlich mundtot machen, bevor der wieder seinen Sohn zurückholen kann.
Die Komprimierung der Vorlage gereicht hierbei schon zum Nachteil, weil die Hintergründe dieser geheimen Experimente mit PSI-Begabten sehr schwammig und vage bleiben. Zwar erfährt man, dass alle Großmächte so eine Brut in ihren Laboren züchtet, aber was sie genau damit vorhaben, weiß niemand so recht. Hauptsache haben, wie die Atombombe.

Trotz seiner ernsten Lage witzelt sich Kirk Douglas zunächst ganz auf sich allein gestellt und verkleidet durch den Plot, um sich die Schergen vom Hals zu halten. Er sucht sich einen Unterschlupf, färbt seine Harre und stiehlt Geld. Mitleid kennt er dabei keinen, aber so ganz ernst nimmt er die Sache auch nicht, was wenig zum weiteren Verlauf des Films passt, für den er aber erst einmal abtaucht.
Die junge Gillian Bellaver (Amy Irving, „The Confession”, „Hide and Seek”) betritt als ebenfalls mit der besonderen Gabe ausgestattetes Mädchen die Bühne und muss als Sonderling natürlich viele Hänseleien in der Schule erdulden, bis sie dann tatsächlich mal vor lauter Provokation am Frühstückstisch rotiert. Gegen den Willen ihrer besorgten Mutter, die ihre Kräfte auch schon versehentlich zu spüren bekam, siedelt sie schnurstracks in eine Klinik für ihresgleichen um. Aber dort rekrutiert der finstere Childress seinen Nachwuchs, womit sich der Kreis wieder schließt.

Sie hat auch gleich soviel auf dem Kasten, dass sie den Leiter der Anstalt überrascht, der sie aus Angst wieder wegschicken will, und bis zu Robin vordringen kann, dem irgendwo kräftig das Gehirn gewaschen wird. Inszenatorische Lichtblicke gehen zur Filmmitte genauso flöten wie echte Spannung und die Konstruiertheit des Plots, gerade um Peter Sandza wieder zu einem Einstieg in die Handlung zu verhelfen, sind doch reichlich abenteuerlich. Überhaupt wird Gillians dortiger Aufenthalt, verbunden mit diversen Erklärungen um das PSI-Phänomen und einer Spur Glückseligkeit, zunehmend uninteressanter, während Kirk Douglas entspannt auf Parkhausdächern in VW-Bussen vögelt. Die Sorgen einfach mal vergessen, gelle?

Erst als sie den ersten Menschen versehentlich während einer erneuten Vision (Schön visualisiert übrigens) zu Blutwurst verarbeitet und der verzweifelte Kirk Douglas sie unbedingt als Wegweiser zu seinem Sohn missbrauchen will, dreht De Palma wieder auf und serviert insbesondere mit dem Ausbruch aus der Anstalt zum donnernden Score John Williams an einem sonnenstrahlendurchfluteten Tag ein paar unvergessliche, weil so unglaublich intensiv inszenierte Momente, die man so schnell nicht wieder vergisst. Gerade die rohe Gewalt, die er in Zeitlupe zelebriert und mit dem Ton paart, geht durch Mark und Bein. Ein schöner Moment, der De Palma einmal mehr als vorzüglichen Regisseur ausweist. Wenn er dieses Niveau nur immer halten könnte...

Am Ende des Weges wartet natürlich der Sohnemann in einem Landhaus, den der Zuschauer bis dahin in sporadischen Auftritten nur noch als labilen Psychopathen kennen gelernt hat, den Childress längst nicht mehr unter Kontrolle hat und dessen PSI-Kräfte alles Denkbare übersteigen. Folgerichtig läuft dann auch alles gewaltig aus dem Ruder.
Mit richtig viel Schmackes hantiert Robin völlig ausgerastet dann zum Schluss, indem er reinen Tisch macht. Dafür kommt De Palma endlich in seinem Element an und gibt ein superböses, verlustreiches Ende zum Besten, dessen megalomanische Schlussszene sich speziell ins Langzeitgedächtnis fräst.

So wenig Sinn bei näherem Blick auf den arg konfusen Plot „The Fury“ auch macht, Anfang und Ende gewährleisten auf sehr unterschiedliche Weise viel Kurzweiligkeit, obwohl die einzelnen Motive nicht zusammen passen. Man gewinnt als Zuschauer den Eindruck, der Autor konnte sich auf keinen Schwerpunkt einigen, greift deswegen einige Personen auf, arbeitet aber für niemanden eine zentrale Storyline aus, die ihn in den Mittelpunkt des Films rückt. Das Genre-Bastard hat allerdings seinen eigenen Reiz, weil Brian De Palma der jeweiligen Stimmungslage der Situation auch seine Inszenierung anpasst.
Kirk Douglas muss dafür nur Dienst nach Vorschrift verrichten und unglaubwürdigen Gemütsschwankungen unterliegen, aber vom psychopathischen Andrew Stevens darf man speziell am Ende doch sehr beeindruckt sein.


Fazit:
Inhaltlich zwar total pfui, dafür technisch oft ganz hervorragend. Dem guten Brian De Palma möchte ich da auch gar kein Ei ins Nest legen. Das Drehbuch taugt mit seinem Zwittercharakter einfach nicht. Als herrlich konsequenter Horrorthriller mit extradüsterem Abschluss gefällt „The Fury“ sehr gut, nur bricht die Handlung leider zweimal mit der mühsam etablierten Stimmung des Geschehens. Immerhin gibt es ein paar unvergessliche Momente und inszenatorische Glanzpunkte, die den Film bei aller Kritik zumindest einmalig sehenswert machen.

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