Nachdem sich Carl Schenkel bereits mit Genrestoffen wie „Kalt wie Eis“ oder „Abwärts“ einen Namen in Deutschland gemacht hatte, ging es nach Übersee, wo er nach Arbeit fürs Fernsehen mit „The Mighty Quinn“ sein US-Kinodebüt gab.
Der Titel verweist einerseits auf den gleichnamigen Bob-Dylan-Song, den es hier gleich mehrfach in der Reggae-Coverversion zu hören ist. Natürlich kann man auch den Protagonisten als den mächtigen Quinn betrachten, heißt der Held doch Xavier Quinn (Denzel Washington) und ist allseits beliebter Polizeichef auf einer Karibikinsel. Die Protagonisten im Polizeifilm sind oft Vertreter ihrer Gesellschaft und „The Mighty Quinn“ macht dies ganz deutlich: Jeder kennt und jeder schätzt Quinn, da er aus ihren Reihen stammt, darunter auch Kleinkriminelle wie Quinns Jugendfreund Maubee (Robert Townsend). In die Idylle von Reggae und Strandurlaub, den viele weiße Touris auf der Insel verbringen, platzt ein Mord.
Der reiche weiße Geschäftsmann Donald Pater wird ermordet in einem Hotel aufgefunden, das ihm gehört. Schnell fällt der Verdacht auf Maubee, was Quinn nicht glauben will. Doch als sein Freund der Polizei immer wieder entflieht und verdächtiges Geld in seinem Besitz hat, bleibt die Frage, ob Maubee nicht vielleicht doch der Täter ist…
So schwingt ein dezenter Sozialkommentar in dem Film mit. Ist Maubee aus Mittellosigkeit oder Sozialneid zum Mörder geworden? Oder soll er im Gegenteil vielleicht nur als Sündenbock dienen, während reiche Weiße im Hintergrund die Fäden ziehen? Dubiose Gestalten wie Fred Miller (M. Emmett Walsh), der angeblich Paters Firma vertritt, legen diese Vermutung durchaus nahe. Ein begrenzt fähiger Gouverneur, immer mit einem Fixer für politische heikle Lagen an der Seite, lässt die weiße Oberschicht des Films auch nicht gerade gut dastehen. Bis zur Lösung des Falls kommt sogar noch ein politischer Subplot hinzu, der mit der Mordgeschichte verknüpft wird.
Das klingt nach explosivem Stoff, doch das Drehbuch, das „Blade Runner“-Co-Autor Hampton Fancher auf Basis des Romans „Finding Maubee“ von A. H. Z. Carr verfasst, ist dann doch vergleichsweise gemütlich, eher ein Krimi denn ein rasanter Thriller. Trotz gelegentlicher Morde an unliebsamen Mitwisser, trotz gelegentlichen Einsatzes des Capoeira-Kenntnisse von Quinn und Maubee, trotz eines Finales mit Stuntgehangel an einem Hubschrauber und kurzem Uzi-Einsatz ist „The Mighty Quinn“ handelsübliche Genreware, stellenweise fast schon gemütlich erzählt und manchmal dann doch zu durchsichtig was die Schurkenrollen angeht – einen der Übelwichte erkennt man schon an seinem Verhalten, lange bevor es Beweise für seine Schuld gibt.
Immerhin nutzt „The Mighty Quinn“ sein Karibiksetting nicht nur für die löblichen politischen Untertöne, sondern auch zur Verbreitung von entsprechendem Flair, malerische Postkartenbilder und cooler Reggaesound inklusive. Damit hebt sich „The Mighty Quinn“ von den üblichen Großstädten des Copthrillers ab, auch wenn das Tempo des Films die relaxte Karibiklebensart manchmal etwas zu sehr für sein Genre verinnerlicht zu haben scheint. Der gut in die Community integrierte Ermittler Quinn wirkt dabei fast wie eine Vorstufe von Easy Rawlins, den Denzel Washington Jahre später in „Teufel in Blau“ verkörperte, nur dass Quinn etwas züchtiger als der Noir-Held Rawlins ist, was aber auch Testvorführungen zu verdanken ist: Die im Film noch zu merkende Anziehung zwischen Quinn und Hadley Elgin (Mimi Rogers) sollte sich ursprünglich noch in einer Liebesszene entladen, die aber beim Testpublikum durchfiel und daher rausgeschnitten wurde.
So ist Quinn eher einer von Washingtons Saubermanncharakteren, die aber auch mit Charme verkörpert, so wie hier. Robert Townsend als schlitzohriger Maubee klaut Washington aber in den gemeinsamen Szenen beinahe den Film und auch M. Emmett Walsh ist als zwielichtige Gestalt so in seinem Element, dass seine Performance im Gedächtnis bleibt. Mimi Rogers schlägt sich wacker, wird aber vom Drehbuch etwas vernachlässigt (vielleicht weil Szenen herausfielen), während Esther Rolle als lokale Hexe noch herausstechen kann.
„The Mighty Quinn“ punktet mit Flair, starken Hauptdarstellern und interessanten politischen Ansätzen, ist dann aber doch zu gemütlich und zu einfach gestrickt um mehr als netter Krimidurchschnitt zu sein – aber immerhin netter Krimidurchschnitt vor ungewohnter Kulisse.