Viele Lorbeeren hat "Gegen die Wand" bereits eingeheimst - und doch ist und bleibt der Film Geschmackssache. Auch wenn die Protagonisten alle aus Bosporusnähe stammen, handelt es sich bei vorliegendem Epos um einen Film durch und durch deutscher Machart: bedeutungsschwangere Dialoge, harte Schnitte, aus Szenenwechsel sich erschließende Zusammenhänge.
"Gegen die Wand" beschäftigt sich mit der Ausweglosigkeit, der in Deutschland aufwachsenden Türken und der Menschen im allgemeinen. Wie kann man seinem Schicksal entfliehen, wie kann man aus seinem Leben mehr herausholen, etwas gestalten, etwas verändern? Oder sollte man einfach aufgeben so wie Cahil es beschloss und vor sich dahinvegetieren?
Viele Gedankensprünge, aber kein roter Faden - der Film ist keine leichte Kost. Anstrengend und mit vielen Längen versehen taugt er wenig um gute Unterhaltung zu bieten - aber das ist auch gar nicht gewollt. Minutenlange Dialoge in türkisch sollen die multikulturelle Färbung unterstreichen. Immer wieder das Einflechten türkischer Tradition und der schwelende Konflikt mit der Moderne soll dem Film Bedeutung verleihen - doch geht dies gründlich in die Hose. Ja, hier haben so richtig coole, dem Volk nahe Drehbuchautoren wunderbare Sätze formuliert. Was Jugendsprache sein soll bekommt hier neue Definition: Ein Satz ohne "ficken" zu enthalten scheint hier schon zu brav zu sein. Wenn das die Realität abbilden soll - dann gute Nacht, da sollte so manch einer nochmal genauer hinhören.
Den in der Vergangenheit erhaltenen Erfolg darf dieser Streifen wohl vorallem Sibel verdanken, die in der Vergangenheit anderweitige Talente in den Vordergrund ihrer Schauspielkarriere stellt und die lediglich in genreverwandten Szenen akzeptabel zu sein scheint. Anregend scheint es wohl auch für passende Dialoge gewesen zu sein ("ich geh jetzt ficken"). So wird munter herumgevögelt und sich ausgiebig darüber unterhalten. Warum auch nicht, so ist ja das wahre Leben. Ist es das wirklich? mag sich da so manch ein Zuschauer fragen. Natürlich, da vögelt die Braut bereits in der Hochzeitsnacht den Barkeeper. "Gegen die Wand" erhebt den Anspruch hinter die Kulissen blicken zu wollen, das Leben und Kulturkonflikte darstellen zu wollen - doch das geht gründlich daneben.
Aus der Distanz betrachtet erscheinen viele Dialoge und Szenen fast lächerlich, denn gewollt ins Drogen- und Gewaltmilieu geschoben, mit reichlich Sex geschmückte Schauplätze mögen zwar dem Handlungsverlauf des Films dienlich sein, bilden aber das Ergebnis "gewollt und nicht gekonnt".
Natürlich dominiert am Anfang die Ausweglosigkeit, natürlich dürfen wir hollywoodreif die große Liebe erleben mit krassem Schnitt an dessen Höhepunkt, natürlich schwenkt alles wieder um in die Ausweglosigkeit, fast schlimmer noch als zu Beginn. Der Film ist letztlich banal, global betrachtet schon mehrfach umgesetzt worden und speziell gesehen vermittelt er weder Neues noch in irgend einer Form Realitätsnähe.
Das drumherum ist ähnlich zu bewerten, Stichwort Musik: nervig, Stichwort schauspielerische Qualitäten: gerade mal ausreichend, Stichwort Szeneriegestaltung: au ja, komm, wir machen jetzt mal einen coolen türkisch gefärbten Insider-Film, mal so was richtiges, aus der Szene, weißt Du, dem wo voll krass Mann.
Wer Drogen und Sex, Fremdgehen und Gewalt, Penner und eine Ansammlung lose gebundener Krawatten mit Filzkäppi, 60er Jahre Sakko und Schnäuzer auf türkischer Hochzeit sehen will, dem sei "Gegen die Wand" wärmstens empfohlen. Allen anderen: Greift in der Videothek zum Titel nebendran.
(3/10)